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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 10.1893

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Mone, Fridegar: Kritik der Wappen der Minnesinger aus Schwaben, [4]: ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Mystik in Schwaben und Alamannien
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https://doi.org/10.11588/diglit.15868#0094

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konnte diese phantastische, theosophische und allegorienreiche
Pädagogik und Sittenlehre der Dichter, wie Wolfram von
Eschenbach und Hartmann von Au, nicht sonderlich gefallen.
Das zeigt sich in der Opposition oder. Reaktion, welche im
14. und 15. Jahrhundert (Heinrich Snso, Rulmann Merswin)
gegen die Ausartung und Auswüchse der höfischen Poesie
(d. h. gegen das psychologische Epos), gegen das Abeuteuer-
aufsnchen und -bestehen, gegen den Frauen- und Weltdienst,
gegen das Vaganten- und Bacchantentum und gegen die all-
zufern hergeholten Allegorien aufgekommen sind. Wir verweisen
hier auf die Schrift von ?. Albert Kuhn: „Die ideelle und
ästhetische Bedeutung der mittelhochdeutschen Poesie", Ein-
siedeln 1874.
Der Weg des menschlichen Lebens durch das Jammer-
thal der Erde ist in den Predigten de ndventu domini des
Honoriuö von Basel-Angst oder von Autun (7^u§ustoduuensis)
in seinem speculum eeclesius anno 1125—31 schon ganz
ebenso geschildert, wie die späteren Dichter (Epiker), Mystiker
und Künstler (Maler, Heraldiker und Bildhauer) sich die
Sache vorgestellt haben. Er sagt: uodis in medio vitae
(irdische Pilgerfahrt) constitutis duue viae se otteruni:; der
eine führt zum Himmel, der andere zur Holle (nd inferiorem
viturn); der erstere ist eine via urtu et unZustg. (Klingen-
thal). Honorius schildert die menschlichen Leiden auf dem
engen Pfade zu der umoenitus beatme vikae und zu den
atria vitme und zählt alles das aus, was die Dichter des
Parzival, des Erek, Jwein, Tristan, Titurel und Willehalm
symbolisch ausmalen. An poetischer Sprache steht Honorius
unfern deutschen Epikern wenig nach. Nach ihm würde die
Freude in monte suncto Lllristi, d. i. in Lirristo erreicht
und gefunden. Die leoninischen Verse, welche Honorius in
seine Predigten über die Ankunft Christi einflechtet, sind von
den Dichtern (wie selbst von Dante) als leitende Idee ihrer
Poesie benützt worden. Einige dürfen deshalb wohl angeführt
werden. Von der Liebe sagt er:
per me krausike
c^ui c^uaeritis akria vitme!
Von der Weisheit: prnemonstro caliem,
scandentes linc^uite valiem!
Ausfallend ist die Aehnlichkeit des Gedankens in der
Ueberschrift über dem Eingänge in die Vorhalle der Kirche
(Paradies) in Herren alb, das 1149—1152 von Berthold
v. Eberstein gestiftet wurde:
ad portum vitae kratrss propsranter adike!
cpui sunt condiAni, nune intrent corde beni^ni!
In dem psychologischen Epos oder nach der allegorischen,
symbolischen Siltenlehre hat der Mensch in der Agonie beim
Scheiden der Seele vom Körper einen harten Kampf zu be-
stehen. Parzival kämpft, ehe er in das Wunderschloß ein-
gehen darf, als Ritter des Gral (snn§uis realis, das am
Kreuze vergossen wurde) mit seinem Halbbruder (die mensch-
liche Natur, die Sinnlichkeit, der alte Adam), dessen Namen
Feiresiß lautet.
Wie der Lebenspfad des einzelnen Menschen poetisch auf-
gefaßt wird, so auch das heraldische, d. i. symbolische Por-
trait der Persönlichkeit des Individuums, das ist eben das
Wappen.
Nr. 22. Tafel 12. Der Dichter Ritter Walter
von Klingen, welcher seit 1251 vorkommt und 1285 starb,
ist turnierend mit einem Ritter N. N. dargestellt. Sein Gegner
hat bei Hefner, Trachten des Mittelalters, einen schwarz und
rot schräg geschachten Schild. Das Wappen des Klingen
selbst aber ist ein schwarzer Schild, der mit goldenen Schin-

