Erwachsene sagen können, gegen diesen Bezug des Jugendgeistes auf
die Jugend der Menschheit. An ihr auch bewährt sich am deutlich-
sten und am herrlichsten, daß die höchste Wahrheit auch die Schön-
heit sei, alle Urgeschichte ist wahrhaft urpoetisch, und meist erscheint
sie ja auch historisch nur in dieser Form. Unsere Vorväter und alle
älteren gebildeten Nationen kannten ganz und gar keine Volks- und
Iugendschriften als eben nur diese, und das Gedeihen ihrer geistigen
Entwickelung mangelte nicht. Außer den technischen Schriften, welche
unser vorgeschrittener Standpunkt der Cultur erheischt, würden wir
den Kindern in der That nichts Besseres bieten können. Nur in
Einer wesentlichen Beziehung muß unsere heutige Jugend in diesem
Bildungselement sich unterscheiden von der früherer Zeiten und
Völker, nämlich darin, daß sie nicht blos eine und die eigene Urge-
schichte des Volkes, sondern aller deren, die uns zugänglich gewor-
den, kennen lerne. Es ist dies kein blos quantitativer Gewinn, auch
die Art der Bildung wird dadurch tiefer und reiner; wie die gei-
stige Umschau, die Erfüllung der Seele mit idealen Bildern dadurch
reicher und mannigfaltiger wird, so ergiebt sich auch hieraus erst
der Boden einer wahrhaft humanen Gesinnung, der Kern und Typus
allgemein menschlicher Sitte und Hoheit. Man könnte dagegen
vielleicht den nationalen Standpunkt der Pädagogik geltend machen,
man könnte meinen, die Stärke und der Nachdruck des jugendlichen
Geistes dürfe allein in dem nationalen Grunde wurzeln, unzerstreut
und ungeschwächt von dem Hinblick auf andere Völker, unvermischt
mit den Elementen fremden Geistes. Allein nicht philosophische und
allgemein ethische Gründe blos sprechen dagegen, sondern die Ge-
schichte selbst. Auch die biblischen Geschichten, die man den Kindern
vor allen geben soll und muß, sind ja nicht national; die Nibelun-
gen und Gudrun bieten nur Eine und nicht die höchste Seite des
deutschen Nationalgeistes.
Halte man nur die Kinder verschont von den läppischen Jugend-
schriften, welche nur ein diminutiver Abklatsch der Romane der Er-
wachsenen sind, und gebe ihnen, gleich nach dem Stadium der
Märchen, die epischen Dichtungen so vieler Nationen als welche
haben, und sie werden edler und kräftiger gedeihen. Gegen die
Robinsonaden hat gewiß Niemand etwas einzuwenden; und doch,
wenn sie überhaupt werth sind, mit den epischen Dichtungen ver-
glichen zu werden, bieten sie, ganz dem modernen Geiste entsprungen,
nur das Bild der Glücksfälle und Erfindsamkeit des weltumsegeln-
den Individuums nebst der Kenntniß der Erdoberfläche und der
noch ungebildeten halbwilden Nationen; die Epen aber lehren die
Geschicke der Nationen und die Gründung ihrer Bildung, die Kennt-
niß der Sitten und Gesittung des Kreises der- Völker, welche die
Erzieher aller gebildeten Nationen geworden sind.
Es bleibt nur noch Eins zu bemerken, wodurch sich die gegen-
wärtigen Jugendschriften mit der Mannigfaltigkeit des Inhalts vor
denen einseitig nationaler früherer Zeiten auszuzeichnen haben, näm-
lich die Form. Auch hier soll die Rücksicht ans den pädagogischen
Zweck leitend sein. Die Epopöen der Völker sind nicht für Kinder
geschrieben, sie enthalten Manches, was diesen nicht zugänglich ist
oder nicht sein soll; theils waren die Hörer und Leser, für welche
jene bestimmt waren, nicht mehr Kinder, theils aber waren sie noch
mehr kindhaft als unsere zehn- und zwölfjährigen Knaben und
Mädchen. Bei der Uebertragung also aus den fremden Sprachen
und Formen oder ans der eigenen alten in die neuen muß dies zu-
gleich berücksichtigt werden, daß die Form unserer Kindheit ange-
messen sei.
