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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Endlich ein Umschwung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0022
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II, L, v, Berlepsch — München.

Wand-Teppich. Münchener Ausstellung 1897.

Entw. OTTO ECKMANN, ausgeführt in Scherrebeck.

erspriessliches Gedeihen, ein eigentliches »Neu-
Werden« ausgeschlossen. In dieser Beziehung
ist viel gesündigt worden. Nicht durch stete
Wiederholung ergänzt sich die Natur, sondern
durch Neubildung. Geht auch diese Neubildung
anscheinend immer denselben Weg, so sind doch
ihre Resultate stets neugeformte, eigenartige
Lebewesen. Man hat es nie gesehen, dass aus
dem Korn ohne Keimblatt schnittreife Frucht
erwuchs. Das aber glaubten unsere Alter-
thümler erfunden zu haben.

Sollten unabänderliche Naturgesetze da eine
Ausnahme machen? Konnten völlig ausgereifte
Resultate ohne Entwickelung, blos durch Nach-
ahmung erzielt werden? Musste nicht die Un-
selbständigkeit, die das Entlehnen mit sich
bringt, unfehlbar einen Zustand herbeiführen,
der, wenn auch vorerst noch mit einem
prunkenden Scheine von Selbständigkeit um-
geben, doch nach und nach einen Zerbröckelungs-
Prozesse nach sich zog ? Nicht die Zuhilfenahme
des Alten überhaupt brachte diesen Zerbröckcl-
ungs-Prozess zuwege, sondern die Art, wie sie
vor sich ging, wie sie allmählich zur Regel
ward, die schliesslich jeder frischen Lebens-
regung gegenüber in ein geradezu feindseliges
Verhältniss gerieth! Es ist eine natürliche
Folge des Egoismus, der jedem Machthaberthum
anhaftet, dass, wer selbst nicht auszuschreiten
vermag, gleiches Loos auch denen auferlegen
will, die in der Zukunft andere Dinge ruhen
sehen, als sie im »Gestern«, in der Tradition
überhaupt liegen.

Alles Ererbte, alles was andere Zeiten
leisteten, über Bord werfen wollen, ist ein
Beginnen, das Unreifheit, unhistorischen Sinn
verräth. Wo gibt es Kinder ohne Vater und
Mutter? Der Fortentwickelung aber, die nach
erst zu erreichenden Zielen strebt, immer das
längst Erreichte als einzig wünschenswerth hin-
stellen, das ist ebenso verfehlt. Es ist das
Zeichen der Greisenhaftigkeit, der Fortbildungs-
Unfähigkeit. Dahin sind allmählich die Wege
der angewandten Kunst, brauchen wir vorerst
der Kürze wegen den Ausdruck »Kunstgewerbe«
(das englische »Applied Arts« ist der weitaus
zutreffendste Terminus) noch, in Deutschland
speziell im »Vorort« deutschen Kunstgewerbes,
in München, gerathen. Die Goldadern, wo
immer und immer wieder geschürft wurde, der
 
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