Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Die Ausbildung zum Künstler
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0132
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
io8

Hans Schmidkunz:

Kopfleiste.

KK. KKI.ER- MISCHEN.

sachlichen Würdigkeit auszuwählen. Also
wird jene bange Frage nach dem Talent
in einer für die Fragesteller erlösenden Weise
bejaht oder überreichlich bejaht, der Lehrer
hat einen oder gleich darauf einige Schüler
mehr sammt dem stolzen Ruhm, nur die
talentirtesten anzunehmen, und der Schüler
hat eine Ausrede für Einbildung und Nach-
lässigkeit mehr. Um ein gut Stück ver-
lässlicher sind die Fälle, in denen der Lehrer
wenigstens eine oder mehrere Probelektionen
anberaumt, um zu sehen und zu zeigen, wie
er und der Schüler zusammenpassen.

Zweitens hatten wir gegen die Annahme
zu streiten, dass der Künstler geboren werde,
und dass nun nur noch dieses oder jenes
zur Entfaltung zu bringen sei. Richtig ist
daran jedenfalls das Vorhandensein gewisser
Anlagen bei jedem Menschen; sie sind jedoch
nicht als fertige Besitze, sondern als recht
unbestimmte Möglichkeiten zu denken.
Richtig ist auch die Thatsache eines Mehr
und Minder davon und richtig und dringend
zu beachten ist die individuelle Verschieden-
heit davon, also die Grundlage für die be-
kannte Forderung an den Lehrer, zu »indi-
vidualisiren«. Richtig ist endlich auch, dass
manche Menschen mit gewissen allgemeinen
Defekten behaftet sind und mit besonderen
wie etwa folgenden: der eine ist farbenblind;
der_zweite zwar nicht das, hat aber kein
rechtes Anschauungsvermögen; dem dritten
fehlt's ausgesprochen an musikalischem Ge-
hör; der vierte hat eine für die Bühne un-
mögliche Gestalt, und der fünfte ist nun

einmal kein Mensch des sprachlichen Aus-
drucks. Allein diese Defekte, wenn nicht
leicht überwindlich, sind seltener, als es zu-
nächst scheinen möchte, und jene Thatsache
eines Mehr und Minder der Anlagen sagt
noch immer sehr wenig und sagt jedenfalls
nicht eine dem proportionale Zukunft voraus.
Und noch eins ist richtig: mancher bringt's
in der Kunst weit und immer fehlt ihm noch
ein letztes, der sogenannte »göttliche Funke«.
Möglich, dass dieser erworben werden kann
(durch einen an ebensolchem Feuer reichen
Lehrer); wahrscheinlich, dass er angeboren
ist; sicher, dass er spät zu erkennen ist, und
dass auch ohne seinen Nachweis mit dem
Unterricht angefangen, und damit selbst
ohne sein Vorhandensein nicht ohne alle
Aussichten fortgefahren werden kann.

Drittens warnten wir vor einer Unter-
schätzung des Erworbenen gegenüber dem
Angeborenen. Wir sagen jetzt: Jeden Men-
schen , der nicht für ein bestimmtes Gebiet
einen jener Defekte hat, und der die sonst
weniger beachteten Anlagen eines liebevoll
hingebenden Willens u.s.w., hauptsächlich
aber diesen und Neigung zu dem betreffenden
Gebiet besitzt, kann eine gute Schulung
weit bringen. Dies gilt von allgemeineren
Studien wie etwa denen des Gymnasiums
und gilt von spezielleren wie etwa der Ge-
sangsausbildung, nur dass bei solchen die
Frage nach Defekten und die schliessliche
Frage nach einer ausserordentlichen Be-
fähigung mehr als dort in Betracht kommen.
Dort aber (und selbst an der Universität)
 
Annotationen