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H. E. v. Berlepsch.
ausbleiben konnten. Angewandte Kunst, Kunst-
gewerbe — sie sanken in den Augen der
»Künstler« zum niedrig stehenden Wesen herab.
Wand-Teppich. Münchener Ausstellung 1897.
Entw. AUGUST ENDELL, ausgef von NINNI GULBRANSON.
Dass zur stofflichen und künstlerischen Durch-
bildung eines Dinges, das nicht im Goldrahmen
paradirt, unter Umständen weit mehr gehört
als zur Herstellung eines Durchschnittsbildes,
— das schien völlig vergessen. Leistungen der
angewandten Kunst aber in Wettbewerb mit der
»hohen« Kunst treten zu lassen, erschien einfach
als Unsinn. Für Bilder und deren Autoren gab
es immerfort Auszeichnungen aller Art. Dass
selbst die Besten der Kunstgewerbe-Treib enden
ähnliches erfahren hätten, dürfte bei uns wohl
äusserst selten vorgekommen sein, wogegen
es bekannt ist, dass man z. B. in Frankreich
gerade Verdienste auf diesem Gebiete sehr hoch
anschlägt. Man erinnere sich an die Aus-
zeichnungen, die Ed. Müller, die Cheret u. a.
widerfuhren. Der deutlichste Beweis dafür,
wie wenig hoch diese Sparte nationaler Arbeit
und ihre Bedeutung angeschlagen und verstanden
werde, liegt in dem Umstände allein schon, dass
die notorische Niederlage in Chicago keinerlei
wesentliche Aenderungen nach sich zog, dass
nie die Frage: »wo steckt der Fortschritt« ? aut
praktische Gebiete übergeführt wurde, sofern
die Anregung dazu nicht aus Privatkreisen
kam. Was nützen in solchen Fällen alle
Kongresse, ihre schönen Trinksprüche und die
alles beherrschende Schulweisheit administrativ
gut beanlagter Kräfte, die ihr Können niemals
auf schöpferischem Gebiete bewiesen oder auch
nur erprobt haben? Geringschätzung seitens
der Vertreter der »hohen« Kunst und bureau-
kratische Behandlung wichtiger Fragen auf der
andern Seite haben zu gleichen Theilen dem
Fortschritte der angewandten Kunst in Deutsch-
land Dämme entgegengesetzt, wo es nur immer
anging, d. h. sie thun es zur Stunde noch, wenn
auch allmählich die Situation manchen Ortes
etwas andere als die bisher allein gültigen An-
schauungen hervorzubringen beginnt. Dies
Erkennen kommt freilich, es darf getrost an-
genommen werden, nicht von innen heraus,
vielmehr ist es ein Resultat der unumstösslichen
Thatsache, dass des Auslandes Konkurrenz unter
Umständen alle tönenden Worte unserer offi-
ziellen Hohepriester von der Unbesiegbarkeit
der deutschen Sache zu Schanden zu machen
droht. Wer aber sind diese Hohepriester?
Einzelne deutsche Kräfte, die mit den grund-
legenden Arbeiten eines Krumbholz, Galland,
H. E. v. Berlepsch.
ausbleiben konnten. Angewandte Kunst, Kunst-
gewerbe — sie sanken in den Augen der
»Künstler« zum niedrig stehenden Wesen herab.
Wand-Teppich. Münchener Ausstellung 1897.
Entw. AUGUST ENDELL, ausgef von NINNI GULBRANSON.
Dass zur stofflichen und künstlerischen Durch-
bildung eines Dinges, das nicht im Goldrahmen
paradirt, unter Umständen weit mehr gehört
als zur Herstellung eines Durchschnittsbildes,
— das schien völlig vergessen. Leistungen der
angewandten Kunst aber in Wettbewerb mit der
»hohen« Kunst treten zu lassen, erschien einfach
als Unsinn. Für Bilder und deren Autoren gab
es immerfort Auszeichnungen aller Art. Dass
selbst die Besten der Kunstgewerbe-Treib enden
ähnliches erfahren hätten, dürfte bei uns wohl
äusserst selten vorgekommen sein, wogegen
es bekannt ist, dass man z. B. in Frankreich
gerade Verdienste auf diesem Gebiete sehr hoch
anschlägt. Man erinnere sich an die Aus-
zeichnungen, die Ed. Müller, die Cheret u. a.
widerfuhren. Der deutlichste Beweis dafür,
wie wenig hoch diese Sparte nationaler Arbeit
und ihre Bedeutung angeschlagen und verstanden
werde, liegt in dem Umstände allein schon, dass
die notorische Niederlage in Chicago keinerlei
wesentliche Aenderungen nach sich zog, dass
nie die Frage: »wo steckt der Fortschritt« ? aut
praktische Gebiete übergeführt wurde, sofern
die Anregung dazu nicht aus Privatkreisen
kam. Was nützen in solchen Fällen alle
Kongresse, ihre schönen Trinksprüche und die
alles beherrschende Schulweisheit administrativ
gut beanlagter Kräfte, die ihr Können niemals
auf schöpferischem Gebiete bewiesen oder auch
nur erprobt haben? Geringschätzung seitens
der Vertreter der »hohen« Kunst und bureau-
kratische Behandlung wichtiger Fragen auf der
andern Seite haben zu gleichen Theilen dem
Fortschritte der angewandten Kunst in Deutsch-
land Dämme entgegengesetzt, wo es nur immer
anging, d. h. sie thun es zur Stunde noch, wenn
auch allmählich die Situation manchen Ortes
etwas andere als die bisher allein gültigen An-
schauungen hervorzubringen beginnt. Dies
Erkennen kommt freilich, es darf getrost an-
genommen werden, nicht von innen heraus,
vielmehr ist es ein Resultat der unumstösslichen
Thatsache, dass des Auslandes Konkurrenz unter
Umständen alle tönenden Worte unserer offi-
ziellen Hohepriester von der Unbesiegbarkeit
der deutschen Sache zu Schanden zu machen
droht. Wer aber sind diese Hohepriester?
Einzelne deutsche Kräfte, die mit den grund-
legenden Arbeiten eines Krumbholz, Galland,