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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Endlich ein Umschwung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0021
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Deutsche Kunst und Dekoration.

ENPUCfl EIN UMSCHWUNG

UNCHEN sah im Jahre
1876 die erste deutsche
Kunstgewerbe - Aus-
stellung. Sie brachte,
nachdem sich die an-
gewandte Kunst in
Deutschland wahrend
Jahrzehnten entweder
in direktem Abhängig-
keits-Verhältnisse zum
Auslande befand oder in wenig erfreulichem Aus-
drucke eigener Art sich bewegt hatte, mit einem
Rucke sozusagen, bedeutsame Veränderungen
zu Stande. Die Zeit der grossen Blüthe, mit der
Namen wie Dürer, Holbein u. s. w. verknüpft
waren, trat als mächtiges Vorbild ein. Unge-
zählte Anregungen alter Meister schienen be-
fruchtend auf eine um dreihundert Jahre jüngere
Generation einwirken zu sollen.

Jene Glanzperiode deutscher Kunst freilich
unterschied sich ganz wesentlich durch eines
von unseren Tagen: Es war ihr eine lange,
lange Entwicklung vorausgegangen. Sie fusste
auf Errungenschaften, die mit der kunst-
reichen Verzierung mönchischer Handschriften
beginnend, durch die mittelalterlichen Bauhütten
und künstlerisch - handwerklichen Werkstätten
aller Art, die Werkstatt des Malers nicht aus-
geschlossen, allmählich zu voller Entwickelung

gediehen waren. Desswegen trug diese Kunst
ihren durchaus eigenartigen, den Stempel der
Selbständigkeit, selbst da, wo die Verarbeitung
fremder Einflüsse unverkennbar ist. Was diese
Zeit hinterliess, konnte im ausgiebigsten Maasse
fördernd für eine Neubelebung gleichen Strebens
werden. Es kam nur auf die Art an, wie die
Einwirkung vor sich ging. Fasste man in erster
Linie den rechten Weg, die natürliche Ent-
wickelung, deren Resultat die Arbeiten der
Vergangenheit waren, als Anregung auf, schied
man deutlich aus, worin sich das charakteristische
jener Zeit von der unserigen unterscheide und
worauf anderseits der künstlerische Ausdruck
beruhen müsse, nahm man also die eigentliche
Quintessenz der Anregung, nicht aber schlecht-
weg den formalen Ausdruck herüber, so war
einer wirklich gedeihlichen Neuentfaltung der
Boden bereitet. Schlug man aber den be-
quemeren Weg der platten Nachahmung ein,
sah man das alte als eine feststehende Norm,
als ein Einmal-Eins an, an dem nicht geschüttelt
und gerüttelt werden dürfe, glaubte man die
Fundgruben: Kupferstichkabinette, Handzeich-
nungs-Sammlungen und ähnliche Institute,
unergründlich, unausschöpfbar, suchte man die
Patina, die sonst das Resultat langer Zeitläufe
zu sein pflegt, künstlich von heute auf morgen
in allen Dingen zu erreichen, so war ein
 
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