Betrachten wir hiernach die Jugendschristen von Ferd. Schmidt,
so mögen unsere Leser den Vorzug derselben vor gar vielen anderen
im Allgemeinen darin ausgedrückt finden, daß sie uns zu dieser ein-
gehenden Betrachtung positiv angeregt haben. F. S. zeigt, daß er
ein eben so edles, lehrhaftes Gemüth besitzt als die rechte Kenntniß,
wessen das Kind bedarf und was ihm erziehlich heilsam ist. Zu-
nächst verdienen nach dem Obigen seine Nibelungen, Gudrun und
ganz besonders die Odyssee Erwähnung. Es wäre die Frage, ob
hiefür nicht die poetische Form in Hexametern die geeignetste sei;
aber vielleicht ist für unsere Jugend schon die damit verbundene
ganze epische Breite von zweifelhaftem Werthe. Gewiß aber dürste
man schwerlich einen Dichter finden, welcher die Bearbeitung etwa
der Vossischen Uebersetzung mit der oben bewährten Läuterung des
Inhaltes aus pädagogischer Rücksicht auf die jugendlichen Leser über-
nähme. Inzwischen hat S- zwar die prosaische Erzählung gewählt,
er ist aber in den poetischen Geist, welchem sie entstammt, so tief
eingedrungen, seine Anschauung ist damit so vertraut und verwandt,
daß man die gebundene Rede kaum vermißt. Alle Reize der Frische
und Fülle und Naivetät, die uns im Original und bei Voß so ent-
zückt, sind geblieben; und wenn sonst die Prosa unter den einfließen-
den Daktylen und Spondeen leidet, scheinen und klingen sie hier so
natürlich und angemessen, daß wir nicht bloß eine Mitte, sondern
eine Art von Vereinigung der Poesie und Prosa darin erkennen.
Wir können das, außerdem noch mit ganz vortrefflichen Holzschnitten
im würdigsten Styl und bester Ausführung verzierte, Büchlein ganz
unbedingt vor allen andern Iugendschriften aufs Dringendste em-
pfehlen. Man hat diese Erscheinung also nur mit dankbarer Aner-
kennung zu begrüßen, und zu wünschen, der Verf. möge auch einige
biblische Geschichten, z. B. David und Jonathan, Moses, Elias
u. dgl. oder auch andere Epen, etwa das befreite Jerusalem, beson-
ders die Lusiade und die skandinavischen Cyklen in gleicher Art be-
arbeiten. Wir haben an den bisherigen Bearbeitungen Nichts zu
erinnern, die Anordnung und Ausbreitung des Stoffes ist sogar
hervorhebend zu loben; nur rathen wir dem Verf-, sich getrost
immer auf der Höhe der Sprache zu erhalten und nicht etwa den
Kleinen zu Gefallen hie und da zu neueren Ausdrücken herabzustei-
gen, wie etwa in „Eßwaaren" u. dgl.
Daß wir die übrigen Schriften des Verf. nicht so hoch stellen,
als die gedachten, geht aus den aufgestellten Grundsätzen von selbst
hervor, wenn auch darin eben so viel und vielleicht noch mehr Ge-
schicklichkeit an den Tag gelegt wäre. Freilich unter den Erzählun-
gen aus dem modernen Leben, wie sie nun einmal beliebt werden,
nehmen die des Verf. einen hohen Rang ein; „Janko der Maler"
u. A. zeichnet sich durch Einfachheit, Klarheit und Reinheit der poeti-
schen und sittlichen Motive ans und wird von Jung und Alt gleich
gern, mit Genuß und Gewinn, gelesen werden. Dagegen aber halten
wir solche Erzählungen, wie „Kriegsruhm und Vaterlandsliebe",
welche allenthalben pädagogische Absichten haben und verrathen, wohl
für Lehrer, Mütter und Erzieherinnen geeignet, aber nicht für Kinder.
