Melchior Lechter.
179
und sich gewichtig zu fügen,
befreit und der neuen Bestim-
mung gemäss, welche Erfüllung
einer Fläche gebot, gelöst,
imaginär gemacht. Diese Linien
stellen keine Säulen und Gesimse
dar, sie sind Linien und durch-
aus nach linearen Prinzipien zu
einem Ganzen geordnet. Ueber-
dies treten an allen Knoten-
punkten, friesartigen Bändern
und Endigungen Pflanzenmotive
auf, welche die Erinnerung an
die alten Vorbilder gänzlich
benehmen und den architek-
tonischen Karakter aufheben.
Diese Pflanzenmotive sind
durchaus neuzeitlichen Ur-
sprunges. Wie alle unsere
jungen Vertreter der ange-
wandten Kunst, wurde auch
Lechter durch das Studium der
Pflanze zu neuen ornamentalen
und linearen Gebilden angeregt.
Hiermit tritt er in nächste Be-
ziehungen zur allgemeinen Ent-
wickelung, nur dass er, strenger
in der Prägung, sich nicht so
leicht zufrieden gibt mit eilig
der Natur entrissenen Fasern und
Schnörkeln, wie so viele andere.
Nächst den drei Elementen:
Schrift, Architektur und Pflan-
zen-Schmuck, ist auch das dritte
und wichtigste ganz in dem Stile
der Druckfläche übergeführt: die
menschliche Figur. Auch sie
ist gänzlich linear behandelt mit
reiflicher Erwägung der zu er-
zielenden hellen und dunkeln
Flächen. Auf Plastik ist mit Recht fast
durchaus verzichtet, denn diese widerstrebt
dem imaginären Gesammt-Karakter; nicht
aber auf Ausdruck. Wir wissen, zum Theil
aus eigenen Worten des Künstlers, was er
uns in der Gestalt dieses schmerzlich ringen-
den , betenden, sehnenden Jünglings lesen
lassen will, so wir es wissen wollen. Er
baut ein köstliches Haus über dem ewigen
(Juell des geistigen Lebens, der uns reichlich
Wäsche-Schrank.
MELCHIOR LECHTER.
sprudelt. Trotzdem dürsten wir und sehnen
uns nach Vollendung und Erfüllung dessen,
was im Leben nur angedeutet scheint, nach der
grossen, strahlenden Rose, welche die Schön-
heit aller Blüthen funkelnd in sich fasst, und,
unter der Berührung des Berufenen sich
öffnend, in Strahlenbahnen über alle Welt
ergiesst. Das ist der Tempel der Kunst, in
dem sich das Leben erst erfüllt und zum
Ende denkt aus der Höhe und aus der Tiefe.
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und sich gewichtig zu fügen,
befreit und der neuen Bestim-
mung gemäss, welche Erfüllung
einer Fläche gebot, gelöst,
imaginär gemacht. Diese Linien
stellen keine Säulen und Gesimse
dar, sie sind Linien und durch-
aus nach linearen Prinzipien zu
einem Ganzen geordnet. Ueber-
dies treten an allen Knoten-
punkten, friesartigen Bändern
und Endigungen Pflanzenmotive
auf, welche die Erinnerung an
die alten Vorbilder gänzlich
benehmen und den architek-
tonischen Karakter aufheben.
Diese Pflanzenmotive sind
durchaus neuzeitlichen Ur-
sprunges. Wie alle unsere
jungen Vertreter der ange-
wandten Kunst, wurde auch
Lechter durch das Studium der
Pflanze zu neuen ornamentalen
und linearen Gebilden angeregt.
Hiermit tritt er in nächste Be-
ziehungen zur allgemeinen Ent-
wickelung, nur dass er, strenger
in der Prägung, sich nicht so
leicht zufrieden gibt mit eilig
der Natur entrissenen Fasern und
Schnörkeln, wie so viele andere.
Nächst den drei Elementen:
Schrift, Architektur und Pflan-
zen-Schmuck, ist auch das dritte
und wichtigste ganz in dem Stile
der Druckfläche übergeführt: die
menschliche Figur. Auch sie
ist gänzlich linear behandelt mit
reiflicher Erwägung der zu er-
zielenden hellen und dunkeln
Flächen. Auf Plastik ist mit Recht fast
durchaus verzichtet, denn diese widerstrebt
dem imaginären Gesammt-Karakter; nicht
aber auf Ausdruck. Wir wissen, zum Theil
aus eigenen Worten des Künstlers, was er
uns in der Gestalt dieses schmerzlich ringen-
den , betenden, sehnenden Jünglings lesen
lassen will, so wir es wissen wollen. Er
baut ein köstliches Haus über dem ewigen
(Juell des geistigen Lebens, der uns reichlich
Wäsche-Schrank.
MELCHIOR LECHTER.
sprudelt. Trotzdem dürsten wir und sehnen
uns nach Vollendung und Erfüllung dessen,
was im Leben nur angedeutet scheint, nach der
grossen, strahlenden Rose, welche die Schön-
heit aller Blüthen funkelnd in sich fasst, und,
unter der Berührung des Berufenen sich
öffnend, in Strahlenbahnen über alle Welt
ergiesst. Das ist der Tempel der Kunst, in
dem sich das Leben erst erfüllt und zum
Ende denkt aus der Höhe und aus der Tiefe.