BERNH. WENIG.
An die deutschen Künstler
und kunstfreunde!
ehr denn je erscheint unsere vaterländische Kunstübung wieder vom
Auslände, von England, Amerika und Frankreich, abhängig. Nicht
allein, dass die kaufkräftigen Gebildeten ausländische Erzeugnisse an
Möbeln, Tapeten, Stoffen, Teppichen, Beleuchtungsgeräthen, Edel-
metallarbeiten und keramischen Waaren meist den heimischen Arbeiten
vorziehen, auch der deutsche Künstler und Kunstgewerbetreibende steht
im Banne fremdländischer Formensprache; das Idiom einer heimischen,
individuell deutschen Kunstsprache droht tms verloren zu gehen!
Immer deutlicher erblicken wir die Ursache dieser beschämenden
Erscheinung hauptsächlich darin, dass seit dem Wiederaufleben unserer Kunst-Bestrebungen zu
Anfang der sechziger Jahre durch die Einführung des Begriffes »Kunstgewerbe« eine Sonder-
gruppe von Künstlern »zweiter Klasse« geschaffen wurde! Diese falsche Standes-, bezw.
Thätigkeits-Scheidung war der schwerste Schlag, der die deutsche Kunst und das deutsche Kunst-
gewerbe treffen konnte, denn er vernichtete bei Publikum und Künstlern das Bewusstsein der
natürlichen Zusammengehörigkeit aller bildenden Künste, der Notwendigkeit eines »Ineinander-
Aufgehens« sä)mntlicher Künstler! Architekten, Bildhauer, Maler und technische
Künstler, die sog. Kunstgewerbetreibenden, sie Alle gehören auf das Engste zusammen und
auf einen Platz, selbstdenkend, aber doch Hand in Hand schaffend für ein grosses Ganzes !
Diesem Zusammenschliessen der Künstler verdanken die genannten Länder in erster Linie
ihre unbestrittenen Erfolge im internationalen Wettbewerbe der letzten Jahre. Unsere Kunst-
sprache ist geistig-künstlerisch verarmt durch die Entziehung der Mithülfe fantasievoller und
erfindungsreicher Künstler zu Gunsten der hohen Kunst. Denn an sich fehlt es uns nicht an
künstlerischen Kräften, nicht an bedeutendem technischen Können in Industrie und Handwerk!
Es gilt also vor Allem, diese beiden Faktoren wieder mit einander in lebendige Verbindung
und Wechselwirkung zu bringen. Wirkliche, grosse Künstler für die — Kleinkunst! Diese
Forderung ist nicht gleichbedeutend mit dem Feldgeschrei: »Fort mit allem Alten!« der
radikalen Neuerer; aber eine ganze Reihe neuer Erfindungen und Einrichtungen, neue Roh-
materialien, neue Techniken fordern auch eine neuzeitliche, nur ihnen zukommende Gestaltung
und Durchbildung aus wahrhafter Künstlerhand. Wohl ist auch bei uns bereits viel des
Vortrefflichen an neuzeitlichen Schöpfungen entstanden, aber es fehlte bisher an einer Sammel-
stelle, an einer zielbewussten Leitung, wie wir sie in ausländischen Kunstzeitschriften als
»The Studio«, »The Artist«, »Art et Decoration« u.s. w. bemerken, wie die »Jugend« sie auf
anderem Gebiete anstrebt.
An die deutschen Künstler
und kunstfreunde!
ehr denn je erscheint unsere vaterländische Kunstübung wieder vom
Auslände, von England, Amerika und Frankreich, abhängig. Nicht
allein, dass die kaufkräftigen Gebildeten ausländische Erzeugnisse an
Möbeln, Tapeten, Stoffen, Teppichen, Beleuchtungsgeräthen, Edel-
metallarbeiten und keramischen Waaren meist den heimischen Arbeiten
vorziehen, auch der deutsche Künstler und Kunstgewerbetreibende steht
im Banne fremdländischer Formensprache; das Idiom einer heimischen,
individuell deutschen Kunstsprache droht tms verloren zu gehen!
Immer deutlicher erblicken wir die Ursache dieser beschämenden
Erscheinung hauptsächlich darin, dass seit dem Wiederaufleben unserer Kunst-Bestrebungen zu
Anfang der sechziger Jahre durch die Einführung des Begriffes »Kunstgewerbe« eine Sonder-
gruppe von Künstlern »zweiter Klasse« geschaffen wurde! Diese falsche Standes-, bezw.
Thätigkeits-Scheidung war der schwerste Schlag, der die deutsche Kunst und das deutsche Kunst-
gewerbe treffen konnte, denn er vernichtete bei Publikum und Künstlern das Bewusstsein der
natürlichen Zusammengehörigkeit aller bildenden Künste, der Notwendigkeit eines »Ineinander-
Aufgehens« sä)mntlicher Künstler! Architekten, Bildhauer, Maler und technische
Künstler, die sog. Kunstgewerbetreibenden, sie Alle gehören auf das Engste zusammen und
auf einen Platz, selbstdenkend, aber doch Hand in Hand schaffend für ein grosses Ganzes !
Diesem Zusammenschliessen der Künstler verdanken die genannten Länder in erster Linie
ihre unbestrittenen Erfolge im internationalen Wettbewerbe der letzten Jahre. Unsere Kunst-
sprache ist geistig-künstlerisch verarmt durch die Entziehung der Mithülfe fantasievoller und
erfindungsreicher Künstler zu Gunsten der hohen Kunst. Denn an sich fehlt es uns nicht an
künstlerischen Kräften, nicht an bedeutendem technischen Können in Industrie und Handwerk!
Es gilt also vor Allem, diese beiden Faktoren wieder mit einander in lebendige Verbindung
und Wechselwirkung zu bringen. Wirkliche, grosse Künstler für die — Kleinkunst! Diese
Forderung ist nicht gleichbedeutend mit dem Feldgeschrei: »Fort mit allem Alten!« der
radikalen Neuerer; aber eine ganze Reihe neuer Erfindungen und Einrichtungen, neue Roh-
materialien, neue Techniken fordern auch eine neuzeitliche, nur ihnen zukommende Gestaltung
und Durchbildung aus wahrhafter Künstlerhand. Wohl ist auch bei uns bereits viel des
Vortrefflichen an neuzeitlichen Schöpfungen entstanden, aber es fehlte bisher an einer Sammel-
stelle, an einer zielbewussten Leitung, wie wir sie in ausländischen Kunstzeitschriften als
»The Studio«, »The Artist«, »Art et Decoration« u.s. w. bemerken, wie die »Jugend« sie auf
anderem Gebiete anstrebt.