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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0328
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Neunter

Jahrgang.







N
Nedigirt von Friedrich Eggers in Serlin.




Die historische Lnnstausüellung in München.
(Fortsetzung.)

Mit der Wiedererweckung des Alterthums ging eine mächtige
Bewegung in der Wissenschaft Hand in Hand. Lessing bewährte
-sich als Kritiker und producirender Dichter zugleich; Kant erfüllte
die Welt mit einem neuen Grundprinzip der speculativen Er-
kenntnis; Schiller steht mit dem einen Fuße auf dem Gebiete der
Philosophie, mit dem andern in der Dichtkunst. Goethe voll-
endet den Proceß, die höchste Blüthe der Poesie, der ästhetischen
Weltanschauung auf der Unterlage der Wissenschaft und der Kennt-
niß des Alterthums zu entfalten. Die Bewegung geht auf die
bildende Kunst über; wir haben oben gesehen, in welcher Weise;
Carstens zeigte den wiedererweckten echten Geist der Antike in
seinen Werken. In der Malerei war damit abzuschließen: es
genügte, für dieselbe die Nothwendigkeit des Einklangs von idea-
lem Inhalt und geläuterter Form wieder in ihr Recht eingesetzt
zu haben. Der eigentliche Inhalt aber der Malerei liegt nicht
in der antiken, sondern in der modernen, in der christlichen Welt-
anschauung. Der Gott der Plastik ist der griechische, der Gott
der Malerei ist der christliche Gott. Nach Carstens befreiender
That ging auf die Plastik der Beruf über, den errungenen
Standpunkt festzuhalten, das Recht der unsterblichen Form zu
wahren und den ganzen Umkreis der körperlichen Schönheit noch
einmal zu durchlaufen. Es war dann ihre Sache, wo sie in
unserer christlichen Welt die Stoffe dazu hernahm.
Zu den Männern des Uebergangs auf dem Gebiete der
Sculptur, welche den Schritt von Bernini zu Carstens zu machen
hatten, gehörte Antonio Canova. Im Anfang durchaus der
manieristischen, entarteten Schöpfungsweise ergeben, welche den
Marmor erweichte und sich mehr malerisch als plastisch aussprach,
hatte in ihm doch eine Vorahnung dessen, was kommen mußte,
gedämmert; er wagte, dem geheiligten Geschmack seiner Zeit ent-
gegen, in einzelnen Werken den mahnenden Zuruf der Antike,
den er wohl vernahm, dem er aber unbedingt zu folgen nicht den
Muth und die Kraft hatte, zu beachten, und zeigte in seinem
Theseus, daß er einen Begriff davon habe, was es heiße, nach
den Grundsätzen der Alten zu arbeiten. Dann aber sank er wie-
der in den weichen und sentimentalen Styl zurück, der sich zwar
in einzelnen Werken aus gezierter Unnatur zu edler Anmuth und
Schönheit zu erheben vermag, aber doch fern bleibt von der edlen
Einfalt und stillen Größe, worin Winckelmann den Werth und
die Herrlichkeit der Antike gefunden und proclamirt hatte.
Tiefer als Canova drang schon John Flaxmann in den
wahren Geist der Antike ein; allein der die Krone davon trug,
war Barthel Thorwaldsen. Von Thorwaldsen ab, der sich
selber zum Schüler von Asmus Carstens bekennt und von ihm
am meisten gelernt zu haben gesteht, pflanzt sich die wiederer-
Deutsches Kunstblatt. 1858.

Weckte Antike in achtbaren Schöpfungen durch eine Reihe von
tüchtigen Künstlern fort. In diesem Sinne ist Carstens der
Erste einer mit ihm beginnenden Reihenfolge zu nennen. *
Die Malerei aber hatte eine andere Aufgabe, als die
Sculptur.
Nach der Wiederbelebung der Antike war es die Romantik,
welche denselben Auferweckungsproceß an dem Mittelalter vollzog.
Hier setzte die bildende Kunst mit der Malerei ein, mit derjeni-
gen Kunst, welche allerdings zu ihrem höchsten Ziel nicht die
Ausbildung der Körperform und des in ihr niederzulegenden
Charaktertypus hat, welche vielmehr das Hauptgewicht darauf
legt, den Geist, die Seele reden zu lassen, welche die individuellste
Innerlichkeit auf dem Antlitz, dem Spiegel der Seele, Wider-
scheinen zu lasten unternimmt.
Die That, zu welcher also nun in dem Entwickelungsgang
der Dinge die Malerei aufgerufen wurde: dem romantischen
Geiste ihrerseits Ausdruck zu geben, den Geist des Mittelalters,
so weit er unvergänglich und ewig gültig ist, in der Sprache der
bildenden Kunst zu manifestiren, diese That konnte am allerwenig-
sten von den damaligen Anstalten der Kunst, den Akademien,
ausgehn. Wo sich daher in einzelnen Berufenen der neue Geist
regte, da mußten sie in Opposition zu den Anstalten kommen,
welche sich, zur Unnatur fortschreitend, allmählig des Vorzugs be-
geben hatten, inmitten der Fortentwicklungsbewegung zu stehn.
Die reformatorische Thal der Auserwählten war zunächst die
entschiedene öffentliche Lossagung von der Akademie.
Denn die Begriffe Akademie und Regelzwang waren gleich-
bedeutend geworden, und die falsche Klassicität hatte auf jenen
Anstalten ihren Wohnsitz aufgeschlagen. Carstens hielt sie für
nichts, als für eine Befriedigung der Negenteneitelkeit. Als Pro-
fessor der Berliner Akademie schrieb er an seinen Minister, daß
er nicht der Akademie, sondern der Menschheit angehöre. Daß
Koch der Karlsakademie entlief, haben wir schon erzählt. Ueberall
regte sich die Opposition. Jener entschiedenste Akt aber spielte im
Jahre 1810 in Wien, welche Stadt nebst Dresden, Kassel und
Kopenhagen sich rühmen konnte, die besuchteste Kunstlehranstalt
zu besitzen. Dort dirigirte damals Füger. Aber ebendort halten
sich auch schon manche antiakademische Elemente zusammenge-
funden. Wächter war dorthin gekommen und hatte unter Fügers
Schülern Einfluß gewonnen. -Die Oliviers von Dessau kamen
dazu; Ferdinand O. machte eine Art Haus und vereinigte die
* Es verdient angemerkt zu werden, daß die Träger und Weiter-
bildner der Kunst, die Regeneratoren derselben aus dem Norden nach
Rom kamen. Asmus Carstens war von der Ostsee her, Winckelmann
aus der Altmark, Thorwaldsen kam von Copenhagen, Overbeck wurde
in Lübeck geboren, Cornelius war ein Düsseldorfer. So wurde einst
aus den germanischen Wäldern das frische lebenskräftige Volk gen Süden
gerufen, um die Kultur des Alterthums in Empfang zu nehmen und
sie im neuen, im christlichen Geiste und Sinne weiter zu bilden.
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