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Dittmann, Lorenz; Ricardon, Jean [Hrsg.]
Jean Ricardon — [S.l.], 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29725#0021
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Maiewitsch — Mondrian — Seuphor
Auf die Frage, weiche Maier Ricardon am höchsten schätze, antworte-
te er spontan: Maie witsch und Mondrian, unter den Lebenden jedoch
Michei Seuphor. Daß diese Wahi keine zufäiiige Bevorzugung dar-
steiit, sondern auf einer geistigen und künstierischen Affinität beruht,
iäßt sich im Biick auf die Biidorganisation und die sie tragende geistige
Haitung erkennen.
Zeichnungen Ricardons, wie die hier abgebiideten von 1980 (Tusche
auf Papier, 22,7 x 16,1 bzw. 32,4 x25 cm, Abb. 9 und Abb.10) er-
scheinen mit ihren vor und in einer Horizontai-Vertikai-Struktur in
Schrägrichtungen aufschwebenden geiängten Rechtecken, Dreiecken
und Kreisen wie ais Durchdringung der zeichnerischen Prinzipien bei
Mondrian und bei Maiewitsch, wozu freilich noch ,,informelle " Ele-
mente hinzutreten.
Um den Gehalt dieser Bildorganisationen zu erfassen, ist es nötig,
auch die Theorien dieser Künstler kurz zu skizzieren.
Von Malewitschs Suprematismus war schon die Rede. In ihm, als dem
,,befreiten Nichts der Gegenstandslosigkeit", gibt es ,,weder Konstruk-
tion noch System", sondern allein ,,die Ganzheit gegenstandsloser,
naturbedingter Erregungen ohne Ziel und irgendwelche Zweckbestim-
mungen", die sich rhythmisch darstellt: ,,Im gegenstandslosen Wirken
hört man nicht den Streit der Unterschiede, es vollzieht sich in dynami-
schem Schweigen, das man auch Rhythmus nennen kann, das heißt
ein Zustand, in dem keine Unterschiede in Widerstreit zu einander ste-
hen, alles ist rhythmisch, übereinstimmend und zusammenhängend,
Rhythmus als Einklang der Vielfalt." In diesen Rhythmus ist auch der
Schaffende, ja jeder Mensch hineingenommen: ,,Sobald ein Schaf-
fender beginnt, seine Erregung durch den Rhythmus auszudrücken,
befindet er sich im Einklang mit der kosmischen Wirklichkeit/' Der
Mensch ist Teil der kosmischen Wirklichkeit, die von Malewitsch mit
,,Sand"verglichen wird: ,,Diese Wirklichkeit 'Sand'...kann sich zer-
stäuben oder zusammenballen, ohne ihre Einheitlichkeit oder Gleich-
heit zu verlieren. Selbst die Zerstäubung ist noch keine Zerstörung: Ob
der Sand vom Winde verweht wird, ob er in einem Ziegelstein zusam-
mengehalten wird — seine Einheit bleibt erhalten, verringert sich nicht
und vergrößert sich nicht. Es gibt für den Sand also keinen Zustand,
den er als Katastrophe empfinden könnte. Es ist hier die Vollkommen-

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