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die Kinder vor schlechten Einflüssen. hatte aber auch ihre Schatten-
seiten, und meine Mutter betlagte, daß es ihr infolge der Ab-
schlietzung in ihrer Iugend all ihr Leben lang an Geroandtheit
im Umgange gefehlt habe. Indessen kann ich versichern, datz sie
bei einem sehr sichern Taktgesühl in ihrem Berufskreise niemals
Der erforderlichen Kunst, mit Menschen umzugehen, ermangelt hat.
Übrigens sollte sie sehr bald Gelegenheit haben, sich in schroierigeren
Lebenslagen zu bilden.
Schon 1830 erlag mein Großvater den Anstrengungen,
roelche ihm die Ausübung seines Amtes im Winter auferlegte,
und während bie Großmutter mit den übrigen Kindern in
Wevelinghoven blieb, rvurde meine bereits konfirmierte Mutter
nach Elberfeld in das Haus ihres Onkels, des Oberbürgermeisters
Brüning, gebracht, zunächst für ein Iahr zu ihrer weiteren Aus-
bildung. Dann aber wollten beide Teile nicht voneinander lassen,
und so blieb meine Mutter noch fünf weitere Iahre in dem Hause
des Onkels, indem sie sich der Pflege einer dort lebenden Grotz-
rnutter widmete. Diese sechs Iahre in Elberfeld waren für sie
die Hochschule, in welcher sie die Ausbildung fürs Leben gewann.
Dort wurde der von Haus aus aufrichtig fromme Sinn meiner
Mutter durch die Einflüsse in Elberfeld zu einem Pietismus zu-
gespitzt, der später in meinem Elternhause in zahlreichen Andachts-
übungen zum Ausdrucke kam, aber auch meiner Mutter manchen
Kummer brachte, wenn sie ihre Kinder auf freieren Bahnen
wandeln sah und erst spät im Leben eine gewisse Toleranz üben
lernte.
Inzwischen wuchsen in Wevelinghoven die drei Brüder meiner
Mutter heran, und es wurde notwendig, für ihre Ausbildung zu
sorgen. Um dazu beizutragen, verließ meine Mutter das lieb-
gewordene Elberfeld und nahm eine Stelle als Pflegerin bei der
schon erwähnten Frau Koch an, mit hundert Talern jährlich, von
denen sie die Hälfte an die Mutter abgab. Ihr Dienst war
schwer: Frau Koch litt an einem Krebsleiden, und meine Mutter
mußte sie verbinden, pflegen und bedienen. Nach kurzem Aufent-
halte in Wiesbaden unterwarf sich die Kranke einer Operation
in Düffeldorf: aber ehe die Wunde an der Brust noch geheilt war,
brach das Übel aufs neue wieder aus. Ietzt zog sich Frau Koch
die Kinder vor schlechten Einflüssen. hatte aber auch ihre Schatten-
seiten, und meine Mutter betlagte, daß es ihr infolge der Ab-
schlietzung in ihrer Iugend all ihr Leben lang an Geroandtheit
im Umgange gefehlt habe. Indessen kann ich versichern, datz sie
bei einem sehr sichern Taktgesühl in ihrem Berufskreise niemals
Der erforderlichen Kunst, mit Menschen umzugehen, ermangelt hat.
Übrigens sollte sie sehr bald Gelegenheit haben, sich in schroierigeren
Lebenslagen zu bilden.
Schon 1830 erlag mein Großvater den Anstrengungen,
roelche ihm die Ausübung seines Amtes im Winter auferlegte,
und während bie Großmutter mit den übrigen Kindern in
Wevelinghoven blieb, rvurde meine bereits konfirmierte Mutter
nach Elberfeld in das Haus ihres Onkels, des Oberbürgermeisters
Brüning, gebracht, zunächst für ein Iahr zu ihrer weiteren Aus-
bildung. Dann aber wollten beide Teile nicht voneinander lassen,
und so blieb meine Mutter noch fünf weitere Iahre in dem Hause
des Onkels, indem sie sich der Pflege einer dort lebenden Grotz-
rnutter widmete. Diese sechs Iahre in Elberfeld waren für sie
die Hochschule, in welcher sie die Ausbildung fürs Leben gewann.
Dort wurde der von Haus aus aufrichtig fromme Sinn meiner
Mutter durch die Einflüsse in Elberfeld zu einem Pietismus zu-
gespitzt, der später in meinem Elternhause in zahlreichen Andachts-
übungen zum Ausdrucke kam, aber auch meiner Mutter manchen
Kummer brachte, wenn sie ihre Kinder auf freieren Bahnen
wandeln sah und erst spät im Leben eine gewisse Toleranz üben
lernte.
Inzwischen wuchsen in Wevelinghoven die drei Brüder meiner
Mutter heran, und es wurde notwendig, für ihre Ausbildung zu
sorgen. Um dazu beizutragen, verließ meine Mutter das lieb-
gewordene Elberfeld und nahm eine Stelle als Pflegerin bei der
schon erwähnten Frau Koch an, mit hundert Talern jährlich, von
denen sie die Hälfte an die Mutter abgab. Ihr Dienst war
schwer: Frau Koch litt an einem Krebsleiden, und meine Mutter
mußte sie verbinden, pflegen und bedienen. Nach kurzem Aufent-
halte in Wiesbaden unterwarf sich die Kranke einer Operation
in Düffeldorf: aber ehe die Wunde an der Brust noch geheilt war,
brach das Übel aufs neue wieder aus. Ietzt zog sich Frau Koch