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ganze Auffassung des Kolorits erinnert in nicht ungünstiger Weise
an Rembrandt, wiewohl die rechte Seite, fast zu überfüllt mit
Köpfen, etwas unruhig und nicht vollständig bewältigt erscheint.
Es mag sein, daß das Ganze sich nicht mit der Wucht eines
eigentlich historischen Gemäldes, sondern mehr als ein Portrait-
oder Genrebild darstellt, und daß die Behandlungsweift etwas
Unbehülfliches an sich trägt — das Bild Schwartze's gehört
nichts desto weniger zu den besten Gemälden historischen Genres,
welche die neuere holländische Schule in den letzten zwanzig Jah-
ren hervorbrachte.
Wie ich schon neulich berichtete, fand in dem Lokale des
„Vereines für Volksfleiß" eine Ausstellung von Photographien rc.
Statt; diese Ausstellung zeugte von dem Fortschritt der Photo-
graphie und der betreffenden Fächer hier zu Lande, und es sind
durch den Vorstand des Vereins, auf den Vortrag der Commission
zur Beurtheilnng der ausgestellten Gegenstände, den folgenden
Einsendern zuerkannt:
a) Die silberne Medaille des Vereins an 1) I. F.
Wegener in Amsterdam für eine Sammlung Bildnisse; 2) H.
Löwenstam für die Kopie eines Oelgemäldes und Bildniste;
3) C. Rensing, für eine Sammlung Bildnisse und Gruppen;
4) Delahay und Sluys, zu Antwerpen, für Kopien nach Oelge-
mälden und Photographien auf Holz; 5) I. Schaarwachter zu
Nymegen für eine Photographie auf trockenem Kollodium; 6) Mar-
quis de Beranger zu Paris für Photographien auf gewächstem
Papier; — und eine außergewöhnliche silberne Medaille an den
Herrn Niepin de St. Victor zu Paris für seine wissenschaftlichen
Untersuchungen in Betreff der chemischen Eigenschaften des Lichts.
lr) Die bronzene Medaille an 1) I. F. Kellenbach zu
Rotterdam, für verschiedene Photographien; 2) F. W. Deutmann
hier selbst für photographische Bildnisse; 3) I. Vrolyk für Photo-
graphien mit positivem Kollodium; 4) Wötke zu Rotterdam, für
Photographien auf Silber; 5) Victor Plumier zu Paris für
Photographien mit Uramum-Silber; 6) Caro und van Loo zu
Rotterdam, für photographische Bildniste.
o) Ehrenvolles Zeugniß an Mastenbroek und Deel-
mann zu Amsterdam und Groote und Romeny ebendaselbst für
Chemikalien zum photographischen Gebrauch.
Das Wohnhaus Re mb randt's, durch die Nachforschungen
der hiesigen Archäologen, und namentlich Scheltema's, Stadt-
archivars Hierselbst, als das authentische anerkannt — es liegt
bekanntlich in der Jodenbreestraat bei der Antonieschleuse — ist
jetzt endlich mit einem Denkstein in der Mitte des Giebels be-
zeichnet worden; in einem Kranze von Laubwerk, zugleich mit
den Insignien der Malerei und Kupferstecherkunst verziert, befindet
sich die Inschrift: Nembrandt's Woning van 1642—1665. —
6. Paris.
Die Gobelins. — Rubens auferstanden.
Man hat seit langer Zeit in der Gobelinsfabrik die schlechte
Gewohnheit, das Publikum zuerst in die Ausstellungsräume der
fertigen Teppiche und dann in die Arbeitslokale zu führen, während
doch die entgegengesetzte Ordnung viel naturgemäßer und dem
Kunstgenüsse förderlicher wäre. Es thut so wehe, gewahr zu wer-
den, daß ein Kunstwerk, dessen Einheit und Größe man eben so
angenehm empfunden, aus nichts anderem als aus farbigen Fäden
besteht, die mit geistlosester Fingerfertigkeit über andere Fäden
geschlungen werden. So schreitet das Bild fadenweise fort, von
unten nach oben, in horizontaler Linie. Die Grenzen der blauen
oder rothen Farben werden nur nach dem jeweiligen Bedürfnisse
markirt; und ist der Faden einmal gelegt, so ist die Stelle auch
vollendet, und keine nachhelfende Hand mildert oder verstärkt
mehr die aufgetragene Farbe je nach dem Wunsch des Auges.
