das Verneinen des subjektiven Bildens ein, man versucht vielleicht vermittels
eines politischen Standpunkts die Einordnung ins Gesellschaftliche und löst sich
aus der Isoliertheit des subjektiv Imaginativen, das den Ärmeren nur allzu enge
Bewegung gewährte. Man wünscht Normalisierung um jeden Preis und ver-
traut hilflos der handfesten Wirklichkeit —- kurzum, man gerät zum fest-
stellenden Reporter.
Man war der beschreibenden Farbe müde geworden und suchte einen in sich
gerechtfertigten, freien Bildaufbau. Die Farbigkeit der deutschen Expres-
sionisten ist lyrisches Mittel, ihre Wahl wird gefühlsam getroffen, wobei der
Instinkt durch die Erfahrung der komplementären Farben gestützt wird. Man
gab breite Flächen, und mit der flächenhaften Einordnung des Motivs fügte
sich die deutsche Malerei dem europäischen Sehen um 1908 ein. Man ist der
dekorativen Flächenteilung der Pariser Fauves nahe. Man reagierte gegen die
analytische Pinselführung, suchte ruhig geklärte Form. Etwas wie ein Platonis-
mus, in dem man Erscheinung auf ein dauerndes Gesamt farbiger Vorstellung
zurückführt. Größe des Schauens wurde versucht, die dem weniger Begabten
schnell zu kunstgewerblicher Dekoration geriet, zumal durch häufige An-
wendung weniger komplementärer Farben das Bild leicht mechanisiert wurde.
Die Abtrennung der großen Farbflächen bewirkt weitgreifende flächige Orna-
mentik, welche die gegebene Form kalligraphisch verdeutlicht. Gefahr drohte,
daß bei der Ablehnung des Details diese Bilder zu rasch durchschaut waren,
wenn nun nicht tatsächlich eine neue Raumstruktur und neue, seelische Be-
zirke erschlossen wurden. Doch bei dieser imaginativen Verengung und Ein-
schränkung des äußeren Motivs war etwas wie eine Möglichkeit zu farbiger
Übereinkunft eröffnet, wobei die Gefahr automatischer Farbigkeit oder toter
Flächen drohte. Der Widerstand des Motivs war vermindert, da man der
Stufung im Streben nach klaren, weiten Flächen kaum bedurfte. Kunst er-
schien als ein Mittel, den Menschen in die Mitte zu stellen. Der Mensch paßte
sich nicht der Natur an, aus ihr wurde bewußt nur das gewählt, was dem
Empfinden entsprach. Man möchte sich an Kantisches oder noch mehr an
Nietzsches subjektiv lyrisches Übermenschentum, diesen mißglückten Versuch
zu Monumentalität, erinnern. Ekstatisch bestätigte man den alten Glauben,
daß Form und Farbe vom Menschen kommen. Manche eilten zu einem roman-
tisch-ironischen Dualismus, woraus Groteske (Mißverhältnis von Vorstellung
und Wirklichkeit) entspringt, andere suchten in nacktem Ichgeschehen traum-
hafte. Formen.
Man fängt die Erscheinung oft in Ornamente, die Komposition und Ein-
ordnung in die Malfläche verbürgen sollen. Diese flächenhafte Kalligraphie
kennt man von Munch, besonders seinen Finoleum- und Holzschnitten. Diese
Ornamentik barg die Anfänge späterer Bildgeometrie, die zunächst ahnend
oder kunstgewerbelnd begonnen, dann tektonischer, rationaler wurde. Solche
Entwicklungen beobachtet man z. B. an Schmidt-Rottluff und Kandinsky.
Diese primitiven Beginner gaben ihren Arbeiten nicht das Cache verborgener
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eines politischen Standpunkts die Einordnung ins Gesellschaftliche und löst sich
aus der Isoliertheit des subjektiv Imaginativen, das den Ärmeren nur allzu enge
Bewegung gewährte. Man wünscht Normalisierung um jeden Preis und ver-
traut hilflos der handfesten Wirklichkeit —- kurzum, man gerät zum fest-
stellenden Reporter.
Man war der beschreibenden Farbe müde geworden und suchte einen in sich
gerechtfertigten, freien Bildaufbau. Die Farbigkeit der deutschen Expres-
sionisten ist lyrisches Mittel, ihre Wahl wird gefühlsam getroffen, wobei der
Instinkt durch die Erfahrung der komplementären Farben gestützt wird. Man
gab breite Flächen, und mit der flächenhaften Einordnung des Motivs fügte
sich die deutsche Malerei dem europäischen Sehen um 1908 ein. Man ist der
dekorativen Flächenteilung der Pariser Fauves nahe. Man reagierte gegen die
analytische Pinselführung, suchte ruhig geklärte Form. Etwas wie ein Platonis-
mus, in dem man Erscheinung auf ein dauerndes Gesamt farbiger Vorstellung
zurückführt. Größe des Schauens wurde versucht, die dem weniger Begabten
schnell zu kunstgewerblicher Dekoration geriet, zumal durch häufige An-
wendung weniger komplementärer Farben das Bild leicht mechanisiert wurde.
Die Abtrennung der großen Farbflächen bewirkt weitgreifende flächige Orna-
mentik, welche die gegebene Form kalligraphisch verdeutlicht. Gefahr drohte,
daß bei der Ablehnung des Details diese Bilder zu rasch durchschaut waren,
wenn nun nicht tatsächlich eine neue Raumstruktur und neue, seelische Be-
zirke erschlossen wurden. Doch bei dieser imaginativen Verengung und Ein-
schränkung des äußeren Motivs war etwas wie eine Möglichkeit zu farbiger
Übereinkunft eröffnet, wobei die Gefahr automatischer Farbigkeit oder toter
Flächen drohte. Der Widerstand des Motivs war vermindert, da man der
Stufung im Streben nach klaren, weiten Flächen kaum bedurfte. Kunst er-
schien als ein Mittel, den Menschen in die Mitte zu stellen. Der Mensch paßte
sich nicht der Natur an, aus ihr wurde bewußt nur das gewählt, was dem
Empfinden entsprach. Man möchte sich an Kantisches oder noch mehr an
Nietzsches subjektiv lyrisches Übermenschentum, diesen mißglückten Versuch
zu Monumentalität, erinnern. Ekstatisch bestätigte man den alten Glauben,
daß Form und Farbe vom Menschen kommen. Manche eilten zu einem roman-
tisch-ironischen Dualismus, woraus Groteske (Mißverhältnis von Vorstellung
und Wirklichkeit) entspringt, andere suchten in nacktem Ichgeschehen traum-
hafte. Formen.
Man fängt die Erscheinung oft in Ornamente, die Komposition und Ein-
ordnung in die Malfläche verbürgen sollen. Diese flächenhafte Kalligraphie
kennt man von Munch, besonders seinen Finoleum- und Holzschnitten. Diese
Ornamentik barg die Anfänge späterer Bildgeometrie, die zunächst ahnend
oder kunstgewerbelnd begonnen, dann tektonischer, rationaler wurde. Solche
Entwicklungen beobachtet man z. B. an Schmidt-Rottluff und Kandinsky.
Diese primitiven Beginner gaben ihren Arbeiten nicht das Cache verborgener
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