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Dittmann, Lorenz; Ricardon, Jean [Hrsg.]
Jean Ricardon — [S.l.], 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29725#0010
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Seit 1954 ist Ricardon Professor an der Ecoie des Beaux-Arts in
Besangon und entfaitet dort auch ais Lehrer eine intensive Tätigkeit^.
Der Weg zum Weiß und zur Abstraktion
Ricardon beginnt mit farbigen und gegenständlichen Biidern.
1945/46 reicht die Palette vom grünen, gelben und roten Ocker über
Blau zu farbig getöntem Grau.
Die kleine ,,Stierkampfszene'' von 1946 (22 x 27 cm, Privatsamm-
lung, Abb. 2) steht am Übergang zur,,schwarzen Periode". Der heftig
in sich bewegten grauen Farbmaterie, die Grund und Figuren mit eige-
nem Rhythmus übergreift, antworten die nervös-kraftvollen expressi-
ven Konturen. Hinter einem hingestreckten, sterbenden Schimmel mit
braunem Sattelriemen steht, von rückwärts gesehen, breitbeinig,
mächtig aufgepflanzt, der Stier. Der Kampf der Tiere zur Lust der
Menschen ist zu Ende: wehrlos liegt das Pferd, über ihm der Stier, der
nach neuen Opfern Ausschau hält, Symbol gewalttätiger, unerbittli-
cher Vitalität. Linien und Farbmaterie zittern vor Erregung im Faszino-
sum von Kampf und Tod.
1946/47 verdunkeln sich die Bilder, es entstehen die schwarzen Ge-
mälde, dunkle Figurengruppen in breitfließendem Schwarz vor grau-
en oder grüngrauen Gründen. Der ,,Kalvarienberg" von 1947
(14 x 40 cm, Abb. 3) bringt die Kreuzigungsgruppe in einem entschie-
denen Breitformat zur Darstellung. Mit weitgespannten Armen, das
Haupt in die Waagrechte gesunken, hängt Christus schwer am Kreuz.
Links und rechts von ihm die Schächer, von wilden Dunkelbahnen
umgrenzt. Der Farbgrund in schweren Massen aufgewühlt wie im Be-
ben der Erde. Das kleine Format steht monumentaler Wirkung nicht
im Wege. Die weitgebreiteten Arme Christi, in welchen sich die Breit-
komposition der Darstellung verankert, scheinen uns zu umfangen.
Keine ferne, fremde Geschichte wird erzählt, sondern eine existenzielle
Kundgabe vergegenwärtigt, wie nur je bei Georges Rouault.
Die ,,Pieta" (22 x 27 cm, Abb. 4) entstammt demselben Jahr 1947.
Auch hier sind dunkle Figuren eingelassen in einen dunklen, in sich
kreisend bewegten Grund. Flüchtiges Licht sammelt sich allein auf
Christi Leib, sein Haupt jedoch versinkt in Dunkelheit, undarstellbar ist
Christi Tod.
 
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