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Vorbehalten bleibt. Es sind aber auch noch andere Punkte in Frage
zu stellen. Zum Beispiel der: inwieweit nach dem Begriffe des
geistigen Eigenthums die Bearbeitung einer Novelle zum Drama
zulässig erscheine oder nicht. So viel wir wissen, sprechen die fran-
zösischen Gesetze auch in diesem Falle zu Gunsten des ursprünglichen
Autors, während die unsrigen eine freiere Bewegung verstellten; wir
erinnern daran, daß Frau Birch-Pfeiffer mit ihrer Dramatisirung
von Auerbachs „Frau Professorin" Reckt behalten hat, — daß man
bei jener Gelegenheit gefragt hat, wie Shakspeare zu seinen
Dramen nach gegebenen Novellen hätte kommen sollen, wenn

er unter dem strengen Bann des französischen Gesetzes gestan-
den, — daß aber seine Dramen und seine (alten) Novellen

doch wohl in einem andern Verhältnisse standen, als es dies Gesetz

meint. Wir hüten uns aber, über einen so schwierigen Punkt, wie
den eben genannten, in der Kürze eine fertige Meinung auszustellen,
und heben lieber aus den Fragen und Bedenken noch einen andern
Punkt hervor, einen, der jenem „ausschließlichen Eigenthum der Me-
lodie" wohl noch mehr parallel steht. Es betrifft die musikalische
Composition eines dichterischen Erzeugnisses und das aller Orten in
Anspruch genommene Recht, das letztere mit drucken zu lassen, indem
man das erste druckt. Die Sache scheint so unbedenklich, daß Man-
cher sich vielleicht wundert, wie wir darauf kommen, ihr nur diesen
Streifen Papier zu widmen. Es giebt Verse, und nicht bloß die
italienische Canzonetten-Poesie besitzt ihrer, die der musikalischen Me-
lodie nur zur beliebigen Unterlage, nur um etwas Andres als das
Ut, re, mi, fa der Solfeggien zu singen, dienen; es giebt Compo-
sitionen, die, ob ihnen ein Paar einfache Worte auch den Inhalt
geben, diese doch zu so neuem, gesteigertem Leben entwickeln, daß hier-
ein neues Kunstwerk, ein viel größeres vorliegt, als in den Paar-
Worten. Aber schon in dem letzteren Falle bleiben cs doch bic |
Worte, welche den „Inhalt" geben, und in tausend Fällen gehend
Wort und Musiknote Hand in Hand, in tausend anderen machen!
diese nur einen beliebigen Klingklang zu den Worten, und besten!
Falles hat letzterer dabei nur die Ausgabe, dem Vortrage des Wor-
tes gründlicher zu seinem Rechte zu verhelfen. Es will uns be-
dünken, als ob das Componiren des Poeten und die Heraus-
gabe der Composition mit dem Texte, ohne den Poeten zu fra-
gen und von ihm (oder seinem Rechtsnachfolger) die Erlaubniß ein-!
zuholen, denn doch einige Eingriffe in fremdes Recht involvire.
Wie wichtig aber den Componisten die guten Poesien sind, geht
aus den tausend und aber tausend Compositionen hervor, die auf-
tauchen, sobald nur die Poesien zu haben sind. Man versichert uns,
daß das „ Eigenthum der Melodie" dem französischen Componisten
oft eine sehr ansehnliche Rente abwerfe; warum soll die Ausnutzung
einer poetischen Arbeit, die denn mindestens doch eben so viel Werth
hat wie eine Melodie, nicht dem Dichter gleichfalls zu Gute kom-
men? Wenn einer ein Poet ist wie Heine, wie Geibel, deren Lie-
der in allen Musikläden ballenweis lagern, vor allen Klavieren, vor
allen Theetischen, in alten Concertsälen erklingen, warum soll er
nicht das Seine davon haben?

Es könnte gegen Alles das wohl das alte Wort aufs Neue

ausgesprochen werden: daß der Dichter singt, wie der Vogel,

der in den Zweigen wohnet, —
das Lied, das aus der Kehle dringt,
ist Lohn, der reichlich lohnet, —

und wir finden es gar schön, wenn einer stolz und bescheiden genug I
ist, nicht für den Markt zu dichten, und seine Lieder hingiebt, —

ein flüchtig Blatt den Winden.

