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Paul Schumann.
den Zusammenhang mit dem inneren Leben
des Menschen hat diese Kunst längst verloren.
Zwingender Nervenreiz, das ist ihr ganzer Zweck.«
Diese Auslassungen haben nur einen Sinn
gegenüber dem Zimmer von Besnard, sonst
sind sie ganz haltlos. Ein solcher Stimmungs-
zwang ergibt sich nur bei so scharf ausge-
sprochenen Farben wie dem Besnard'sehen
Orangegelb, keineswegs aber bei so feinen
Nuancen wie z. B. den Isaac'schtn. Im Uebrigen
aber ist denn doch daran zu denken, dass es
sich hier um Luxuskunst handelt und jedes
Zimmer einem ganz bestimmten Zwecke dient:
Speisezimmer, Rauchzimmer, Salon de repos.
Diese Zimmer sind gar nicht für dauernden
Aufenthalt bestimmt, sondern nur zum Aufent-
halt zu bestimmten Stunden.
Natürlich kann man, wenn man will, tadeln,
dass in der Dresdener Kunstausstellung nur
Luxus-Einrichtungen gezeigt werden (sie kosten
insgesammt über 40000 Mk. und gehören der
Ausstellungs-Kommission). Es liegen aber doch
hier auch mehrere Grundsätze vor, die für eine
moderne Volkskunst massgebend sein müssen,
der eine ist die Echtheit und Gediegenheit, die
sich in jedem Stück kundgibt. Jeder Stoff tritt
nur als das auf, was er wirklich ist. Nirgends
gibt sich ein Holz durch einen widerlichen
täuschenden Anstrich als etwas Besseres aus;
nirgends sieht man die abscheulichen Orna-
mente aus gepresster Pappe oder gegossenem
le Einzelheiten ztim lVand-Sehir?n
Stuck, mit denen unsere Bauspekulanten in
den Miethskasernen einen erlogenen falschen
Prunk vortäuschen; nirgends steht hohler
Schein an Stelle charakteristischer Wahr-
heit, die eben auch — nur auf einfache
Verhältnisse angewendet — der erste Grundsatz
der Volkskunst sein muss. Der zweite Grund-
satz aber ist, dass die künstlerische Wirkung
durch die Farbe erzeugt ist. Eben durch die
Farbe kann auch bei schmalem Geldbeutel
und geringem Stoff etwas Erfreuliches und
Stilgerechtes geschaffen werden.
Neben den französisch-belgischen Zimmern
bietet die Ausstellung aber auch noch zwei
deutsche Einrichtungen, zwar nicht gerade
Wohnzimmer, aber doch ganz besonderer Er-
wähnung werth, das eine ist ein Lesezimmer,
das andere ist die Restauration, beide von dem
Architekten Julius Gräbner angegeben, jenes
ausgeführt mit Unterstützung der Dekorations-
firma Hartmann & Ebert, diese von Rudolph
Bagier & Comp. Das Lesezimmer zunächst
unterscheidet sich von dem belgischen Zimmer
durch die voll ausgesprochenen Farben : leuch-
tendes Roth der Wände mit feinen Goldlinien,
gelbe Möbel nach Art der im Zopfstil üblichen
in bequemen Formen, ein gelber Ofen. Dazu
eine weisse Decke mit freihändig modellirten
Stuckornamenten; sehr fein wirkt zwischen dem
Roth der Wände und dem Weiss der Decke
das leichte Grün des Blattkranzes auf dem
Rundstabe der Hohlkehle. Krystallene Kronen
und Wandleuchter kommen dazu, ferner in den
Füllungen Stickereigemälde von dem Maler
Fritz Rentzsch und seiner Gattin. Bei den
vielgezeigten grossen Stickereigemälden der Frau
Paul Schumann.
den Zusammenhang mit dem inneren Leben
des Menschen hat diese Kunst längst verloren.
Zwingender Nervenreiz, das ist ihr ganzer Zweck.«
Diese Auslassungen haben nur einen Sinn
gegenüber dem Zimmer von Besnard, sonst
sind sie ganz haltlos. Ein solcher Stimmungs-
zwang ergibt sich nur bei so scharf ausge-
sprochenen Farben wie dem Besnard'sehen
Orangegelb, keineswegs aber bei so feinen
Nuancen wie z. B. den Isaac'schtn. Im Uebrigen
aber ist denn doch daran zu denken, dass es
sich hier um Luxuskunst handelt und jedes
Zimmer einem ganz bestimmten Zwecke dient:
Speisezimmer, Rauchzimmer, Salon de repos.
Diese Zimmer sind gar nicht für dauernden
Aufenthalt bestimmt, sondern nur zum Aufent-
halt zu bestimmten Stunden.
Natürlich kann man, wenn man will, tadeln,
dass in der Dresdener Kunstausstellung nur
Luxus-Einrichtungen gezeigt werden (sie kosten
insgesammt über 40000 Mk. und gehören der
Ausstellungs-Kommission). Es liegen aber doch
hier auch mehrere Grundsätze vor, die für eine
moderne Volkskunst massgebend sein müssen,
der eine ist die Echtheit und Gediegenheit, die
sich in jedem Stück kundgibt. Jeder Stoff tritt
nur als das auf, was er wirklich ist. Nirgends
gibt sich ein Holz durch einen widerlichen
täuschenden Anstrich als etwas Besseres aus;
nirgends sieht man die abscheulichen Orna-
mente aus gepresster Pappe oder gegossenem
le Einzelheiten ztim lVand-Sehir?n
Stuck, mit denen unsere Bauspekulanten in
den Miethskasernen einen erlogenen falschen
Prunk vortäuschen; nirgends steht hohler
Schein an Stelle charakteristischer Wahr-
heit, die eben auch — nur auf einfache
Verhältnisse angewendet — der erste Grundsatz
der Volkskunst sein muss. Der zweite Grund-
satz aber ist, dass die künstlerische Wirkung
durch die Farbe erzeugt ist. Eben durch die
Farbe kann auch bei schmalem Geldbeutel
und geringem Stoff etwas Erfreuliches und
Stilgerechtes geschaffen werden.
Neben den französisch-belgischen Zimmern
bietet die Ausstellung aber auch noch zwei
deutsche Einrichtungen, zwar nicht gerade
Wohnzimmer, aber doch ganz besonderer Er-
wähnung werth, das eine ist ein Lesezimmer,
das andere ist die Restauration, beide von dem
Architekten Julius Gräbner angegeben, jenes
ausgeführt mit Unterstützung der Dekorations-
firma Hartmann & Ebert, diese von Rudolph
Bagier & Comp. Das Lesezimmer zunächst
unterscheidet sich von dem belgischen Zimmer
durch die voll ausgesprochenen Farben : leuch-
tendes Roth der Wände mit feinen Goldlinien,
gelbe Möbel nach Art der im Zopfstil üblichen
in bequemen Formen, ein gelber Ofen. Dazu
eine weisse Decke mit freihändig modellirten
Stuckornamenten; sehr fein wirkt zwischen dem
Roth der Wände und dem Weiss der Decke
das leichte Grün des Blattkranzes auf dem
Rundstabe der Hohlkehle. Krystallene Kronen
und Wandleuchter kommen dazu, ferner in den
Füllungen Stickereigemälde von dem Maler
Fritz Rentzsch und seiner Gattin. Bei den
vielgezeigten grossen Stickereigemälden der Frau