vielfältiger Konstruktion, durch das die alten Meister bezauberten, die in un-
gemeinem Variieren und Stufen infolge traditionierter Häufung der Mittel
Wissen und Komposition verbargen. Die Jungen waren primitiv; man hatte
genug von psychologisch nuanciertem Individualismus.
Primitivität bezeugt oft Mangel an langem Atem, man beendet rasch; nicht
immer ist sie Zeichen des Beginns, sondern Merkmal, daß vieles mechanisiert
ist, so daß man nur noch seltene oder sensationelle Momente aufzeigt. Die
jungen Deutschen eilten, schnell überraschendes Erfinden zu umreißen; denn
nicht nur das Technische galt, vor allem ein dichtend pathetisches Fühlen und
Bedeuten, das jede Form ins Ungemeine ziehen wollte. Dies Poetische verführt
oft zu einer Monumentalität, die noch des notwendigen Formvorrats ermangelt.
Die Einfachheit dieser Beginner bewältigte nicht genug, und oft schwankte
man zwischen kunstgewerblicher Umschreibung, dem stilisierten Objekt und
freier Vorstellung. Man ging auf breite Dekoration, doch die Mauern fehlten,
um praktische Erfahrung zu ermöglichen, um tiefe Räume mit flächiger
Malerei zu erwidern, Farbigkeit zu regeln und ausklingen zu lassen.
Man malte und dichtete ins Bild die überdrängende Empfindung, verein-
fachte farbig. Empfindung riß fort, und jünglinghaft schnellte man zu etwas
leichter Formulierung, schwankte zwischen Tektonik und poetisierend'em Ge-
fühl. Man war in idealisierender Idyllik gefangen, welche eine vielfältige Gegen-
wart, den aktuellen Menschen, kaum faßte und seelisch allzu harmlos und
simpel agierte. Die Maler waren zwischen Lyrik und Natur gestellt; es war un-
klar, ob eine gültige Verbindung zwischen beiden gefunden oder welch ver-
einzelter Moment siegen würde.
Die nach verschiedenen Zielen eilenden Kunststrebungen, die man mit dem
billigen, leeren Wort ,,Expressionismus“ einfangen will, waren in Literatur
und Philosophie vorbereitet. In jener stellten wir die Folge fast eigengesetz-
licher Zeichen fest, die in sich equilibrierten. Das einzelne Wirklichkeits-
moment wird freier Sinnfolge eingefügt, die anderes als Wirklichkeitsbestand
aussagt; das Einzelne wird durch das Gesamt der Komposition verwandelt,
die von einer diktatorisch wählenden und umbildenden Empfindung oder
Anschauung beherrscht wird. Die Natur wird in der Reihe der Zeichen zur
Metapher verdunstet. Dies Auf dringen unbefragter, als Letztes oder „Ab-
solutes“ auftretender Intuition beachtet man auch in der Philosophie. Die
vielfachen Versuche zur Mystik zeigen gleiche Flucht vor der erfahrungs-
geteilten Welt in eine nicht mehr teilbare, freie Einheit, die gänzlich dem
nackten, leeren Geist angehört; metaphysische Archaismen. Die Welt wird auf
ein Minimum gebracht, und wie in der Theologie ließe sich von negativer Malerei
sprechen; es bezeugt die menschliche Armut, daß eigenes subjektives Wachs-
tum meist mit erheblichen Verlusten gebüßt wird. Diese „Einfachheit“ neuerer
Bilder erklärt sich wohl aus der Konzentration auf eine bestimmte Vorstellung,
aus einem Sammeln der Kräfte auf eine Einheit, so daß man für das außerhalb
der Vorstellung Liegende anästhesiert wird. Man wird durch die eigene Intuition
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gemeinem Variieren und Stufen infolge traditionierter Häufung der Mittel
Wissen und Komposition verbargen. Die Jungen waren primitiv; man hatte
genug von psychologisch nuanciertem Individualismus.
Primitivität bezeugt oft Mangel an langem Atem, man beendet rasch; nicht
immer ist sie Zeichen des Beginns, sondern Merkmal, daß vieles mechanisiert
ist, so daß man nur noch seltene oder sensationelle Momente aufzeigt. Die
jungen Deutschen eilten, schnell überraschendes Erfinden zu umreißen; denn
nicht nur das Technische galt, vor allem ein dichtend pathetisches Fühlen und
Bedeuten, das jede Form ins Ungemeine ziehen wollte. Dies Poetische verführt
oft zu einer Monumentalität, die noch des notwendigen Formvorrats ermangelt.
Die Einfachheit dieser Beginner bewältigte nicht genug, und oft schwankte
man zwischen kunstgewerblicher Umschreibung, dem stilisierten Objekt und
freier Vorstellung. Man ging auf breite Dekoration, doch die Mauern fehlten,
um praktische Erfahrung zu ermöglichen, um tiefe Räume mit flächiger
Malerei zu erwidern, Farbigkeit zu regeln und ausklingen zu lassen.
Man malte und dichtete ins Bild die überdrängende Empfindung, verein-
fachte farbig. Empfindung riß fort, und jünglinghaft schnellte man zu etwas
leichter Formulierung, schwankte zwischen Tektonik und poetisierend'em Ge-
fühl. Man war in idealisierender Idyllik gefangen, welche eine vielfältige Gegen-
wart, den aktuellen Menschen, kaum faßte und seelisch allzu harmlos und
simpel agierte. Die Maler waren zwischen Lyrik und Natur gestellt; es war un-
klar, ob eine gültige Verbindung zwischen beiden gefunden oder welch ver-
einzelter Moment siegen würde.
Die nach verschiedenen Zielen eilenden Kunststrebungen, die man mit dem
billigen, leeren Wort ,,Expressionismus“ einfangen will, waren in Literatur
und Philosophie vorbereitet. In jener stellten wir die Folge fast eigengesetz-
licher Zeichen fest, die in sich equilibrierten. Das einzelne Wirklichkeits-
moment wird freier Sinnfolge eingefügt, die anderes als Wirklichkeitsbestand
aussagt; das Einzelne wird durch das Gesamt der Komposition verwandelt,
die von einer diktatorisch wählenden und umbildenden Empfindung oder
Anschauung beherrscht wird. Die Natur wird in der Reihe der Zeichen zur
Metapher verdunstet. Dies Auf dringen unbefragter, als Letztes oder „Ab-
solutes“ auftretender Intuition beachtet man auch in der Philosophie. Die
vielfachen Versuche zur Mystik zeigen gleiche Flucht vor der erfahrungs-
geteilten Welt in eine nicht mehr teilbare, freie Einheit, die gänzlich dem
nackten, leeren Geist angehört; metaphysische Archaismen. Die Welt wird auf
ein Minimum gebracht, und wie in der Theologie ließe sich von negativer Malerei
sprechen; es bezeugt die menschliche Armut, daß eigenes subjektives Wachs-
tum meist mit erheblichen Verlusten gebüßt wird. Diese „Einfachheit“ neuerer
Bilder erklärt sich wohl aus der Konzentration auf eine bestimmte Vorstellung,
aus einem Sammeln der Kräfte auf eine Einheit, so daß man für das außerhalb
der Vorstellung Liegende anästhesiert wird. Man wird durch die eigene Intuition
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