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Zweites Kapitel.

Nephthys und setzten sich als zwei Raubvögel auf seinen Kopf,
als er an seinem Kopfe litt. Nach anderer Meinung sind es
die beiden großen Schlangen, die an der Stirn des Atum sind.
Nach anderer Meinung sind es seine beiden Augen.... An
einer andern Stelle sagt der Tote von sich: ich war gestern
und kenne das Morgen, was natürlich nur bedeutet, daß
es für ihn als Gott keine Zeit gibt. Der Kommentar aber weiß,
daß mit gestern Osiris gemeint ist und mit morgen Re. Man
sieht, wes Geistes Kinder diese Theologen waren.
Ungleich merkwürdiger noch als dieser Kommentar ist
ein anderer, den das spätere Ägypten als ein ehrwürdiges
Denkmal uralter Weisheit verehrte und der uns dadurch
erhalten ist, daß der äthiopische König Schabaka 31) um
720 v. Chr. seine Reste auf einen Basaltblock im Tempel
von Memphis eingraben ließ. Das Buch war in diesem Tempel
entstanden und bemühte sich dementsprechend nachzu-
weisen, daß der dortige Gott Ptah der Grund aller Dinge sei.
Dabei wurden zwar die Neunheit von Heliopolis und die dortige
Sage von der Entstehung der Welt äußerlich anerkannt,
aber alles ward seltsam gewendet. Was sich von dieser dunklen
und schwerfällig ausgedrückten Weisheit verstehen läßt, ist
in der Hauptsache etwa folgendes. Ptah existierte zuerst,
denn er war ja, wie wir oben (S. 20) gesehen haben, das
Urwasser Nun, in dem der Sonnengott Atum entstanden
war. Acht Formen seiner Gottheit, die den verschiedenen
Götterbildern und Kapellen in Memphis entsprochen haben
werden, waren aus Ptah entstanden, so der Ptah auf dem
großen Throne, Ptah der Ozean, Ptah der große. Sie bilden
mit ihm zusammen eine Neunheit und sie sind die eigentlichen
Schöpfer der Welt. Der eine Ptah ist der Vater des Atum,
der andere Ptah ist die Mutter, die Atum gebar, also die
Himmelsgöttin, ein dritter Ptah ist Herz und Zunge der
Neunheit. Dieser letztere Gedanke wird dann ausgesponnen,
und wir lernen, daß dieses Wesen, Herz und Zunge, auch ein
Teil des Atum ist und zugleich auch niemand anderes als
Horus und Thoth. Herz und Zunge aber sind das Haupt-
stück jedes Leibes und das Hauptstück jedes Mundes, für
alle Götter und alle Menschen und alles Vieh und alles Gewürm,
denn wenn die Augen sehen, die Ohren hören, die Nase atmet,
so führen sie (das Auf genommene) zum Herzen hinauf und
das faßt dann Beschlüsse, die die Zunge ausspricht. So ist
denn auch alles, was Atum durch seinen Befehl schafft und
einrichtet, von jenem Herzen und jener Zunge, d. h. von
Horus und Thoth erdacht und ausgesprochen, und da die ja

31) Vgl. Breasteds Veröffentlichung (the philosophy of a Memphite
priest) Ägypt. Zeitschr. 39,39; in der Auffassung weiche ich von ihm ab.
 
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