Endlich ein Umschwung,
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an diese Vorbilder sich eingebürgert \ hat,
davon legte die Konkurrenz zur Schaffung
eines neuen Titelblattes für die Zeitschrift
des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins in
München schlagenden Beweis ab. Die Mehr-
zahl der eingelaufenen, von deutschen, speciell
Münchener Künstlern, herrührenden Entwürfe
hatte eine geradezu erschreckende Aehnlich-
keit mit englischen Vorbildern, die sich leicht
nach Namen, nach Seitenzahl und Jahrgang
des »Studio« namhaft machen liessen. Die
Voraussetzung mancher der Betheiligten, die
englischen Originale seien wahrscheinlich in
weiteren Kreisen doch nicht allzubekannt, war
leider nicht zutreffend, und so bot sich denn
ein bis zu gewissem Grade humorvolles, frei-
lich auch etwas beschämendes Bild für den
nur einigermassen Eingeweihten dar.
Fehlt es in Deutschland an der nöthigen
Kraft, um etwas Selbständiges zu schaffen?
Nein — sie ist im Uebermaass vorhanden, aber
vorerst durchaus unvergohren! Dies nebenbei.
Frankreich nahm, obschon ein genialer
Künstler wie Eugene Grasset schon längst
in Paris thätig ist, die von England ausgehende
Bewegung erst spät auf, freilich ohne — das Ge-
biet des Plakates ausgenommen — gerade mit
Leistungen sehr originaler Art aufzutreten. Sind
auch z. B. Arbeiten, wie die keramischen Produkte
von Gallet vorzügliche zu nennen, so bedeuten
sie doch keineswegs die Begründung einer
neuen, auf breiter Basis gegründeten Richtung.
Eine solche baut sich auf ganz anderen Dingen
als auf Gläsern und Vasen auf, deren kleinste
schon enorm hoch im Preise stehen. Sowie die
moderne Bewegung auf dem Gebiete der an-
gewandten Kunst blos darauf hinausläuft, den
Wohnungsschmuck der oberen Zehntausend um-
zugestalten, also wie die Malerei in erster Linie
ein Luxusartikel zu sein ebenso wie theuere
Orchideen und kostbare Weine — dann ist und
bleibt sie ein todtgeborenes Kind. Wenn nicht,
was uns während des grössten Theiles unserer
Zeit beeinflusst, einfach-schön gestaltet werden
kann, wenn nicht unsere Umgebung, mag sie sich
aus den heterogensten Dingen zusammensetzen,
den Stempel feinstimmender Empfindung trägt,
so kommen wir auf keinen gesunden Stand-
punkt. Dass die »Hof-Kunst« ebenso wie die
»Börsen-Kunst« unserer Tage nichts, rein gar
nichts Förderndes, vielleicht sogar das Gegen-
theil in sich tragen, dafür liessen sich Beweise
Mappen-Schrank. Münchener Ausstellung 1897.
Zu einer Bibliothek-Einrichtung. Entwurf H. E. VON BERLEPSCH.
in erdrückender Menge bringen. Die Schalheit
eines guten Theiles der modernen Kunst, die
eine Zeit lang manchem berühmt gewordenen
Namen nach zu schliessen, ihr Ziel blos in
der brutalsten Wiedergabe der Wirklichkeit zu
suchen schien, spricht an und für sich schon
dieses Faktum aus! — Doch noch ein Wort
über Frankreich, dem zahlreiche eigene Schrift-
steller schon vor zehn Jahren zuriefen : »Schau
hinüber über den Kanal und lerne dort, was
Eigenart, was glänzende Fortentwickelung sei!
Es giebt eine englische Kunst, aber bald keine
französische mehr!«
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an diese Vorbilder sich eingebürgert \ hat,
davon legte die Konkurrenz zur Schaffung
eines neuen Titelblattes für die Zeitschrift
des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins in
München schlagenden Beweis ab. Die Mehr-
zahl der eingelaufenen, von deutschen, speciell
Münchener Künstlern, herrührenden Entwürfe
hatte eine geradezu erschreckende Aehnlich-
keit mit englischen Vorbildern, die sich leicht
nach Namen, nach Seitenzahl und Jahrgang
des »Studio« namhaft machen liessen. Die
Voraussetzung mancher der Betheiligten, die
englischen Originale seien wahrscheinlich in
weiteren Kreisen doch nicht allzubekannt, war
leider nicht zutreffend, und so bot sich denn
ein bis zu gewissem Grade humorvolles, frei-
lich auch etwas beschämendes Bild für den
nur einigermassen Eingeweihten dar.
Fehlt es in Deutschland an der nöthigen
Kraft, um etwas Selbständiges zu schaffen?
Nein — sie ist im Uebermaass vorhanden, aber
vorerst durchaus unvergohren! Dies nebenbei.
Frankreich nahm, obschon ein genialer
Künstler wie Eugene Grasset schon längst
in Paris thätig ist, die von England ausgehende
Bewegung erst spät auf, freilich ohne — das Ge-
biet des Plakates ausgenommen — gerade mit
Leistungen sehr originaler Art aufzutreten. Sind
auch z. B. Arbeiten, wie die keramischen Produkte
von Gallet vorzügliche zu nennen, so bedeuten
sie doch keineswegs die Begründung einer
neuen, auf breiter Basis gegründeten Richtung.
Eine solche baut sich auf ganz anderen Dingen
als auf Gläsern und Vasen auf, deren kleinste
schon enorm hoch im Preise stehen. Sowie die
moderne Bewegung auf dem Gebiete der an-
gewandten Kunst blos darauf hinausläuft, den
Wohnungsschmuck der oberen Zehntausend um-
zugestalten, also wie die Malerei in erster Linie
ein Luxusartikel zu sein ebenso wie theuere
Orchideen und kostbare Weine — dann ist und
bleibt sie ein todtgeborenes Kind. Wenn nicht,
was uns während des grössten Theiles unserer
Zeit beeinflusst, einfach-schön gestaltet werden
kann, wenn nicht unsere Umgebung, mag sie sich
aus den heterogensten Dingen zusammensetzen,
den Stempel feinstimmender Empfindung trägt,
so kommen wir auf keinen gesunden Stand-
punkt. Dass die »Hof-Kunst« ebenso wie die
»Börsen-Kunst« unserer Tage nichts, rein gar
nichts Förderndes, vielleicht sogar das Gegen-
theil in sich tragen, dafür liessen sich Beweise
Mappen-Schrank. Münchener Ausstellung 1897.
Zu einer Bibliothek-Einrichtung. Entwurf H. E. VON BERLEPSCH.
in erdrückender Menge bringen. Die Schalheit
eines guten Theiles der modernen Kunst, die
eine Zeit lang manchem berühmt gewordenen
Namen nach zu schliessen, ihr Ziel blos in
der brutalsten Wiedergabe der Wirklichkeit zu
suchen schien, spricht an und für sich schon
dieses Faktum aus! — Doch noch ein Wort
über Frankreich, dem zahlreiche eigene Schrift-
steller schon vor zehn Jahren zuriefen : »Schau
hinüber über den Kanal und lerne dort, was
Eigenart, was glänzende Fortentwickelung sei!
Es giebt eine englische Kunst, aber bald keine
französische mehr!«