Nationale Kunst — nothwendige Kunst.
3'
4ki
Anlagen des Bremer Stadtwalles.
Photo^r. Louis Koch.
den unumgänglich nöthigen Namen machten
(denn der berühmte Name ersetzt dem lieben
Publikum das eigene Urtheil) und die dann
ihren höheren Ideen leben konnten.
¥
Aber so schlimm brauchte es trotz der
hier nur in groben Linien umrissenen Ver-
hältnisse doch nicht zu sein, zumal es doch noch
zahlreiche Abweichungen und Ausnahmen giebt.
Ein Anderes aber hindert fast mehr noch
als der nervenmordende Kapitalismus das Auf-
blühen der Kunst: die Art unserer allgemeinen
Erziehung! Dem weitaus grössten Thcil
unserer Lehrenden ist die Kunst ein Buch
mit sieben Siegeln; diesen ein thörichter
Müssiggang, da man doch noch so viele herr-
liche Interpolationen in die alten Klassiker
machen könnte, jenen eine diseiplinschädigende
Ablenkung von den ernsten Zielen logischer
Silbenspalterei und gelöster Gleichungen, den
dritten endlich eine Erfindung des bösen Feindes,
gemacht, die Seelen zur Hoffahrt, Eitelkeit,
Weltlichkeit und Lüsternheit zu verführen.
Und so lernt denn unsere Jugend, statt die
eigenen Sinne zu brauchen, mit überkommenen
Phrasen zu denken, für's Examen, nicht für's
Leben.
Ich will nicht befürworten, dass man
die Jugendjin Kunstgeschichte und Aesthetik
unterrichten soll. Die Herren Philologen
würden zumeist auch dabei nur wieder Vokabeln
herausdestilliren, die »auswendig« gelernt werden
müssen, wie denn die halbe Weisheit der
Schule nur »Auswendiges« ist. Aber in der
Natur stehen, mit offenen Sinnen, freiem
Urtheil, nicht nachbetendem »beschränkten
Unterthanenverstand«, sehen, empfinden lernen,
vor allen Dingen Freude haben an der Welt
und allem Neuen, was sie uns bietet, offen
sein für jeden Eindruck: das müsste die Er-
ziehung lehren, das aber hat uns der heurige
klassische Philologe und der arme Volksschul-
3'
4ki
Anlagen des Bremer Stadtwalles.
Photo^r. Louis Koch.
den unumgänglich nöthigen Namen machten
(denn der berühmte Name ersetzt dem lieben
Publikum das eigene Urtheil) und die dann
ihren höheren Ideen leben konnten.
¥
Aber so schlimm brauchte es trotz der
hier nur in groben Linien umrissenen Ver-
hältnisse doch nicht zu sein, zumal es doch noch
zahlreiche Abweichungen und Ausnahmen giebt.
Ein Anderes aber hindert fast mehr noch
als der nervenmordende Kapitalismus das Auf-
blühen der Kunst: die Art unserer allgemeinen
Erziehung! Dem weitaus grössten Thcil
unserer Lehrenden ist die Kunst ein Buch
mit sieben Siegeln; diesen ein thörichter
Müssiggang, da man doch noch so viele herr-
liche Interpolationen in die alten Klassiker
machen könnte, jenen eine diseiplinschädigende
Ablenkung von den ernsten Zielen logischer
Silbenspalterei und gelöster Gleichungen, den
dritten endlich eine Erfindung des bösen Feindes,
gemacht, die Seelen zur Hoffahrt, Eitelkeit,
Weltlichkeit und Lüsternheit zu verführen.
Und so lernt denn unsere Jugend, statt die
eigenen Sinne zu brauchen, mit überkommenen
Phrasen zu denken, für's Examen, nicht für's
Leben.
Ich will nicht befürworten, dass man
die Jugendjin Kunstgeschichte und Aesthetik
unterrichten soll. Die Herren Philologen
würden zumeist auch dabei nur wieder Vokabeln
herausdestilliren, die »auswendig« gelernt werden
müssen, wie denn die halbe Weisheit der
Schule nur »Auswendiges« ist. Aber in der
Natur stehen, mit offenen Sinnen, freiem
Urtheil, nicht nachbetendem »beschränkten
Unterthanenverstand«, sehen, empfinden lernen,
vor allen Dingen Freude haben an der Welt
und allem Neuen, was sie uns bietet, offen
sein für jeden Eindruck: das müsste die Er-
ziehung lehren, das aber hat uns der heurige
klassische Philologe und der arme Volksschul-