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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Endell, August: Möglichkeit und Ziele einer neuen Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0174
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August End eil:

Fenster ohne Theilung. Arbeite ich ohne
Ornament, so fordert die energische Heftig-
keit des Pfeilers ein breites Stück Mauer
darüber, um die stürmische Bewegung zu
dämpfen und die Ruhe der oberen Fenster-

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FRANZ FISCHER & SOHN — MÜNCHEN'.

brüstung nicht zu verderben, das Fenster
muss also ziemlich hoch zu liegen kommen.
Ein Kapital, das den heftigen Karakter des
Pfeilers mildert, ein paar Linien, die das
Mauerstück beleben, die rasche Bewegung
des Pfeilers seitlich weiter führen, und ich
kann ohne Bedenken die Brüstung des

Fensters viel tiefer legen, ja vielleicht einen
Balkon anlegen.

Unter allen Umständen aber hat sich
das Ornament der Grundwirkung anzu-
schliessen. Es soll dieselbe bereichern und
erhöhen, aber immer bleibt es
der Theil eines Ganzen und
darf nicht als Einzelnes wirken.
Darum ist es sinnlos, einen
Pilaster mit so kleinem Orna-
ment zu bedecken, das erst aus
nächster Nähe erkennbar ist.
Mag es noch so schön sein,
architektonisch ist es verfehlt.
Eine Säule, die nur für sich be-
trachtet wirkt, ist allemal ein
Unding. Das Ornament muss
zu gleicher Zeit mit der ganzen
Fläche wirken, zu der es gehört,
und desshalb soll es dieser Fläche
entsprechen, ihren Karakter ver-
schönt und bereichert zur Geltung
bringen. Ein Pilaster — ein
Ornament, eine Decke — eine
Verzierung, eine Wand — ein
Fries. Nicht aber erst Zerlegung
der gegebenen Flächen in kleine
Stücke und dann gemüthvolles
Einzelverzieren. Damit ist die
ursprüngliche Fläche zerstört.
Die Kunst ist eben, mit jeder
Art Fläche fertig zu werden und
die Formkunst bietet dazu reich-
liche Möglichkeit. Menschliche
Figuren sind allerdings unge-
eignet, denn die haben feste
Proportionen und passen in den
wenigsten Fällen. Freie Formen
brauchen wir. Eine aufsteigende
Fläche — eine aufsteigende
Form u. s. f. Und wenn irgend
möglich an jeder Stelle ein Neues.
Wiederholung sollte man eigent-
lich nur gelten lassen an symmetrischen
Stellen, und wenn es irgend angeht, sie auch
dort vermeiden; sonst ist es immer ein Ar-
muthszeugniss. Leider erlaubt die Rück-
sicht auf die Kosten kein freies Arbeiten,
und so muss man namentlich bei fortlaufenden
Verzierungen unter Simsen und unter der

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