Der Weber kann weder zeichnen noch malen, ja er soll nicht ein- -
mal zeichnen können, so wie man den Matrosen nicht schwimmen
kehrt. Die Gobelinsfabrikation ist noch geistloser, als die Mosaik-
arbeit, sie ist rein nur ein Jndustrieprozeß, der sich den Namen
Kunst beilegen zu dürfen glaubt, weil er, was den Stoff und die
Wirkung anbelangt, allerdings in das Reich der Kunst ge-
hört ; — nur daß die Kunst eben nicht in der Wirkung, son-
dern in der Schöpfung eines Kunstwerks liegt. — Um so mehr
liegt hier die Frage nahe: wie kommt es dann, daß der Grad
der Vollkommenheit in der Ausführung der Gobelins seit den
Teppichen nach den Cartons von Rafael bis auf die heutigen
Gobelins in der rue Nouüetarck so vielen Schwankungen unter-
worfen war, die sonderbarerweise dem jeweiligen Standpunkt der
Malerei entsprachen und mit dem Gange der Kunstentwicklung
aufs engste verknüpft sind?
Bei aufmerksamerem Eingehen stellt es sich in der That
heraus, daß die Arazzi der rasaelischen Periode, abgesehen von
der größeren Vollkommenheit der Cartons, die ihnen zum Muster
dienten, selbst in der technischen Ausführung die Tapeten des
XVI. Jahrhunderts nach italienischer und holländischer Schule
weit übertresfen, so wie die heutigen Gobelins wieder alles Frühere
weit hinter sich lasten. Die Sammlung des liotsl cke
in Paris bewahrt uns die schönsten Stücke vom Ende des XV.
und vom XVI. Jahrhundert aus; sie enthält auch jene 10 Tapeten,
die unter der Regierung Ludwigs des XII. in Flandern für den
französischen Hof angesertigt worden sein sollen und nach einander
dem Herzog von Uork, dem Marquis Spinola und der Familie
Serra in Genua gehörten. Sie stellen die Uebertragung der
Bundeslade nach Jerusalem aus dem Hause Abinadab's durch
David und die Geschichte Davids und Bathseba's dar. So präcis
die Zeichnung, so gelungen mancher Farbenübergang auch sein
mag, diese Stoffe vertragen keine nähere Betrachtung; mit den
Arazzi nach Rafael verglichen, offenbaren sie, daß die Fettigkeit,
Fäden von vollkommener Gleichheit und Farben von allen Nuancen
zu bekommen, verloren gegangen sein muß. Die Tapeten des
XVI. und XVII. Jahrhunderts selbst, deren Neichthum an Seiden-
und Goldstickerei alles Aehnliche überragt, stehen an Feinheit und
Gleichheit der Fäden, an Zartheit der Farben und an Weichheit
der Uebergänge den Tapeten einer frühern wie einer spätern Zeit
Lei weitem nach. Der Stoff der Fäden, ein Gemisch von Seide
und Wolle, ist zwar ziemlich derselbe bei Allen; aber die Fäden
sind dicker, gröber und ungleicher, was bei der hochschäftigen
Arbeit (taxiZserie äe llante lies) noch auffallender wird. Die
heutigen Gobelins sind tiefschäftig (äe das86 lioe) und erreichen
durch die große Gleichheit der Fäden die Ebenheit und Glätte
des Tuches. Die Sättigung der Farben, die fabelhafte Anzahl
der Töne und die Geschicklichkeit im Uebergehen von einer Farbe
zur nächsten erlauben es, die schwierigsten, nuancenreichsten Oel-
gemälde der Art nachzuahmen, daß nur der strengste Vergleich
mit dem Original eine kleine Verschiedenheit in einzelnen Tönen
oder eine stellenweise Härte erkennen läßt, da, wo der Vorrath
von Spulen doch noch eine jener Millionen Tinten entbehrte,
die sich die Spatel aus so wenigen Tönen zusammensetzt. Unsere
Söhne werden es erleben, die Gallerie d'Apollon im Louvre
mit jenen Gobelins (Portraits großer französischer Bildhauer,
Architekten und Maler) geschmückt zu sehen, die jetzt in der Arbeit
sind, und sie werden kein Bedenken tragen, diese herrlichen Bilder,
an denen man fast die Pinselstriche zu erkennen glaubt, für Oel-
gemälde zu halten. Nur wenn sie dann jenen der Oelfarbe eigen-
thümlichen Glanz vermissen, mögen sie aufmerksam werden, daß
ganze Auffassung des Kolorits erinnert in nicht ungünstiger Weise
an Rembrandt, wiewohl die rechte Seite, fast zu überfüllt mit
Köpfen, etwas unruhig und nicht vollständig bewältigt erscheint.
