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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0182
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Jahrgang.

Neunter


ZUM 1858.


Deutsches Kunstblatt.

Redigirt von Friedrich Eggers in Üerlin.

Reisedemerkungen in Tirol.
Von Karl Eggers.
(Schluß.)

Gebiet für Landschafter. — Fresken auf Schloß Lebenberg. — Reliefs am Altar der
Kirche zu Pfunds. Kirche zu Milz. — Die Kirche zu Silz. — Straße durch den
Finstermünzpaß.
Lassen wir uns übrigens durch diese Grübeleien, die
dem Archäologen kostbarer erscheinen mögen, nicht den Ge-
nuß der malerischen Reize der Zenokapelle und der Ruinen
der Zenoburg verkümmern, die sie in doppelter Weise über-
reich spenden, einmal wenn man von hier aus Umschau in's
reizende Etsch- und Passeierthal hält, und dann wenn man
vom Thale aus sie selbst zum Hauptgegenstande des Land-
schaftbildes macht. Uebrigens steht in dieser Hinsicht diese
Ruine hier so wenig isolirt, daß wir keinen Anstand neh-
men, gerade diese Gegend Südtirols für die reichste an
Burgruinen, Schlössern und alten Edelsitzen zu halten, die
sich auf deutschem Grund und Boden findet, mit der selbst
der burgenreiche Vater Rhein den Vergleich nicht aushält.
Genau gezählt finden sich nämlich in einem Umkreise von
weitestens zwei Meilen von Meran 40 bis 50 mehr oder
weniger verfallene Reste von Burgen, Schlössern und An-
sitzen, die freilich fast ausnahmslos ohne baukünstlerischen
Werth sind, aber dem Landschaftsmaler, welcher architekto-
nische Staffage liebt, ein reiches Feld malerischer Studien
und Sammlung fruchtbarer Motive darbietet. Wenn im
Bereiche deutscher Zunge das bayerische Hochgebirge, Salz-
burg und das Salzkammergut, der Rhein und Thüringen
seit langem gleichsam zu landschaftsmalerischem Culturboden
geworden und selbst die Tannenwälder und der Sand der
Marken wie der Ostsee-Dünen mit glänzendem Erfolge ur-
bar gemacht sind für die Landschaftsmalerei, so würde man
sich vielleicht Wundern können, daß dem deutschen Südtirol
bisher in dieser Rücksicht sein Recht nicht wiederfahren ist,
wenn nicht diese Thatsache §ich sehr einfach daraus erklärt,
daß derjenige, welcher die Alpenkette überschreitet, regel-
mäßig ein südlicheres Ziel in's Auge gefaßt hat und die
reiche Ausbeute auf dem Wege dahin in der Hoffnung nach
weit reicherer im Stiche läßt. Nichtsdestoweniger würde
es sich verlohnen, auch einmal das nächste Gebiet an der
Scheidewand gegen den Süden dem Pinsel zu unterwerfen,
und bedenkt man, wie leicht man vom bayerischen Hochlande
aus in ein bis zwei unbeschwerlichen Tagereisen die Thäler

Südtirols erreicht, so mögen einmal einige aus der wacke-
ren Schaar der Landschaftsmaler, welche alljährlich das
bayerische Hochgebirge abstreift, einen einzigen Schritt über
die Alpen als den Endzweck des Ueberganges betrachten,
damit hier nicht umgekehrt über die Schönheit der nächsten
Nähe die Schönheit der so nahe liegenden Ferne ganz
vergessen werde. Schon die geographische Situation Süd-
tirols bringt es nothwendig mit sich, daß der landschaftliche
Charakter in den gegen Süden geöffneten Thälern ein süd-
licherer ist und sein muß, als in der gesammten Lombardei,
dem nördlichen Parma, Modena und Kirchenstaat, bevor
man die zweite Scheide gegen den Süden, die Apenninen,
überstiegen hat; denn die schrägen Bergabhänge werden von
den Sonnenstrahlen senkrechter getroffen als die Ebenen
Nordtirols, und so kommt es, daß Fichte und Tanne dem
Nußbaum'und der Kastanie weicht an den Felsabhängen,
die nicht mehr von sammtnem Moose, sondern von üppigen
Schlingpflanzen und saftigem Epheu bekleidet werden. Feige
und Wein entfalten sich in reichster Fülle und selbst Eypresse,
Olive und Granate scheuen, wenn freilich auch nur verein-
zelt, den Schnee nicht, der an den jenseitigen Thalwänden
ewig ruht. Die einfach lyrische Landschaftsmalerei findet
hier ebenso reichhaltige Motive, als die romantische, die den
Ruinen und.Trümmern des Mittelalters nachspürt. Daß
nun solche Reste sich gerade hier so reichlich finden, erklärt
sich daraus, daß Meran während der ritterlichsten Zeit des
Mittelalters die Haupt- und Residenzstadt der Grafschaft
Tirol war, wodurch alle adeligen Geschlechter aus dem
ganzen übrigen Tirol sich herbeigezogen fühlten, Ansitze in
der Nähe des Hofes zu haben, die sich also in dem engen
Thale der Etsch hier sehr zusammendrängen und anhäufen
mußten. Was von all den Burgen und Schlössern nicht
völlige Ruine ist, wird noch jetzt bewohnt theils von Bauern,
theils von reicheren Grundherrn, die sich hier lachende Land-
sitze geschaffen haben. —
Ueber den Baustil ist wenig zu sagen. Die Burg-
ruinen zeigen Thurmreste und Zinnenmauern. Die Schlösser
sind meistens burgartig mit Zinnenmauern und festen Thür-
men angelegt, als deren Dach sehr häufig das Walmdach
vorkommt, oder sie sind in reicherem Renaissancestil mit
Kuppelthürmen und Thürmchen und öffnen sich mit reiche-
ren Fensterreihen nach außen. Kleine Kapellen sind häufig
angebaut oder stehen selbständig in der Nähe. Einzelne
Schlösser sind fast von Grund aus neu hergestellt, wie das
Schloß Trautmanns.dorf in modernisirtem Burgenstil;
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