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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 3.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1205#0039
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unwiederbringlichen Verlustes sind über das Ganze ausgegossen: um
jede Gestalt schimmert jener verhängnißvolle Trotz, jener tragische
Leichtsinn, jene bezaubernde Unverbesserlichkeit, die nun einmal ein
Erbtheil dieser interessanten und beklagenswerthen Nation zu sein
scheinen. Wie in jenem Spiegel Richard's II. mag sich das ent-
krönte Polen in diesem Buche betrachten.

Es schadet dem Gemälde durchaus nicht, daß es uns im Tone
kühler Objectivität vorgeführt wird. Kunstlos und nicht ohne Breite
wickeln sich die Situationen auf; mit Sorgfalt wird Alles Neben-
sächliche, bis auf Tracht und Hausgeräth ausgemalt, selbst die Ge-
spräche der Männer, die Plaudereien der Frauen, die Galanterien
und Scherze, die sie wechseln, treten in einer gewissen altmodischen
Weitschweifigkeit einher. Aber es ist, als müßt' es so sein. Wir
haben kaum jemals in einem historischen Roman so sehr die Illusion
gehabt, als. würden die Personen, wenn sie gelebt, gerade so und
nicht anders gesprochen und geschrieben haben. Denn auch die ein-
geflochtenen Briefe, in der deutschen Literatur eine ziemlich veral-
tete und verrufene Form, theilen jenen Vorzug. Nicht der Verfasser
erzählt uns, unter dem Etiquet: Derselbe an Dieselbe, oder derglei-
chen, Dinge, die wir schon wissen, sondern es ist wirklich der feine
Staatsmann'und Voltairianer, die liebenswürdige vornehme'Buhle-
rin, die uns ihren Blick in die Verhältnisse der Zeit, in den Ab-
grund ihres eignen 2chs leihen. Man kann kaum zweifeln, dem
vornehmen Verfasser hat reiches Material an Familienüberlieferun-
gen, an Briefen und ungedruckten Memoiren jener Zeit zu Gebot
gestanden. Aber es gehörte immer eine geniale Hand dazu, es so
zu verarbeiten.

So ist auch die oben erwähnte Detailmalerei an Tracht und
Lebensweise durchaus berechtigt. Wenn wir vor einem Fest den
Tribunen Strawinski zu seinen gelben Stiefeln Szupan und Kon-
tusz *) anlegen, den goldnen Gürtel fünfmal um die Hüfte schlin-
gen sehen, andächtig bei jedem Mal ein Memento zu den fünf
Wunden des Erlösers murmelnd, — und wenn wir ihn dann zu
dem duftenden Toilettentisch seines Bruders, des Starosten, beglei-
ten, dessen Edelsteinknöpfe am sammtneu Habit ü In Pompadour das
Liebespfand einer Pariser Schauspielerin sind, so spiegelt sich auch
in diesen Kleinigkeiten der tödtliche Riß, an dem Polen und das
Brüderpaar selbst verbluten soll. Nicht der schlechteste Beweis von
des Verfassers Begabung ist beiläufig der Umstand, daß der Starost
trotz Muss und Papilloten, trotz seiner Ordenssterne und Parfüms,
seiner französischen Brocken und frivolen Souvenirs niemals lächer-
lich.wird; merkwürdiger vielleicht, als daß er die Verlobte seines
Bruders liebt und heirathet, ohne uns Hassenswerth und verächtlich
zu erscheinen. Man verzeihe uns die Vorliebe, mit der wir noch
einmal auf diese Gestalt zurückgekommen sind; wir theilen sie, wie
wir glauben, mit dem Verfasser, und wenn nicht mit allen Lesern,

vornherein etwas mehr zu erfahren, als der polnische Verfasser seinen,
darin ohne Zweifel besser bewanderten Landsleuten zu sagen nöthig
hatte. Selbst die Ausdrücke des Alterthums, nach slavischer Weise
auf ganz andre Verhältnisse übertragen, wie Tribun, Palästra und
andre, befremden nicht selten, ohne daß der Zusammenhang über
die eigentliche specielle Bedeutung Aufschluß giebt.

Fürst Bognslav Radziwill hat bei dem Buch, das Bild und
Namen seines gepriesenen Ahnherrn an der Stirn trägt, Pathenstelle
vertreten wollen, es wird diesem doppelten Patronat keine Schande
machen. Was die Ausstattung betrifft, genügt wohl die Erinnerung,
daß es im Verlag der Dcckerschen Geheimen Oberhosbuchdruckerei
erschienen ist.

Neue E r sch c i n it n rj t n.

Schwanwiek. Skizzenbuch aus Norddeutschland. Von E. Hoefer.
Geh. 1 Thlr. — Stuttgart, Krabbe.