deln besät ist, und einen gekrönten silbernen springenden
Löwen zeigt. Auf dem Helme sind zwei silberne, auswärts
gekehrte Beile, deren Schärfe mit Pfauenfedern bedeckt sind.
Bei Zangemeister-Neuenstein hat der Gegner von Klingen
einen roten Schild mit drei nach links laufenden goldenen
Schrägbalken. Dieses Wappen ist verdächtig, denn die »ach
links lausenden Schrägbalken sind ein Zeichen eines delectus
nutnlium und bezeichnen einen ilieZitimus tilius, der eben
deshalb gar nicht turnierfähig war. Diese Kleinigkeit führe
ich nur an, um darauf hinznweisen, ob man dem Manesse
und Hadlaub vorwcrfen soll, sie hätten oberflächlich gearbeitet,
oder ob mau an eine allegorische Zeichnung denken muß. In
dem Wappen des Gegners von Walter von Klingen wird man
nach dem oben Gesagten unschwer den Halbbruder des Helden
Ideales, den Feiresiß erkennen, welchen-Parzival besiegte, ehe
der letztere einging als Ritter des hl. Gral in die Burg des
moirs Lalvatoris (Monsalwatsch) oder in Elinschors Wunder-
schloß (sebastel merveile).
Bei dem Bilde und Wappen des Walter von Klingen
erfordern folgende Punkte eine Aufklärung. Erstlich befremdet
es, daß der so überaus fromme Mystiker und gegen Klöster
und Kirchen so freigebige Dichter ein Turnier-Held und Rauf-
bold gewesen sei» soll, wie das Bild im Manesse-Codep ihn
darstellt. Zweitens ist die Helmzier, zwei aufrecht nach außen
gekehrte Beile, deren Schärfe mit Pfauenfedern geschmückt ist,
nicht so einfach und leicht zu erklären. Zangemeister hilft
sich auf eine leichte Art, er schweigt sich über die zwei Beile
gründlich aus! Diese Helmzier ist man zunächst versucht, in
der Art zu deuten, daß man das Beil als Attribut oder Bei-
zeichen desjenigen Heiligen betrachtet, welcher HimmelSpatrou
des Dichters oder seiner Pfarrkirche gewesen ist. Die mit
Pfauenfedern beseitete Schärfe läßt sich als das freundschaft-
liche Verhältnis des Säugers zu Rudolf von Habsburg,
1257—85, auffasfen. Denn Walter von Klingen hatte vor
September 1273 ein Traumgesicht, worin er die Erwählung
König Rudolfs sah. Man nennt dies ein sog. zweites Ge-
sicht. Aber die Beile kann man entweder nur auf den Apostel
Matthias beziehen, oder symbolisch als Werkzeug der Zer-
störung auffassen. Dieselbe Figur (zwei Beile, Parten) führen
die Sturmfeder und die Haderer (Hawerer) im Kraichgau im
Schilde. Möglich ist es, daß die Beile in Beziehung stehen
zu den Holzsplittern (Schindeln) im Schilde der Klingen.
Aber wahrscheinlich ist diese Helmzier nur persönlich von dem
Dichter und Mystiker Walter von Klingen gewählt worden.
Was die goldenen Schindeln im schwarzen Felde betrifft,
so wird inan nicht fehl gehen, wenn man das letztere auf die
Nacht, d. h. den Zustand der Seele in der Sünde während
der irdischen Laufbahn bezieht, und die Schindeln für Wecken
oder Brote erklärt. Letztere regnen gleich dem Manna in der
Wüste vom Himmel herab, oder in die Nacht des Irrtums
im Leben. Symbolisch ist der Wecken oder das Brot das Wort
Gottes, welches die notwendigste Nahrung für die Seele ist.
Der silberne gekrönte Löwe (bisweilen auch als goldener ge-
malt) ist der siegreiche Löwe von Juda, das Symbol von
Christus, auf welchen man in der Nacht des Lebens hofft und
sein einziges Vertrauen setzt.
Der Namen Klingen, Klengen, Klingenberg, Klingeufels
und Klingenau u. a. ist als Bezeichnung einer Oertlichkeit
sehr häufig. Ein Dorf Klingen mit der Burg Alten-Klingen
liegt im Thurgau bei Wigoltingeu und gilt als Stammschloß
des Dichters. Hohen-Klingen bei Stein a. Rh. hat von der-
selben Adelsfamilie Clingen den Namen. Ebenso das Städt-
chen Klingenau an der Aare, von welchem das St. Blasische
 
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