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ßücherschau.
tekten nicht selbst eine Auslese ihrer unaus-
geführten Entwürfe veröffentlichen. Eine
der erfreulichsten Erscheinungen ist es nun,
dass bereits mehrere solcher Werke vorliegen,
in denen der Baukünstler sich von vornherein
ganz und gar von den Forderungen des
Gleich
Aus: rieth, Skizzen, III. Folge. Baumgartners Buehhdlg.—
Lebens, [die sonst sein Schaffen so ungemein
bedingen, loslöst und wie der Dichter oder
Musiker, lediglich dem freien Walten seiner
Phantasie folgt. Otto Rieth war der Bahn-
brecher nach dieser Richtung. Schon seine
ersten Skizzen erregten gerechtes Aufsehen.
Zeigten sie doch gegenüber dem Düfteligen,
Zimperlichen und Anempfundenen der meisten
Architektur-Werke dem grossen Publikum
zuerst einmal wieder, dass die Architektur eine
heroische Kunst ist, gewaltig einherschreitend,
begeistert emporreissend, was uns von aus-
geführten Werken eigentlich nur bei den
Schöpfungen von Bruno Schmitz und Paul
Wallot zu vollem Bewusstsein kommt.
diesen beiden gewaltigen »Spät-
renaissance-Menschen«, wie man sie
nennen könnte, ist auch Rieth nach
seinem ganzen Empfinden Formalist
im besten, nicht in tadelndem Sinne.
Der Gemeinsatz: »Architektur ist
gefrorene Musik« drängt sich gegen-
über seinen meisterhaft hingewor-
fenen und unübertrefflich wieder-
gegebenen Zeichnungen mit neuem
Wahrheitswerth auf. Rieth ist nicht
eigentlich ein Neuerer; der Kreis
seiner Formen ist der der Wallot-
schule; ihn aber beherrscht er mit
Meisterhand und fügt, ein Sym-
phoniker der Baukunst, seine Motive
zu immer neuen, herrlichen Gebilden
zusammen. — Es ist, möchte man
sagen, nur eine Tonart, in der er
schreibt, ein prunkvolles, heiter-
feierliches Es-dur; die vorliegende
dritte Folge zeigt dieselbe Physio-
gnomie wie die erste; das liegt im
Wesen des Formalismus, der nicht
beethovenisch grübelt, in das Ringen
der Zeit kampfesfroh eingreift, son-
dern sonnig sein Fühlen ausstrahlt;
aber wer wollte z. B. den beiden
Achenbachs verübeln, dass auch sie
fast nur jeder eine Tonart haben?
Man wird sich so leicht an Rieths
Schöpfungen nicht satt sehen, selbst
wenn diese neue Folge keine be-
ipzig. deutsame Höherentwickelung des
Künstlers gegen sein früheres
Schaffen erkennen lässt. Seine Welt ist in
der That noch dieselbe geblieben; sein Sinn
für ruhige Grösse, seine feinfühlige Scheu
vor Kleinlichem, Verwickeltem scheint aber
allerdings in seiner letzten Sammlung noch
gesteigert; allen, die für die Musik der Linie
und des Rhythmus ein Empfinden haben,
seien seine Skizzen daher auf's wärmste
an's Herz gelegt. —
Hans Schuepmann.
ßücherschau.
tekten nicht selbst eine Auslese ihrer unaus-
geführten Entwürfe veröffentlichen. Eine
der erfreulichsten Erscheinungen ist es nun,
dass bereits mehrere solcher Werke vorliegen,
in denen der Baukünstler sich von vornherein
ganz und gar von den Forderungen des
Gleich
Aus: rieth, Skizzen, III. Folge. Baumgartners Buehhdlg.—
Lebens, [die sonst sein Schaffen so ungemein
bedingen, loslöst und wie der Dichter oder
Musiker, lediglich dem freien Walten seiner
Phantasie folgt. Otto Rieth war der Bahn-
brecher nach dieser Richtung. Schon seine
ersten Skizzen erregten gerechtes Aufsehen.
Zeigten sie doch gegenüber dem Düfteligen,
Zimperlichen und Anempfundenen der meisten
Architektur-Werke dem grossen Publikum
zuerst einmal wieder, dass die Architektur eine
heroische Kunst ist, gewaltig einherschreitend,
begeistert emporreissend, was uns von aus-
geführten Werken eigentlich nur bei den
Schöpfungen von Bruno Schmitz und Paul
Wallot zu vollem Bewusstsein kommt.
diesen beiden gewaltigen »Spät-
renaissance-Menschen«, wie man sie
nennen könnte, ist auch Rieth nach
seinem ganzen Empfinden Formalist
im besten, nicht in tadelndem Sinne.
Der Gemeinsatz: »Architektur ist
gefrorene Musik« drängt sich gegen-
über seinen meisterhaft hingewor-
fenen und unübertrefflich wieder-
gegebenen Zeichnungen mit neuem
Wahrheitswerth auf. Rieth ist nicht
eigentlich ein Neuerer; der Kreis
seiner Formen ist der der Wallot-
schule; ihn aber beherrscht er mit
Meisterhand und fügt, ein Sym-
phoniker der Baukunst, seine Motive
zu immer neuen, herrlichen Gebilden
zusammen. — Es ist, möchte man
sagen, nur eine Tonart, in der er
schreibt, ein prunkvolles, heiter-
feierliches Es-dur; die vorliegende
dritte Folge zeigt dieselbe Physio-
gnomie wie die erste; das liegt im
Wesen des Formalismus, der nicht
beethovenisch grübelt, in das Ringen
der Zeit kampfesfroh eingreift, son-
dern sonnig sein Fühlen ausstrahlt;
aber wer wollte z. B. den beiden
Achenbachs verübeln, dass auch sie
fast nur jeder eine Tonart haben?
Man wird sich so leicht an Rieths
Schöpfungen nicht satt sehen, selbst
wenn diese neue Folge keine be-
ipzig. deutsame Höherentwickelung des
Künstlers gegen sein früheres
Schaffen erkennen lässt. Seine Welt ist in
der That noch dieselbe geblieben; sein Sinn
für ruhige Grösse, seine feinfühlige Scheu
vor Kleinlichem, Verwickeltem scheint aber
allerdings in seiner letzten Sammlung noch
gesteigert; allen, die für die Musik der Linie
und des Rhythmus ein Empfinden haben,
seien seine Skizzen daher auf's wärmste
an's Herz gelegt. —
Hans Schuepmann.