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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0110
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Bücherschau.

Aus: RIETH, Skizzen, III. Folge.

Baumgärtner's Buchhandlung — LEIPZIG.

Gegenwart offenbarenden Stichworte »Billig
billig« und »stilvoll« beherrschen fast unsere
gesammte Möbelproduktion; und Maler-
meister, Tapezirer und Dekorateure schwören
auf jede archaistische Nachäfferei, die von
ebenso unverständigen »ersten Architekten«
als allerneueste Mode aufgewärmt worden
ist. Unter der Schaar der muthigen Neuerer
dürfte vielleicht Werle beim grossen Publikum
den meisten Erfolg davontragen, weil die
Bildhaftigkeit seiner Entwürfe, die untrügliche
Sicherheit seiner Federmanier -Darstellung
auch dem »blutigsten Laien« geradezu ver-
blüffend offenbaren, welche bisher unbe-
kainnten intimen Reize unsere Wohnräume
bieten - - könnten. Das Behagliche, Vor-
nehme, Trauliche und Zweckliche hat schon
das Herz gewonnen, ehe das kunstungeübte
Auge die Neuheit aller Formen entdeckt.

Hermann Werle kennt keinen Stil im
Sinne unserer »stilvollen« Fabrikanten. Er
hat seinen eigenen Stil, von Rechtswegen
das erste Erforderniss jeder echten Künstler-
natur. Mit Herrenbewusstsein greift er in
den Schatz der Kunstformen aller Jahr-
hunderte und modelt sie frei nach seinen

Ausdruckszwecken um. Er hat selbst etwas
zu sagen, nicht Anderen nachzuplappern!
Und das Erfreulichste an seiner Ausdrucks-
weise, neben ihrer Ursprünglichkeit und
Modernität im besten Sinne, ist, dass er überall
von der Konstruktion ausgeht und damit
einer vernünftigen, sinngemässen Kunst die
Wege bahnt, einer Kunst, die damit eine
Erneuerung und Gesundung des Handwerk-
lichen, deren wir so sehr bedürfen, im Ge-
folge haben muss. Kann man auch Werles
Formenbildung nicht den Stil der Zukunft
nennen - dazu gibt es zu viel der Wege
in das neue Land der Kunst —, so ist sie
doch sicherlich in ihrer kühnen Verschmelzung
von Empire, Rokoko, Japanismus mit der,
das Fundament abgebenden Gothik ein Stil,
der Zukunft hat, Zukunft besonders für die
Gestaltung des einfacheren bürgerlichen Haus-
rathes. In dieser Richtung ist denn auch
Werles zweitesWerk eigentlich noch wichtiger
als sein » Vornehmes Deutsches Haus«. Für
die Luxusbedürfnisse setzen sich tausend
Hände in Bewegung; wer aber in be-
scheideneren Verhältnissen lebt, ist zur Zeit
noch ganz auf den Plunderkram der Massen-
 
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