I IO
Hans Schmidkunz:
wird leider die Talentfrage ebenso unter-
schätzt wie hier überschätzt, und manchem
Gymnasiallehrer, der nur eben »durch-
Plakat-Entwitrf. (Noch nicht vervielfältigt.) vk. kri.kr
geschleppt« wird, thäte, ohne dass man etwa
ein eigenes Lateintalent anzunehmen hätte,
eine Untauglichkeitserklärung vor der Er-
klärung über misslungene Leistungen noth.
Soviel, was sich in diesem Rahmen zur
leidigen Talentfrage vorbringen lässt, deren
jeweils richtige Erledigung uns allerdings
bereits ein wichtiges Stück der Ausbildung
zum Künstler zu sein scheint. Die nächste
Frage ist wohl die nach der Berufswahl.
Natürlich gehört in ihre Erledigung die der
vorigen Frage hinein. Ausserdem han-
[delt es sich zunächst um das Risiko des
künstlerischen Lebensberufs überhaupt.
Nun wird hier natürlich jeder Kenner
die Gewissenspflicht haben, vor den
Schwierigkeiten dieses Berufs, nament-
lich nach seiner materiellen Seite, zu
warnen und vielleicht geradezu von ihm
abzurathen, schon um die Echtheit des
Feuers im Kunstjünger zu erproben.
Allein wann dies einmal geschehen, hat
man doch auch die Pflicht zu sagen:
erstens, dass es in anderen Berufen nicht
viel anders ist (man höre etwa manchen
Kaufmann über den seinigen sprechen);
zweitens, dass man auch in den Künsten
sowohl Nachwuchs überhaupt als auch
ganz besonders einen guten Nachwuchs
braucht; drittens, dass die Wahl eines
Neigungsberufs immer schon ein Urtheil
ist; und viertens, dass man besser thut,
bald mit der Lernzeit zu beginnen, als
dies erst hinauszuschieben und dann nach
dem Verlust der besten Jahre es doch
noch mit ungünstigeren Aussichten zu
versuchen.
Wird die Frage nach der Berufs-
wahl so gestellt, dass über die Chancen
der einen oder der anderen Kunst Aus-
kunft gegeben werden soll, so ist natür-
lich vorerst auf die Wahl zu verweisen,
die schon in den bestimmten Neigungen
des jungen Menschen ausgesprochen
liegt. Ueber eine Verschiedenheit der
Aussichten, die sich hier und dort dar-
bieten , kann freilich fast nichts Allge-
meineres angegeben werden; doch immer-
hin soviel, dass sich z. B. der Lyriker
noch mehr auf einen Mangel an Klingen-
dem gefasst machen muss als z. B. der Archi-
tekt. Das Eine jedoch lässt sich mit Be-
stimmtheit sagen: jeder angehende Kunst-
jünger trachte, namentlich wenn er nicht
noch an einer ausserkünstlerischen Thätigkeit
eine Lebensstütze hat, darnach, nicht blos
produzirender, sondern auch reproduzirender
Künstler zu sein, beispielsweise nicht blos
Hans Schmidkunz:
wird leider die Talentfrage ebenso unter-
schätzt wie hier überschätzt, und manchem
Gymnasiallehrer, der nur eben »durch-
Plakat-Entwitrf. (Noch nicht vervielfältigt.) vk. kri.kr
geschleppt« wird, thäte, ohne dass man etwa
ein eigenes Lateintalent anzunehmen hätte,
eine Untauglichkeitserklärung vor der Er-
klärung über misslungene Leistungen noth.
Soviel, was sich in diesem Rahmen zur
leidigen Talentfrage vorbringen lässt, deren
jeweils richtige Erledigung uns allerdings
bereits ein wichtiges Stück der Ausbildung
zum Künstler zu sein scheint. Die nächste
Frage ist wohl die nach der Berufswahl.
Natürlich gehört in ihre Erledigung die der
vorigen Frage hinein. Ausserdem han-
[delt es sich zunächst um das Risiko des
künstlerischen Lebensberufs überhaupt.
Nun wird hier natürlich jeder Kenner
die Gewissenspflicht haben, vor den
Schwierigkeiten dieses Berufs, nament-
lich nach seiner materiellen Seite, zu
warnen und vielleicht geradezu von ihm
abzurathen, schon um die Echtheit des
Feuers im Kunstjünger zu erproben.
Allein wann dies einmal geschehen, hat
man doch auch die Pflicht zu sagen:
erstens, dass es in anderen Berufen nicht
viel anders ist (man höre etwa manchen
Kaufmann über den seinigen sprechen);
zweitens, dass man auch in den Künsten
sowohl Nachwuchs überhaupt als auch
ganz besonders einen guten Nachwuchs
braucht; drittens, dass die Wahl eines
Neigungsberufs immer schon ein Urtheil
ist; und viertens, dass man besser thut,
bald mit der Lernzeit zu beginnen, als
dies erst hinauszuschieben und dann nach
dem Verlust der besten Jahre es doch
noch mit ungünstigeren Aussichten zu
versuchen.
Wird die Frage nach der Berufs-
wahl so gestellt, dass über die Chancen
der einen oder der anderen Kunst Aus-
kunft gegeben werden soll, so ist natür-
lich vorerst auf die Wahl zu verweisen,
die schon in den bestimmten Neigungen
des jungen Menschen ausgesprochen
liegt. Ueber eine Verschiedenheit der
Aussichten, die sich hier und dort dar-
bieten , kann freilich fast nichts Allge-
meineres angegeben werden; doch immer-
hin soviel, dass sich z. B. der Lyriker
noch mehr auf einen Mangel an Klingen-
dem gefasst machen muss als z. B. der Archi-
tekt. Das Eine jedoch lässt sich mit Be-
stimmtheit sagen: jeder angehende Kunst-
jünger trachte, namentlich wenn er nicht
noch an einer ausserkünstlerischen Thätigkeit
eine Lebensstütze hat, darnach, nicht blos
produzirender, sondern auch reproduzirender
Künstler zu sein, beispielsweise nicht blos