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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Zimmermann, Ernst: Verschiedenart künstlerischen Empfindens
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0104

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Verschiedenart künstlerischen Empfindens.

gespart werden. Sie muß für fruchtbareren Bo-
den aufgespart werden, der ihrer ja heute leider
oft so dringend bedarf. — Es ist jedoch klar,
daß ebenso, wie auf
dem Gebiet der Musik
die natürliche Veran-
lagung des Menschen
die verschiedensten
Abstufen zeigt und
nicht nur ganz unmu-
sikalische Menschen
hochmusikalischen ge-
genüberstehen , auch
auf dem, der auf das
Auge wirkenden Kün-
ste sich eine große
Mannigfaltigkeit der
Veranlagungen offen-
baren muß. Auch hier
gibt es der Zwischen-
stufen zwischen den
beiden äußersten Ge-
gensätzen genug und
darnach wird sich auch
das Verhalten der
Menschen gegenüber
den Werken der Kunst
richten. Hier freilich
kann Schulung und
Übung vielfach aus-
gleichend wirken und
manche schwächliche
Veranlagung bedeu-
tend verbessern hel-
fen. Doch auch bei
denjenigen, die durch
Anlage, Erziehung
oder Beruf zu gleicher
Stufe künstlerischer
Erkenntnis haben ge-
langen können, wird,
wer viel Gelegenheit
gehabt hat, diese auf
ihr Verhalten gegen-
überkünstlerischenEr-
zeugnissen zu prüfen,
die merkwürdigste Ver-
schiedenheit in diesem
Verhalten feststellen
können. Er wird hier
oft vor Rätseln stehen,
für die er nicht gleich
dieLösung finden wird.
Und doch dürfte diese

Beobachtung keineswegs unerklärlich sein. Man
vergesse nicht, daß die Menschen in Gattungen
auseinanderfallen, die von Natur aus ein ganz

E. M. ENGERT. GESCHNITTENE SILHOUETTE »JUDITH«

verschiedenes Empfindungsvermögen besitzen,
darum auch, da Kunst in erster Linie Empfin-
dungssache ist, gleichen künstlerischen Erschei-
nungen gegenüber sich
ganz verschieden ver-
halten müssen. Sie
können nicht anders,
sie müssen, mögen
ihre Augen auch immer
das Gleiche schauen,
dies Gleiche zufolge
ihres verschiedenen
Empfindungsvermö-
gens anders empfin-
den, es darnach auch
anders schätzen und
bewerten. Sie müssen
bei dem, was ihrer
Empfindungsart ent-
gegenkommt, mildere
Richter sein, beim Ge-
genteil strengere. Sie
werden im ersteren
Falle sich leichter in
das Kunstwerk ver-
senken , es leichter
verstehen und durch-
schauen, indeß sie im
zweiten sich leichter
von ihm abwenden und
darum ihm gegenüber
garnicht zu Vertiefung
kommen. So wird hier
stets in etwas die Ob-
jektivität der Beob-
achtung fehlen, damit
auch die Gerechtigkeit
der Beurteilung, und
ewig wird so das Urteil
schwanken, als Zeug-
nis, daß auch das Emp-
finden des Menschen
nur Stückwerk ist. —
In dieser Beziehung ist
zunächst auf den Un-

Lterschied von Mann
und Weib hinzuwei-
sen. Kein Mensch wird
leugnen, daß deren
Empfindungsleben ein
ganz verschiedenes ist.
Ein jeder weiß auch,
worin bei beiden der
Unterschied besteht.
So wird auch ein jeder den Gegensatz ihres
künstlerischen Empfindens verstehen, wenn
er prüft, wie der Mann sich kleidet und wie
 
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