Es mag sein, daß das Ganze sich nicht mit der Wucht eines
eigentlich historischen Gemäldes, sondern mehr als ein Portrait-
oder Genrebild darstellt, und daß die Behandlungsweift etwas
Unbehülfliches an sich trägt — das Bild Schwartze's gehört
nichts desto weniger zu den besten Gemälden historischen Genres,
welche die neuere holländische Schule in den letzten zwanzig Jah-
ren hervorbrachte.
Wie ich schon neulich berichtete, fand in dem Lokale des
„Vereines für Volksfleiß" eine Ausstellung von Photographien rc.
Statt; diese Ausstellung zeugte von dem Fortschritt der Photo-
graphie und der betreffenden Fächer hier zu Lande, und es sind
durch den Vorstand des Vereins, auf den Vortrag der Commission
zur Beurtheilnng der ausgestellten Gegenstände, den folgenden
Einsendern zuerkannt:
a) Die silberne Medaille des Vereins an 1) I. F.
Wegener in Amsterdam für eine Sammlung Bildnisse; 2) H.
Löwenstam für die Kopie eines Oelgemäldes und Bildniste;
3) C. Rensing, für eine Sammlung Bildnisse und Gruppen;
4) Delahay und Sluys, zu Antwerpen, für Kopien nach Oelge-
mälden und Photographien auf Holz; 5) I. Schaarwachter zu
Nymegen für eine Photographie auf trockenem Kollodium; 6) Mar-
quis de Beranger zu Paris für Photographien auf gewächstem
Papier; — und eine außergewöhnliche silberne Medaille an den
Herrn Niepin de St. Victor zu Paris für seine wissenschaftlichen
Untersuchungen in Betreff der chemischen Eigenschaften des Lichts.
lr) Die bronzene Medaille an 1) I. F. Kellenbach zu
Rotterdam, für verschiedene Photographien; 2) F. W. Deutmann
hier selbst für photographische Bildnisse; 3) I. Vrolyk für Photo-
graphien mit positivem Kollodium; 4) Wötke zu Rotterdam, für
Photographien auf Silber; 5) Victor Plumier zu Paris für
Photographien mit Uramum-Silber; 6) Caro und van Loo zu
Rotterdam, für photographische Bildniste.
o) Ehrenvolles Zeugniß an Mastenbroek und Deel-
mann zu Amsterdam und Groote und Romeny ebendaselbst für
Chemikalien zum photographischen Gebrauch.
Das Wohnhaus Re mb randt's, durch die Nachforschungen
der hiesigen Archäologen, und namentlich Scheltema's, Stadt-
archivars Hierselbst, als das authentische anerkannt — es liegt
bekanntlich in der Jodenbreestraat bei der Antonieschleuse — ist
jetzt endlich mit einem Denkstein in der Mitte des Giebels be-
zeichnet worden; in einem Kranze von Laubwerk, zugleich mit
den Insignien der Malerei und Kupferstecherkunst verziert, befindet
sich die Inschrift: Nembrandt's Woning van 1642—1665. —
6. Paris.
Die Gobelins. — Rubens auferstanden.
Man hat seit langer Zeit in der Gobelinsfabrik die schlechte
Gewohnheit, das Publikum zuerst in die Ausstellungsräume der
fertigen Teppiche und dann in die Arbeitslokale zu führen, während
doch die entgegengesetzte Ordnung viel naturgemäßer und dem
Kunstgenüsse förderlicher wäre. Es thut so wehe, gewahr zu wer-
den, daß ein Kunstwerk, dessen Einheit und Größe man eben so
angenehm empfunden, aus nichts anderem als aus farbigen Fäden
besteht, die mit geistlosester Fingerfertigkeit über andere Fäden
geschlungen werden. So schreitet das Bild fadenweise fort, von
unten nach oben, in horizontaler Linie. Die Grenzen der blauen
oder rothen Farben werden nur nach dem jeweiligen Bedürfnisse
markirt; und ist der Faden einmal gelegt, so ist die Stelle auch
vollendet, und keine nachhelfende Hand mildert oder verstärkt
mehr die aufgetragene Farbe je nach dem Wunsch des Auges.
