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~A telier-Nachrichten.
Tafel-Jar diniere.
Modell: ALB. MAYER—GEISLINGEN.
Ein starkes persönliches Talent verräth
der gleichfalls auf der Dresdener Akademie
ausgebildete Maler Johann Vincenz Cissarz,
dessen Plakate neben ihrem hochkünstlerischen
Werth noch dadurch an Bedeutung gewinnen,
dass sie vom Künstler meistens selbst litho-
graphirt worden sind - - spielt doch auch
die Reproduktions-Technik beim Plakat für
das gute Gelingen eine grosse Rolle. Cissarz
wurde 1873 zu Danzig geboren und zählt
trotz seiner Jugendlichkeit zu den am meisten
in Frage kommenden Dresdener Künstlern
neuerer Richtung. Cissarz's Vater war
Steuerbeamter und die öftere Versetzung des
letzteren von einer Stadt in die; andere umgab
den befähigten Knaben mit stetig wechselnden
neuen Eindrücken. Am nachhaltigsten und
anregendsten wirkten auf ihn die land-
schaftlichen Scenerien Thüringens, nament-
lich des Eichsfeldes, wo er in Heiligenstadt
das Gymnasium absolvirte. 18g 1—94 und
1895—96 besuchte er die Akademie zu
Dresden, wo er namentlich in letzter Zeit
von Pauwels merklich beeinflusst wurde.
Seine erste grosse Arbeit: ein Altarbild für
die katholische Pfarrkirche zu Sangerhausen,
stammt aus dieser Zeit und sein Sprung in
das Lager der modernen Strömung erregt
um so mehr Bewunderung, als er uns
hierbei in der kurzen Frist seines neuen
Wirkens bereits in starkem persönlichen Aus-
druck entgegentritt. So hatte er auf dem
Gebiete der dekorativen Kunst besonders
glänzende Erfolge mit seinen Buch-Illustra-
tionen und Plakaten und wurden die letzteren
von englischen und französischen Kunst-
zeitschriften zum Theil veröffentlicht. Cissarz
hat einen grossen Styl in seinen Schöpfungen,
gewaltig und packend; sein Plakat für das
Hans Blum'sche Werk: Die deutsche Revo-
lution 1848—49, eine Art »Todtentanz^
personifizirend, wurde von der Naumburger
Polizeibehörde als »aufreizend« verboten,
später jedoch wieder freigegeben. Augen-
blicklich erscheinen überaus lebendige Illu-
strationen Cissarz's zu Dichtungen Ferdinand
Avenarius's und Karl Söhle's, auf die wir
später an anderer Stelle näher eingehen
werden.
*
Ein seltenes dekoratives Talent hat seit
jeher der Münchener Maler Heinrich Kellner
bekundet, dessen erste »kunstgewerbliche«
Thätigkeit noch in jene Zeit zurückreicht,
da Meister wie Gedon, Franz und Rudolf
von Seitz die Führer des Münchener Kunst-
gewerbes waren. Kellner stammt aus der
bekannten alten Glasmaler-!'amilie gleichen
Namens in Nürnberg, wo er 1846 geboren
wurde und gleichfalls die Glasmalerei erlernte.
Er besuchte hier auch die Kunstgewerbe-
Schule unter Kreling und von 1876 ab nach
seiner Uebersiedelung nach München die
hiesige Akademie bei Löfftz und Diez. Er
blieb zunächst in der kunsthistorischen
Schulung und renovirte 1882 die hoch-
~A telier-Nachrichten.
Tafel-Jar diniere.
Modell: ALB. MAYER—GEISLINGEN.
Ein starkes persönliches Talent verräth
der gleichfalls auf der Dresdener Akademie
ausgebildete Maler Johann Vincenz Cissarz,
dessen Plakate neben ihrem hochkünstlerischen
Werth noch dadurch an Bedeutung gewinnen,
dass sie vom Künstler meistens selbst litho-
graphirt worden sind - - spielt doch auch
die Reproduktions-Technik beim Plakat für
das gute Gelingen eine grosse Rolle. Cissarz
wurde 1873 zu Danzig geboren und zählt
trotz seiner Jugendlichkeit zu den am meisten
in Frage kommenden Dresdener Künstlern
neuerer Richtung. Cissarz's Vater war
Steuerbeamter und die öftere Versetzung des
letzteren von einer Stadt in die; andere umgab
den befähigten Knaben mit stetig wechselnden
neuen Eindrücken. Am nachhaltigsten und
anregendsten wirkten auf ihn die land-
schaftlichen Scenerien Thüringens, nament-
lich des Eichsfeldes, wo er in Heiligenstadt
das Gymnasium absolvirte. 18g 1—94 und
1895—96 besuchte er die Akademie zu
Dresden, wo er namentlich in letzter Zeit
von Pauwels merklich beeinflusst wurde.
Seine erste grosse Arbeit: ein Altarbild für
die katholische Pfarrkirche zu Sangerhausen,
stammt aus dieser Zeit und sein Sprung in
das Lager der modernen Strömung erregt
um so mehr Bewunderung, als er uns
hierbei in der kurzen Frist seines neuen
Wirkens bereits in starkem persönlichen Aus-
druck entgegentritt. So hatte er auf dem
Gebiete der dekorativen Kunst besonders
glänzende Erfolge mit seinen Buch-Illustra-
tionen und Plakaten und wurden die letzteren
von englischen und französischen Kunst-
zeitschriften zum Theil veröffentlicht. Cissarz
hat einen grossen Styl in seinen Schöpfungen,
gewaltig und packend; sein Plakat für das
Hans Blum'sche Werk: Die deutsche Revo-
lution 1848—49, eine Art »Todtentanz^
personifizirend, wurde von der Naumburger
Polizeibehörde als »aufreizend« verboten,
später jedoch wieder freigegeben. Augen-
blicklich erscheinen überaus lebendige Illu-
strationen Cissarz's zu Dichtungen Ferdinand
Avenarius's und Karl Söhle's, auf die wir
später an anderer Stelle näher eingehen
werden.
*
Ein seltenes dekoratives Talent hat seit
jeher der Münchener Maler Heinrich Kellner
bekundet, dessen erste »kunstgewerbliche«
Thätigkeit noch in jene Zeit zurückreicht,
da Meister wie Gedon, Franz und Rudolf
von Seitz die Führer des Münchener Kunst-
gewerbes waren. Kellner stammt aus der
bekannten alten Glasmaler-!'amilie gleichen
Namens in Nürnberg, wo er 1846 geboren
wurde und gleichfalls die Glasmalerei erlernte.
Er besuchte hier auch die Kunstgewerbe-
Schule unter Kreling und von 1876 ab nach
seiner Uebersiedelung nach München die
hiesige Akademie bei Löfftz und Diez. Er
blieb zunächst in der kunsthistorischen
Schulung und renovirte 1882 die hoch-