Aber die Dinge haben sich doch einmal im Allgemeinen anders
gestellt, und trotz unsrer Verehrung jener stolzen Bescheidenheit fin-
den wir es durchaus in der Ordnung, wenn einer zugleich ein
praktischer Mann ist und darnach handelt. Auch kommt, was die

Benutzung der Werke der Poesie von Seiten der Componisten be-
trifft, noch das Eine in Betracht: daß sie nur allzu häufig mit un-
verantwortlicher Willkür mit den Worten des Dichters umgehen, und
daß es für diesen sehr wünschenswerth sein möchte, auch in solcher
Beziehung sein Werk gesichert zu sehen. Der Dichter kann sein
Drama, das er drucken ließ, vor Verstümmelungen, wie die Bühnen-
directionen dergleichen überall aus angeblich praktischen Gründen
vornehmen, schützen, er kann schlechten Bühnen das Recht zur Auf«
sührnng desselben weigern: warum soll er keinen Schutz gegen mu-
sikalische Mißhandlung und gegen Verstümmelungen nach musikan-
tischem Gutdünken finden?

Wir haben mit diesen Worten nur eine Anregung geben wol-
len. Vielleicht finden sich berufnere Federn, die die Sache umfas-
sender und gründlicher beleuchten.

Erschienene Neuigkeiten.

Die Autorschaft des Fechters von Ravenna. Von Otto Schorn. —
Düsseldorf, Wilh. Kaulen. 1856.

Wer sich, wie wir, der Mühe unterzogen hat, sämmtliche Aktenstücke dieses
merkwürdigen, zum Theil unterhaltenden, literarischen Streits zu sammeln, der
wird in der vorliegenden Brochüre eine willkommene Ergänzung und Vervoll-
ständigung finden. Außerdem aber eine getreue Schilderung des historischen
Hergangs und Verlaufs der ganzen Angelegenheit von dem natürlich in die-
selbe am besten eingeweihten Verfasser.

John Milton und seine Zeit. Historischer Roman von Max Ring.
8. 1857. Geh. li- Thlr. — Frankfurt a. M., Meidinger Sohn n. Comp.

Rheder und Matrose. Ein Hamburger Roman von E. Willkomm. 8.
1857. Geh. U Thlr. — Ebend.

Studien. Von A. Stifter. 5. Aufl. in 3 Bdn. — Prag, Heckenast.

Deutscher Musenalmanach. Herausgeg. v. Chr. Sch ad. VII. Jahrg.
Mit dem Brustbilde von Ed. Möricke. — Würzburg, Stahel.

Aus dem Tagebuche eines Jägers von Iwan Turghenew. 2. Aufl.
in einem Bande. — Berlin, Schindler.

Die beiden Stäflinge. Australischer Roman von Friedrich Gerstäcker.
3 Bde. — Leipzig, H. Costenoble.

Aus dem Frauenleben von Julie Burow. 2. Aufl. der Novellen.
2 Bde. br. 8. Geh. 2z Thlr. — Ebend.

% t i t n n g.

Von Oskar v. Redwitz ist so eben eine neue Tragödie erschienen, deren
Held Thomas Morus ist.

Um der Gefährdung zu begegnen, welche die Interessen dramatischer Dichter
und Künstler vielfach durch den Gewerbetrieb einzelner Theateragenten erleiden,
ist beschlossen worden, mit der zu Anfang des künftigen Jahres in Wirksamkeit
tretenden Alterversorgnngsanstalt für Bühnenmitglieder ein Vermittelnngsgeschäft
zu verbinden, welches sich dieselbe Thätigkeit zur Aufgabe fetzen wird, die den
Geschäftsbereich der Agenten ansmacht, also die Vertreibung der Mannscripte
und die Vermittelung von Engagements und Gastspielen.

Die Herstellung des Shakespeare-Hauses in Stratford am Avon schreitet in
erwünschter Weise vorwärts. Man wird sich erinnern, daß sich zu diesem Zwecke
ein besonderer Verein gebildet hat, und ein Hr. John Shakspeare, der seinen
Stammbaum bis zu Wilhelm dem Eroberer znrückleitet, demselben 2500 E
zur Verfügung stellte. Seitdem wurden zwei Grundstücke zu beiden Seiten des
alten Dichterhauses für 1450 E angekanft und bis Ende des kommenden
Sommers dürfte der ganze Restaurationsplan vollkommen ausgeführt sein.

Der Minister des Innern hat, wie die „Brest. Z." meldet, in einem Er-
lasse vom 23. Oct. d. I. auf die großen Bedenken hingewiesen, zu welchen so
viele Bühnen-Produkte der modernen dramatischen Schriftsteller Veranlassung
geben, indem sie auf einen großen Theil der Bevölkerung einen entsittlichenden
Einfluß ausüben. Nach dem von jener Zeitung gegebenen Auszüge wird in
dem Erlasse Folgendes gesagt:
 
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