Der Weber kann weder zeichnen noch malen, ja er soll nicht ein- -
mal zeichnen können, so wie man den Matrosen nicht schwimmen
kehrt. Die Gobelinsfabrikation ist noch geistloser, als die Mosaik-
arbeit, sie ist rein nur ein Jndustrieprozeß, der sich den Namen
Kunst beilegen zu dürfen glaubt, weil er, was den Stoff und die
Wirkung anbelangt, allerdings in das Reich der Kunst ge-
hört ; — nur daß die Kunst eben nicht in der Wirkung, son-
dern in der Schöpfung eines Kunstwerks liegt. — Um so mehr
liegt hier die Frage nahe: wie kommt es dann, daß der Grad
der Vollkommenheit in der Ausführung der Gobelins seit den
Teppichen nach den Cartons von Rafael bis auf die heutigen
Gobelins in der rue Nouüetarck so vielen Schwankungen unter-
worfen war, die sonderbarerweise dem jeweiligen Standpunkt der
Malerei entsprachen und mit dem Gange der Kunstentwicklung
aufs engste verknüpft sind?
Bei aufmerksamerem Eingehen stellt es sich in der That
heraus, daß die Arazzi der rasaelischen Periode, abgesehen von
der größeren Vollkommenheit der Cartons, die ihnen zum Muster
dienten, selbst in der technischen Ausführung die Tapeten des
XVI. Jahrhunderts nach italienischer und holländischer Schule
weit übertresfen, so wie die heutigen Gobelins wieder alles Frühere
weit hinter sich lasten. Die Sammlung des liotsl cke
in Paris bewahrt uns die schönsten Stücke vom Ende des XV.
und vom XVI. Jahrhundert aus; sie enthält auch jene 10 Tapeten,
die unter der Regierung Ludwigs des XII. in Flandern für den
französischen Hof angesertigt worden sein sollen und nach einander
dem Herzog von Uork, dem Marquis Spinola und der Familie
Serra in Genua gehörten. Sie stellen die Uebertragung der
Bundeslade nach Jerusalem aus dem Hause Abinadab's durch
David und die Geschichte Davids und Bathseba's dar. So präcis
die Zeichnung, so gelungen mancher Farbenübergang auch sein
mag, diese Stoffe vertragen keine nähere Betrachtung; mit den
Arazzi nach Rafael verglichen, offenbaren sie, daß die Fettigkeit,
Fäden von vollkommener Gleichheit und Farben von allen Nuancen
zu bekommen, verloren gegangen sein muß. Die Tapeten des
XVI. und XVII. Jahrhunderts selbst, deren Neichthum an Seiden-
und Goldstickerei alles Aehnliche überragt, stehen an Feinheit und
Gleichheit der Fäden, an Zartheit der Farben und an Weichheit
der Uebergänge den Tapeten einer frühern wie einer spätern Zeit
Lei weitem nach. Der Stoff der Fäden, ein Gemisch von Seide
und Wolle, ist zwar ziemlich derselbe bei Allen; aber die Fäden
sind dicker, gröber und ungleicher, was bei der hochschäftigen
Arbeit (taxiZserie äe llante lies) noch auffallender wird. Die
heutigen Gobelins sind tiefschäftig (äe das86 lioe) und erreichen
durch die große Gleichheit der Fäden die Ebenheit und Glätte
des Tuches. Die Sättigung der Farben, die fabelhafte Anzahl
der Töne und die Geschicklichkeit im Uebergehen von einer Farbe
zur nächsten erlauben es, die schwierigsten, nuancenreichsten Oel-
gemälde der Art nachzuahmen, daß nur der strengste Vergleich
mit dem Original eine kleine Verschiedenheit in einzelnen Tönen
oder eine stellenweise Härte erkennen läßt, da, wo der Vorrath
von Spulen doch noch eine jener Millionen Tinten entbehrte,
die sich die Spatel aus so wenigen Tönen zusammensetzt. Unsere
Söhne werden es erleben, die Gallerie d'Apollon im Louvre
mit jenen Gobelins (Portraits großer französischer Bildhauer,
Architekten und Maler) geschmückt zu sehen, die jetzt in der Arbeit
sind, und sie werden kein Bedenken tragen, diese herrlichen Bilder,
an denen man fast die Pinselstriche zu erkennen glaubt, für Oel-
gemälde zu halten. Nur wenn sie dann jenen der Oelfarbe eigen-
thümlichen Glanz vermissen, mögen sie aufmerksam werden, daß