Vollends die Hinweisungen und Anreden, das Hervortreten des Er-
zählens mit unterbrechenden Nutzanwendungen: „seht ihr Kinder, so
müßt ihrs machen, das dürft ihr nicht thun u. dgl." nun gar die
Vorschriften für Eltern in diesem Zusammenhänge, gehören nicht in
die Kinderschriften. Die Nutzanwendung, welche das Kind nicht
von selbst und ganz unbewußt von der Erzählung auf sich macht,
die wird es durch deutliche Hinweisung noch weniger gewinnen,
und wo es sie von selbst machen könnte, da wird der Eindruck
eher geschwächt als verstärkt, wenn man durch Einreden zu
Hülfe kommt. Die poetische Erzählung muß ihre Eigenthümlichkeit
und den Gegensatz gegen den Lehrvortrag darin bewahren, daß sie
durchaus nur mittelbar, durch Erfüllung der Seele mit schönen und
abschreckenden Bildern auf die Veredlung derselben wirkt, und nicht
in eine unmittelbare Ertheilung von Vorschriften übergehen. Wir
sind fest überzeugt, daß auch für Iugendschriften wie für alle Poesie,
wenn ein sittlicher Zweck dadurch erreicht werden soll, dieser als
Absicht weder hervortreten noch auch nur in dem Dichter gegenwär-
tig bewußt sein muß. Zwar im Allgemeinen wird Beiden die Idee
die Jugend der Menschheit. An ihr auch bewährt sich am deutlich-
sten und am herrlichsten, daß die höchste Wahrheit auch die Schön-
heit sei, alle Urgeschichte ist wahrhaft urpoetisch, und meist erscheint
sie ja auch historisch nur in dieser Form. Unsere Vorväter und alle
älteren gebildeten Nationen kannten ganz und gar keine Volks- und
Iugendschriften als eben nur diese, und das Gedeihen ihrer geistigen
Entwickelung mangelte nicht. Außer den technischen Schriften, welche
unser vorgeschrittener Standpunkt der Cultur erheischt, würden wir
den Kindern in der That nichts Besseres bieten können. Nur in
Einer wesentlichen Beziehung muß unsere heutige Jugend in diesem
Bildungselement sich unterscheiden von der früherer Zeiten und
Völker, nämlich darin, daß sie nicht blos eine und die eigene Urge-
schichte des Volkes, sondern aller deren, die uns zugänglich gewor-
den, kennen lerne. Es ist dies kein blos quantitativer Gewinn, auch
die Art der Bildung wird dadurch tiefer und reiner; wie die gei-
stige Umschau, die Erfüllung der Seele mit idealen Bildern dadurch
reicher und mannigfaltiger wird, so ergiebt sich auch hieraus erst
der Boden einer wahrhaft humanen Gesinnung, der Kern und Typus
allgemein menschlicher Sitte und Hoheit. Man könnte dagegen
vielleicht den nationalen Standpunkt der Pädagogik geltend machen,
man könnte meinen, die Stärke und der Nachdruck des jugendlichen
Geistes dürfe allein in dem nationalen Grunde wurzeln, unzerstreut
und ungeschwächt von dem Hinblick auf andere Völker, unvermischt
mit den Elementen fremden Geistes. Allein nicht philosophische und
allgemein ethische Gründe blos sprechen dagegen, sondern die Ge-
schichte selbst. Auch die biblischen Geschichten, die man den Kindern
vor allen geben soll und muß, sind ja nicht national; die Nibelun-
gen und Gudrun bieten nur Eine und nicht die höchste Seite des
deutschen Nationalgeistes.
Halte man nur die Kinder verschont von den läppischen Jugend-
schriften, welche nur ein diminutiver Abklatsch der Romane der Er-
wachsenen sind, und gebe ihnen, gleich nach dem Stadium der
Märchen, die epischen Dichtungen so vieler Nationen als welche
haben, und sie werden edler und kräftiger gedeihen. Gegen die
Robinsonaden hat gewiß Niemand etwas einzuwenden; und doch,
wenn sie überhaupt werth sind, mit den epischen Dichtungen ver-
glichen zu werden, bieten sie, ganz dem modernen Geiste entsprungen,
nur das Bild der Glücksfälle und Erfindsamkeit des weltumsegeln-
den Individuums nebst der Kenntniß der Erdoberfläche und der
noch ungebildeten halbwilden Nationen; die Epen aber lehren die
Geschicke der Nationen und die Gründung ihrer Bildung, die Kennt-
niß der Sitten und Gesittung des Kreises der- Völker, welche die
Erzieher aller gebildeten Nationen geworden sind.
Es bleibt nur noch Eins zu bemerken, wodurch sich die gegen-
wärtigen Jugendschriften mit der Mannigfaltigkeit des Inhalts vor
denen einseitig nationaler früherer Zeiten auszuzeichnen haben, näm-
lich die Form. Auch hier soll die Rücksicht ans den pädagogischen
Zweck leitend sein. Die Epopöen der Völker sind nicht für Kinder
geschrieben, sie enthalten Manches, was diesen nicht zugänglich ist
oder nicht sein soll; theils waren die Hörer und Leser, für welche
jene bestimmt waren, nicht mehr Kinder, theils aber waren sie noch
mehr kindhaft als unsere zehn- und zwölfjährigen Knaben und
Mädchen. Bei der Uebertragung also aus den fremden Sprachen
und Formen oder ans der eigenen alten in die neuen muß dies zu-
gleich berücksichtigt werden, daß die Form unserer Kindheit ange-
messen sei.
