88 II. Abschnitt: Leukas, das homerische Ithaka. (W. Dörpfeld)
gegenüberliegenden Küste des Festlandes ist erst erkannt worden, als der Kompass
erfunden war und mit seiner Hilfe richtigere Karten gezeichnet werden konnten.
Damit der Leser sich selbst von der Richtigkeit dieser für die Ithaka-Frage so
wichtigen Beobachtung von Partsch überzeugen kann, gebe ich auf Tafel 17 ein Stück
aus der Weltkarte des Claudius Ptolemaeus aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. (nach
Kiepert, Formae orbis antiqui, Tafel 35) und ferner auf Tafel 18 ein Stück aus der
Karte des Sophianos aus dem 16. Jahrhundert. Die letztere Karte entnehme ich dem
Werke meines Freundes Hiller von Gaertringen über „Thera".
Während die Karte des Ptolemaeus uns nur im allgemeinen die westliche Richtung
der Festlandsküste vom korinthischen G-olf bis Kerkyra erkennen lässt und zugleich
auch die falsche Richtung Italiens und der Adria, gibt uns die mittelalterliche Karte
neben der ersteren Tatsache, die hier besonders deutlich hervortritt, auch Einzelheiten
über die Gestalt der jonischen Inseln und über ihre Lage zueinander. Dabei bemerken
wir bei der Insel Leukas sofort eine vollständige Verzerrung ihrer Gestalt, die teils
darauf zurückzuführen ist, dass durch die Verschiebung von Kerkyra und Leukas
nach Süden alle nordsüdlichen Abmessungen der Insel verkürzt worden sind, teils
darauf, dass das Kap Dukato offenbar möglichst nach Westen gerichtet ist; dies liegt
hier fast westlich von der Stadt Leukas, während es sich in Wirklichkeit fast südlich
befindet. Durch die Verschiebung ist auch Kephallenia viel zu nahe an Kerkyra heran-
gekommen und daher ist Leukas auf dieser Karte nicht die westlichste Insel, sondern
die nördlichste.
Ein für die antiken Schriftsteller richtigeres Bild der jonischen Inseln und ihrer
Lage zueinander und zum Festlande erhalten wir, wenn wir die richtige Karte, wie
sie durch Messungen jetzt festgestellt ist, soweit drehen, dass die Küstenlinie von
Akarnanien und Epirus eine fast westliche Richtung erhält. Das habe ich auf unserer
Tafel 19 getan, auf der die vier Inseln des Odysseus in ihrer wirklichen Gestalt und
Lage gezeichnet sind, aber in der falschen Orientierung des Altertums, die um 45 bis
60 Grad von der wirklichen abweicht. Diese Tafel muss jeder vor Augen haben, der
die Angaben Homers und der anderen Schriftsteller über die jonischen Inseln und
Akarnanien mit der Wirklichkeit vergleichen will.
Es verdient hier darauf hingewiesen zu werden, dass der General Rühle von Lilien-
stern seiner Schrift „Ueber das Homerische Ithaka" (1832), die ich im I. Abschnitt
erwähnte, schon eine ähnliche Karte mit veränderter Nordlinie beigegeben hat. Er
hatte, wie es scheint, noch keine Kenntnis von der falschen Orientierung der Alten
in Bezug auf die jonischen Inseln, sondern lediglich aus dem Homer eine solche Karte
erschlossen, indem er (S. 59) zwischen den Theorien von Völcker und dessen Gegnern
zu vermitteln suchte.
Bevor wir unsere Karte auf Tafel 19 benutzen, um nach ihr das homerische Ithaka
zu bestimmen, wollen wir noch an zwei Beispielen zeigen, dass diese Karte mit ihrer
unrichtigen Orientierung auch für Homer gilt. Eigentlich brauchte das nicht erst
bewiesen zu werden. Denn wenn das ganze Altertum und selbst noch das Mittelalter
irrtümlich glaubten, dass Kerkyra westlich vom korinthischen Meerbusen läge, so
gegenüberliegenden Küste des Festlandes ist erst erkannt worden, als der Kompass
erfunden war und mit seiner Hilfe richtigere Karten gezeichnet werden konnten.
