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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Fritz Erler - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0117
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Fritz erler - München.

Oft wird die Sturm- und Drangzeit reich-
begabter Menschen mit dem Gähren
jungen Weines verglichen. Der Vergleich

hinkt. Beim Trauben-
saft ist aus dem Most
mit Sicherheit auf das
abgeklärte Produkt
zu schliessen, beim
geringen wie beim
feinen. Das trifft
beim Menschen ge-
rade gar nicht zu. Er
ist um so un-
berechen-
barer, je rei-
cher ihm die
Natur mit
ihren Gaben
zur Seite
steht. Freilich — daseist nicht
zu leugnen — bei Minder-
begabten ist die Sache oft so
klar wie das Einmaleins und
man kann, unvorhergesehene
Schicksalseingriffe abgerech-
net, mit ziemlicher Bestimmt-
heit sagen, dass wer seine Examina, die
»bewährten Prüfsteine der Tüchtigkeit«, mit
guter Note absolvirt und sich in nichts ver-
gangen hat, binnen absehbarer Zeit, manch-
mal sogar ohne Vettern und Basen, der
Durchschnitts - Kurve menschlichen Auf-

steigens folgen, ein »brauchbares« Mitglied
der Gesellschaft und den Ansprüchen, die
man an solche stellt, keine unerwarteten Salti
entgegensetzen werde. Das trifft beim weit-
aus grössten Prozentsatze der »Künstler«
ebenso zu wie bei anderen Beuten, die ihren
Stand mit einem gewissen Prestige zu um-
geben wissen, ohne dass sie darauf auch
nur das leiseste Anrecht haben. Anders bei
den wirklich Begabten, daher Unberechen-
baren. Ob solch gährenden Erscheinungen
allzu früh angestimmte Bobeshymnen oder
rechthaberischer Tadel das Schädlichere sei,
ist schwer zu sagen. Jedenfalls entpuppt
sich die wahre Kraft beiden gegenüber gleich
rücksichtslos, vielleicht ist auch das zweite
nicht so gefährlich wie das erste. Man ist
stark individuellen Aeusserungen gegenüber
am besten möglichst zurückhaltend, denn
beeinflussend loben wie tadeln heisst dem
Pferde in die Zügel fallen wollen. Ueber-
trieben Bob wirkt wie Zucker und hat schon
manchen einfach verdorben, Tadel oft wie
Peitschenhieb zur unrechten Zeit. Was von
echter Rasse, lässt sich durch das eine nicht
kirre machen und durch das andere nicht
zähmen.

Erler, von dessen reicher Begabung
diese Seiten hinlänglich genug sprechen, ohne
eines weiteren Kommentars zu bedürfen, steht
noch mitten im loderndsten Entwickelungs-
gange. Man kann sprechen von dem, was

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