Betrachten wir hiernach die Jugendschristen von Ferd. Schmidt,
so mögen unsere Leser den Vorzug derselben vor gar vielen anderen
im Allgemeinen darin ausgedrückt finden, daß sie uns zu dieser ein-
gehenden Betrachtung positiv angeregt haben. F. S. zeigt, daß er
ein eben so edles, lehrhaftes Gemüth besitzt als die rechte Kenntniß,
wessen das Kind bedarf und was ihm erziehlich heilsam ist. Zu-
nächst verdienen nach dem Obigen seine Nibelungen, Gudrun und
ganz besonders die Odyssee Erwähnung. Es wäre die Frage, ob
hiefür nicht die poetische Form in Hexametern die geeignetste sei;
aber vielleicht ist für unsere Jugend schon die damit verbundene
ganze epische Breite von zweifelhaftem Werthe. Gewiß aber dürste
man schwerlich einen Dichter finden, welcher die Bearbeitung etwa
der Vossischen Uebersetzung mit der oben bewährten Läuterung des
Inhaltes aus pädagogischer Rücksicht auf die jugendlichen Leser über-
nähme. Inzwischen hat S- zwar die prosaische Erzählung gewählt,
er ist aber in den poetischen Geist, welchem sie entstammt, so tief
eingedrungen, seine Anschauung ist damit so vertraut und verwandt,
daß man die gebundene Rede kaum vermißt. Alle Reize der Frische
und Fülle und Naivetät, die uns im Original und bei Voß so ent-
zückt, sind geblieben; und wenn sonst die Prosa unter den einfließen-
den Daktylen und Spondeen leidet, scheinen und klingen sie hier so
natürlich und angemessen, daß wir nicht bloß eine Mitte, sondern
eine Art von Vereinigung der Poesie und Prosa darin erkennen.
Wir können das, außerdem noch mit ganz vortrefflichen Holzschnitten
im würdigsten Styl und bester Ausführung verzierte, Büchlein ganz
unbedingt vor allen andern Iugendschriften aufs Dringendste em-
pfehlen. Man hat diese Erscheinung also nur mit dankbarer Aner-
kennung zu begrüßen, und zu wünschen, der Verf. möge auch einige
biblische Geschichten, z. B. David und Jonathan, Moses, Elias
u. dgl. oder auch andere Epen, etwa das befreite Jerusalem, beson-
ders die Lusiade und die skandinavischen Cyklen in gleicher Art be-
arbeiten. Wir haben an den bisherigen Bearbeitungen Nichts zu
erinnern, die Anordnung und Ausbreitung des Stoffes ist sogar
hervorhebend zu loben; nur rathen wir dem Verf-, sich getrost
immer auf der Höhe der Sprache zu erhalten und nicht etwa den
Kleinen zu Gefallen hie und da zu neueren Ausdrücken herabzustei-
gen, wie etwa in „Eßwaaren" u. dgl.
Daß wir die übrigen Schriften des Verf. nicht so hoch stellen,
als die gedachten, geht aus den aufgestellten Grundsätzen von selbst
hervor, wenn auch darin eben so viel und vielleicht noch mehr Ge-
schicklichkeit an den Tag gelegt wäre. Freilich unter den Erzählun-
gen aus dem modernen Leben, wie sie nun einmal beliebt werden,
nehmen die des Verf. einen hohen Rang ein; „Janko der Maler"
u. A. zeichnet sich durch Einfachheit, Klarheit und Reinheit der poeti-
schen und sittlichen Motive ans und wird von Jung und Alt gleich
gern, mit Genuß und Gewinn, gelesen werden. Dagegen aber halten
wir solche Erzählungen, wie „Kriegsruhm und Vaterlandsliebe",
welche allenthalben pädagogische Absichten haben und verrathen, wohl
für Lehrer, Mütter und Erzieherinnen geeignet, aber nicht für Kinder.
Vollends die Hinweisungen und Anreden, das Hervortreten des Er-
zählens mit unterbrechenden Nutzanwendungen: „seht ihr Kinder, so
müßt ihrs machen, das dürft ihr nicht thun u. dgl." nun gar die
Vorschriften für Eltern in diesem Zusammenhänge, gehören nicht in
die Kinderschriften. Die Nutzanwendung, welche das Kind nicht
von selbst und ganz unbewußt von der Erzählung auf sich macht,
die wird es durch deutliche Hinweisung noch weniger gewinnen,
und wo es sie von selbst machen könnte, da wird der Eindruck
eher geschwächt als verstärkt, wenn man durch Einreden zu
Hülfe kommt. Die poetische Erzählung muß ihre Eigenthümlichkeit
und den Gegensatz gegen den Lehrvortrag darin bewahren, daß sie
durchaus nur mittelbar, durch Erfüllung der Seele mit schönen und
abschreckenden Bildern auf die Veredlung derselben wirkt, und nicht
in eine unmittelbare Ertheilung von Vorschriften übergehen. Wir
sind fest überzeugt, daß auch für Iugendschriften wie für alle Poesie,
wenn ein sittlicher Zweck dadurch erreicht werden soll, dieser als
Absicht weder hervortreten noch auch nur in dem Dichter gegenwär-
tig bewußt sein muß. Zwar im Allgemeinen wird Beiden die Idee