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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Habicht, H.: Kultur und Kunst (Wünsche und Ziele)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0270

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EMIL LETTRE—BERLIN.

»SILBERNE SUPPENSCHUSSEL«

KULTUR UND KUNST (WÜNSCHE UND ZIELE).

VON PRIVATDOZENT DR. HABICHT.

Die Erwartung auf eine Erneuerung der Kul-
tur und damit auch der Kunst ist sofort
mit dem Beginne des Krieges und zwar mit einer
Einstimmigkeit und Zuversicht ausgesprochen
worden, daß die Frage nach den „zureichen-
den Gründen" nicht unberechtigt erscheinen
kann. Die kulturellen und künstlerischen Ent-
wicklungen der Jahre nach dem Kriege 1870/71,
besonders die unmittelbar folgenden, hätten
eigentlich gerade das Gegenteil veranlassen
sollen. Denn das Gesicht dieser Epoche der
70 er und 80 er Jahre hat zweifellos soviel ab-
stoßendes an sich, daß man nicht gerade er-
mutigt werden könnte, von dem Krieg „als
Erneuerer" überhaupt viel zu erwarten. Wenn
man nun diesmal von Anfang an auf den Zer-
störer und Vernichter Krieg doch auch große
Hoffnungen gesetzt hat, so lag das offenbar an
der Erkenntnis, daß wir damals (August 1914)
an der Wende einer neuen Zeit standen, daß
da ein Geschehen einsetzte, das umwälzende
Änderungen auf allen Gebieten mit sich ziehen
müsse und daß die plötzlichen Offenbarungen
seither schlummernder Kräfte nicht wieder ver-
schwindenkönnen. Diesemmehr gefühlsmäßigen
Eindruck hat die nachfolgende lange Zeit der

Kriegsspanne ja auch in der Tat Recht gegeben.
Der wie immer gestaltete Ausgang dieses Krieges
wird uns vor eine neue Umwelt stellen und eine
andere Einstellung auf dieselbe von uns ver-
langen. Es genügt diese Tatsache festzustellen;
denn eine Aufzählung der heute kaum überseh-
baren Umwälzungen vielseitigster Art würde
über die f undamentaleNeugestaltung doch nichts
aussagen — oder vielmehr aussagen können.
L

Eine neue Zeit — bringt eine neue Kultur
mit Notwendigkeit mit sich. Darüber wird sich
vernünftigerweise nicht streiten lassen. Es fragt
sich nur, ob es nicht möglich sein wird, auf die
Formung einzuwirken.

Diese Frage läßt sich^kdurchaus bejahen,
wenn es auch zu den falschen sentimentalischen
Anschauungen gehört, als ob Kunst oder Stil
etwas „gewordenes", „unbewußtes" wären.
Ein Blick auf die Stilgeschichte zeigt, daß ein-
zelne Epochen derselben wie etwa Barock oder
Empire geradezu auf Befehl entstanden sind,
und daß andere wie Gotik oder Renaissance
zum mindesten den Willensakten nichtkünstle-
rischer Kreise ihr Entstehen verdanken. Von
den vielseitigen äußeren und inneren Ursachen
 
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