Melchior Lechter.
Buch- Umschlag.
MELCHIOR LECHTER.
man aber auch das, was man nur deshalb
nicht versteht, weil es die gemeinhin ange-
betete Mittelmässigkeit so ungeheuer hoch
überragt, weil es, seiner Zeit vorausgeeilt,
vielleicht erst nach hundert Jahren der Masse
der Gebildeten annähernd begreiflich werden
kann, zur »Mystik«. Noch heute versetzt
der Biedermann den II. Theil von Goethe's
»Faust«, Wagner's spä-
tere Dramen und
Böcklins Schöpfungen
gerne in diese Dunkel-
kammer seiner geistigen
Behausung, ganz selbst-
verständlich aber das
ganze zeitgenössische
Schaffen, das auf rein-
ästhetische Wirkung aus-
geht, auf begrifflich be-
quem darstellbare »In-
halte« , auf jede Art
»Anekdote« verzichtend.
So wollen wir es
demnach nicht aufgefasst
wissen, wenn wir ge- j
stehen, dass Lechters
Werke in der That zu
mystischen Empfin- Umschlag eines Wiischekatalogs.
düngen hinleiten. Nicht dadurch, dass sie
uns »dunkel« wären, vielmehr durch ihre
religiöse Herkunft. Lechter, der schlichte,
redliche, fromme Sohn seines Gaues, nahm,
wie wir sahen, die überlieferten Formen seiner
heimatlichen Kunst auf. Die überlieferten
Formen, in denen Jahrhunderte lange christ-
liches Blut kreiste, deutete er um, so dass
sie das Element seines Lebens in sich auf-
nehmen konnten, seinen Glauben, den neuen
religiösen Geist: »la saintete du culte de la
vie«. Diese Thatsache bestimmt uns von
»Mystik« zu reden — und der Künstler
spricht selbst mit diesem Worte davon, wie
wir auf seinem Kataloge lasen — weil der
Sprachgebrauch nun einmal das Wort
»Religion« nur noch für die in den ver-
schiedenen kirchlichen Dogmen erstarrten
Religionsformen gelten lassen will.
Ebenso sehr, als in seinen Bildern, waltet
dieser »mystische« Zug in den Werken,
welche er auf dem Gebiete der angewandten
Kunst hervorgebracht hat. Nach dem, was
wir zuvor über das Wiedererstehen dieser
Kunstgattung erwähnt haben, kann das auch
nicht wundernehmen. Die Glasmalerei, welche
bis zur allerjüngsten Zeit nur selten zu
anderem Zwecke, als zum Schmucke reli-
giöser Räume ausgeübt wurde, zwang ihn
geradezu zur Entfaltung seiner neudeutenden
HIUORflMDtUND
lcksiäshu;
.chlesien
ILDGBR0I1D
SUNDES
HUT*
OSCHLE
S1ER1
MELCHIOR LECHTER.
Buch- Umschlag.
MELCHIOR LECHTER.
man aber auch das, was man nur deshalb
nicht versteht, weil es die gemeinhin ange-
betete Mittelmässigkeit so ungeheuer hoch
überragt, weil es, seiner Zeit vorausgeeilt,
vielleicht erst nach hundert Jahren der Masse
der Gebildeten annähernd begreiflich werden
kann, zur »Mystik«. Noch heute versetzt
der Biedermann den II. Theil von Goethe's
»Faust«, Wagner's spä-
tere Dramen und
Böcklins Schöpfungen
gerne in diese Dunkel-
kammer seiner geistigen
Behausung, ganz selbst-
verständlich aber das
ganze zeitgenössische
Schaffen, das auf rein-
ästhetische Wirkung aus-
geht, auf begrifflich be-
quem darstellbare »In-
halte« , auf jede Art
»Anekdote« verzichtend.
So wollen wir es
demnach nicht aufgefasst
wissen, wenn wir ge- j
stehen, dass Lechters
Werke in der That zu
mystischen Empfin- Umschlag eines Wiischekatalogs.
düngen hinleiten. Nicht dadurch, dass sie
uns »dunkel« wären, vielmehr durch ihre
religiöse Herkunft. Lechter, der schlichte,
redliche, fromme Sohn seines Gaues, nahm,
wie wir sahen, die überlieferten Formen seiner
heimatlichen Kunst auf. Die überlieferten
Formen, in denen Jahrhunderte lange christ-
liches Blut kreiste, deutete er um, so dass
sie das Element seines Lebens in sich auf-
nehmen konnten, seinen Glauben, den neuen
religiösen Geist: »la saintete du culte de la
vie«. Diese Thatsache bestimmt uns von
»Mystik« zu reden — und der Künstler
spricht selbst mit diesem Worte davon, wie
wir auf seinem Kataloge lasen — weil der
Sprachgebrauch nun einmal das Wort
»Religion« nur noch für die in den ver-
schiedenen kirchlichen Dogmen erstarrten
Religionsformen gelten lassen will.
Ebenso sehr, als in seinen Bildern, waltet
dieser »mystische« Zug in den Werken,
welche er auf dem Gebiete der angewandten
Kunst hervorgebracht hat. Nach dem, was
wir zuvor über das Wiedererstehen dieser
Kunstgattung erwähnt haben, kann das auch
nicht wundernehmen. Die Glasmalerei, welche
bis zur allerjüngsten Zeit nur selten zu
anderem Zwecke, als zum Schmucke reli-
giöser Räume ausgeübt wurde, zwang ihn
geradezu zur Entfaltung seiner neudeutenden
HIUORflMDtUND
lcksiäshu;
.chlesien
ILDGBR0I1D
SUNDES
HUT*
OSCHLE
S1ER1
MELCHIOR LECHTER.