Aus dein Leben eines Taugenichts. Novelle von I. v. Eichendorf.
4te Aust. 1 Thlr. Leipzig, Voigt u. Günther. Eine abgesonderte in den
boudoirmäßigen engl. Einband und Goldschnitt gefaßte Perle des liebenswürdi-
gen Dichters.

Sämmtliche Tragödien des Euripides. Metrisch überttagen von
Franz Fritze. Erste Lieferung. Hekabe. — Berlin, H. Schindler. — Wird
ausführlicher besprochen.

Briefe über Gutzkows Ritter vom Geiste. Von Alexander Jung. —
Leipzig, F. A. Brockhaus.

Die kleine Narrenwelt. Von K. Gutzkow. 2 Thle. 8. Geh. I'/-Thlr.
— Frankfurt a. M. Literar. Anstalt.

Hafis. Eine Sammlung persisckier Gedichte. Von G. F. Daum er.
2te Aust. 8. Geh. 1 '/z Thlr. — Hamburg. Hoffmann u. Campe. .

Drei Geschichten von Menschen und Thieren. Drei Erzählungen.
Von C. v. Holtei. 2 Bde. gr. 16. Geh. 1 Vs Thlr. Leipzig. Hübner.

Musenalmanach der Ostseeprovinzen Nußland's. 3 Jahrg. 1856.
Herausgeg. v. N. Graf Rehbinder. 32.. Geh. 18 Sgr. — Mitau, Reyher.


doch nach aller Wahrscheinlichkeit mit allen Leserinnen.

Es bleibt uns noch ein Wort für den deutschen Bearbeiter.
Wir haben ihn vielleicht indirect schon nach Verdienst gelobt, indem
wir das nationelle und historische Gepräge des Werkes hervorhoben;
das volle Zugeständniß liegt darin, daß er nach unserem Gefühl
Wenig oder Nichts von jenem Vorzüge verwischt hat, obwohl nack-
feinem eigenen Geständniß nur der Inhalt, nicht die Form des
Originals für ihn «maßgebend gewesen ist; und mehr sind wir, des
letzter« unkundig, wohl nicht befähigt,'zu entscheiden. Vielleicht hätte
die Schilderung des altpolnischen Landlebens in Niewodowo ohne
Schaden der Charakteristik etwas gedrängter sein dürfen. Dagegen
wäre es wohl vielen deutschen Lesern erwünscht gewesen, über die
vielfach verwickelten, uns durchaus fremdartigen Zustände des alten
polnischen Reichs, seine Verfassung, seine ständische Gliederung von

r i t n ii g.

Se. Majestät der König Maximilian von Baiern hat durch eine neue Ein-
richtung seinen anregenden Sinn für wissenschaftliche und künstlerische Hervor-
bringung bethätigt. Es ist eine Bekanntmachung des K. Maximilians-Ordens
für Wissenschaft und Kunst nebst Anhang erschienen, welche die folgenden Be-
stimmungen enthält:

Se. Maj. der König hat den a. h. Willen ausgesprochen, vorläufig in den
nächsten 5 Jahren Medaillen in Gold mit a. h. Ihrem Brnstbilde, in
Verbindung mit Belohnungen in Geld von je 200 bis 400 Dukaten als Aner-
kennung und Auszeichnung der erfolgreichsten Leistungen im Gebiete der deut-
schen Wissenschaft und Literatur zu verleihen. Die Medaille erhält die Benen-
nung: Maximilians-Medaille. In Folge dessen haben Se. K. Maj. die
unten stehenden näheren Bestimmungen zu genehmigen geruht:

I. Alljährlich ist dem Könige Bericht zu erstatten über die hervorragendsten
Leistungen der deutschen Wissenschaft und Literatur. Finden sich darunter solche,
welche einen anerkannt entscheinenden Einfluß auf die Entwicklung der Wissen-
schaft äußern, so wird der König Werken dieser Art Maximilians-Medaillen mit
Geldbelohnungeu von 200 bis 400 Dukaten allergnädigst zu bewilligen geruhen.
Die Zahl dieser Medaillen soll in Einem Jahre nicht über vier steigen. Die
Gebiete, ans welche diese Auszeichnungen sich beziehen, sind: a) Staatswissenschaft,
h) Geschichte, c) Philologie, cl) Naturwissenschaften. Einfachheit, Klarheit und
Gediegenheit des Styls und der Darstellung überhaupt wird bei der Beurthei-
lung in Betracht gezogen werden. Die erste Verleihung ist ans den 28. No-
vember l. I. (als den Geburtstag des Königs) festgesetzt.

II. Außer diese wiederkehrenden Verleihungen hat der König in diesem
Jahre nachbenannte Preise für Leistungen im Bereiche der Wissenschaft und Poesie
auszusetzen befohlen:

1. Einen Preis von 600 Dukaten nebst der Maximilians-Medaille, be-
stimmt für ein bis zum 1. Januar 1860 vollendet im Druck erschienenes bedcu-

*) Unter- und Oberkleid.
 
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