Damit der Leser sich selbst von der Richtigkeit dieser für die Ithaka-Frage so
wichtigen Beobachtung von Partsch überzeugen kann, gebe ich auf Tafel 17 ein Stück
aus der Weltkarte des Claudius Ptolemaeus aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. (nach
Kiepert, Formae orbis antiqui, Tafel 35) und ferner auf Tafel 18 ein Stück aus der
Karte des Sophianos aus dem 16. Jahrhundert. Die letztere Karte entnehme ich dem
Werke meines Freundes Hiller von Gaertringen über „Thera".
Während die Karte des Ptolemaeus uns nur im allgemeinen die westliche Richtung
der Festlandsküste vom korinthischen G-olf bis Kerkyra erkennen lässt und zugleich
auch die falsche Richtung Italiens und der Adria, gibt uns die mittelalterliche Karte
neben der ersteren Tatsache, die hier besonders deutlich hervortritt, auch Einzelheiten
über die Gestalt der jonischen Inseln und über ihre Lage zueinander. Dabei bemerken
wir bei der Insel Leukas sofort eine vollständige Verzerrung ihrer Gestalt, die teils
darauf zurückzuführen ist, dass durch die Verschiebung von Kerkyra und Leukas
nach Süden alle nordsüdlichen Abmessungen der Insel verkürzt worden sind, teils
darauf, dass das Kap Dukato offenbar möglichst nach Westen gerichtet ist; dies liegt
hier fast westlich von der Stadt Leukas, während es sich in Wirklichkeit fast südlich
befindet. Durch die Verschiebung ist auch Kephallenia viel zu nahe an Kerkyra heran-
gekommen und daher ist Leukas auf dieser Karte nicht die westlichste Insel, sondern
die nördlichste.
Ein für die antiken Schriftsteller richtigeres Bild der jonischen Inseln und ihrer
Lage zueinander und zum Festlande erhalten wir, wenn wir die richtige Karte, wie
sie durch Messungen jetzt festgestellt ist, soweit drehen, dass die Küstenlinie von
Akarnanien und Epirus eine fast westliche Richtung erhält. Das habe ich auf unserer
Tafel 19 getan, auf der die vier Inseln des Odysseus in ihrer wirklichen Gestalt und
Lage gezeichnet sind, aber in der falschen Orientierung des Altertums, die um 45 bis
60 Grad von der wirklichen abweicht. Diese Tafel muss jeder vor Augen haben, der
die Angaben Homers und der anderen Schriftsteller über die jonischen Inseln und
Akarnanien mit der Wirklichkeit vergleichen will.
Es verdient hier darauf hingewiesen zu werden, dass der General Rühle von Lilien-
stern seiner Schrift „Ueber das Homerische Ithaka" (1832), die ich im I. Abschnitt
erwähnte, schon eine ähnliche Karte mit veränderter Nordlinie beigegeben hat. Er
hatte, wie es scheint, noch keine Kenntnis von der falschen Orientierung der Alten
in Bezug auf die jonischen Inseln, sondern lediglich aus dem Homer eine solche Karte
erschlossen, indem er (S. 59) zwischen den Theorien von Völcker und dessen Gegnern
zu vermitteln suchte.
Bevor wir unsere Karte auf Tafel 19 benutzen, um nach ihr das homerische Ithaka
zu bestimmen, wollen wir noch an zwei Beispielen zeigen, dass diese Karte mit ihrer
unrichtigen Orientierung auch für Homer gilt. Eigentlich brauchte das nicht erst
bewiesen zu werden. Denn wenn das ganze Altertum und selbst noch das Mittelalter
irrtümlich glaubten, dass Kerkyra westlich vom korinthischen Meerbusen läge, so