Allgemeine Lage der bildenden Kunst.
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günstig. Die reine Lehre Jesu und die höhere Anwartschaft
ilnd Stellung im Bereiche des Erschaffenen, welche sie der
Menschheit anweist, sind zwar geeignet, auch das Abbild
der letzteren in der Kunst auf eine höhere Stufe zu erheben,
und durch die Denkmäler der ersten christlichen Jahrhunderte
geht auch wirklich selbst auf dem Grunde eines gänzlichen
Verfalles aller Technik ein Zug solch erhöhten Bewusstseins.
Aber die Kirche des Mittelalters war weit entfernt, davon
ihren Ausgang zu nehmen, ja selbst nur dahin ihre nächsten
Strebungen zu lenken. Ihr war die Menschheit eine ab-
gefallene, unhcilige, unberechtigte; Furcht und Zittern rief
sie hervor statt der Lust und dem Wohlgefallen am eigenen
Dasein, das selbst auch im Bilde sich gern wiedersieht und
den alleinigen Grund und Boden bildet, auf dem die Kunst
naturgemäßes Gedeihen findet. Betrachten wir zwar den
damaligen Zustand der Menschheit, auf der einen Seite die
nach allen. Richtungell hin faul gewordene Bevölkerung des
römischen Reiches, für die es die höchste Zeit war, vom
Schauplatz abzutreten, auf der anderen die zwar sehr bil-
dungsfähigen, aber noch ganz ungebildeten germanischen
Stämme, die nun von der Geschichte als Träger ihrer wei-
teren Zwecke aufgerufen wurden, so mußte es freilich als
höchst unzweckmäßig erscheinen, hätte die Kirche schon von
den: Begriffe einer höheren Menschheit ausgehen wollen. Ja
es war dies nicht möglich, denn die damalige Menschheit
selbst war es doch, die aus dem neugebotenen Schatze des
Christenthnms für ihr Begreifen die Anschauungen auswählte.
Es galt zunächst nur, die rohe Naturgewalt zu bändigen
und ihr überhaupt eine Richtung auf das Geistige zu geben.
Gleichwohl bot diese Nothwendigkeit kein Element für die
Entfaltung künstlerischer Thätigkeit, und bei der verneinenden
Anschauung des ganzen Zeitalters würde diese wohl über-
haupt keine Nahrung gefunden haben, wenn nicht eine Aus-
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günstig. Die reine Lehre Jesu und die höhere Anwartschaft
ilnd Stellung im Bereiche des Erschaffenen, welche sie der
Menschheit anweist, sind zwar geeignet, auch das Abbild
der letzteren in der Kunst auf eine höhere Stufe zu erheben,
und durch die Denkmäler der ersten christlichen Jahrhunderte
geht auch wirklich selbst auf dem Grunde eines gänzlichen
Verfalles aller Technik ein Zug solch erhöhten Bewusstseins.
Aber die Kirche des Mittelalters war weit entfernt, davon
ihren Ausgang zu nehmen, ja selbst nur dahin ihre nächsten
Strebungen zu lenken. Ihr war die Menschheit eine ab-
gefallene, unhcilige, unberechtigte; Furcht und Zittern rief
sie hervor statt der Lust und dem Wohlgefallen am eigenen
Dasein, das selbst auch im Bilde sich gern wiedersieht und
den alleinigen Grund und Boden bildet, auf dem die Kunst
naturgemäßes Gedeihen findet. Betrachten wir zwar den
damaligen Zustand der Menschheit, auf der einen Seite die
nach allen. Richtungell hin faul gewordene Bevölkerung des
römischen Reiches, für die es die höchste Zeit war, vom
Schauplatz abzutreten, auf der anderen die zwar sehr bil-
dungsfähigen, aber noch ganz ungebildeten germanischen
Stämme, die nun von der Geschichte als Träger ihrer wei-
teren Zwecke aufgerufen wurden, so mußte es freilich als
höchst unzweckmäßig erscheinen, hätte die Kirche schon von
den: Begriffe einer höheren Menschheit ausgehen wollen. Ja
es war dies nicht möglich, denn die damalige Menschheit
selbst war es doch, die aus dem neugebotenen Schatze des
Christenthnms für ihr Begreifen die Anschauungen auswählte.
Es galt zunächst nur, die rohe Naturgewalt zu bändigen
und ihr überhaupt eine Richtung auf das Geistige zu geben.
Gleichwohl bot diese Nothwendigkeit kein Element für die
Entfaltung künstlerischer Thätigkeit, und bei der verneinenden
Anschauung des ganzen Zeitalters würde diese wohl über-
haupt keine Nahrung gefunden haben, wenn nicht eine Aus-