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4. Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- ^ A ^ m Erscheinen wöchentlich. Snbscriptionspreisfür

—^Handlungen, sowie von allenPostämternund denBandvon24Nummern3fl. 36 kr, R.-W.

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Drei Freier.

(Fortsetzung.)

Zo war der Freitag vor dem Neujahrtag 1702 herange-
kommen es war ein Jahr, seit Jsaac Laquedem als ausge-
plünderter Wanderer vor den Augen des Mousieur Flachs
in den drei Mohren aufgetaucht und wieder um die Dämmer-
ungsstunde. Aus dem großen Einfahrtsthore des Gasthauses
rollte die schwerfällige Reisekarosse des Admirals Van der
Decken. Wenige Augenblicke darauf kam der Oberstjägcrmeister
langsam sporenklirrend die Stiegen herunter, bestieg sein be-
reit gehaltenes Roß und ritt mit seinen Dienern davon,
desselben Weges, wie er gekommen. Jsaac Laquedem war
noch beschäftigt, dem Aufwärter den Betrag seiner letzten
Rechnung in blanken Goldstücken auszuzahlen; dem Aufwärter
— denn was Monsieur Flachs anging, so war der, seitdem
er sich von seinem hitzigen Fieber erholt, geistig nie recht
genesen, sondern tiefsinnig geworden und hielt sich theilnahm-
los an Allem, was vorging, in seiner Hinterstube eingeschlossen,
die er nicht mehr zu verlassen bewogen lverden konnte.

Endlich kam auch der armenische Prinz aus seinen Gemä-
chern. Er hatte seine Leute und Pferde durch das Gögginger
Thor vorausgesendet. In einen langen dunklen Mantel gehüllt,
verließ er die drei Mohren; sobald er aber von dem Gasthofe
aus nicht mehr gesehen werden konnte, änderte er die Richtung
seines Weges, wandte sich dem rothen Thurmthore zu und wan-
derte durch das letztere zur Stadt hinaus. Als er im Freien
angekommen war, schlug er einen Fußsteig ein, der über einen
weiten Weidegrund zu dem großen Stadtwalde führte, an dessen
Saum der Lech vorüberfließt. Nach einer Viertelstunde hatte
er eine Stelle erreicht, die man „die sieben Tische" nennt.
Hier stand eine gewaltige, mehrere hundert Jahre alte Eiche,
welcher der einsame Wanderer seine Schritte zulenkte. Als er

_ob. 2 Rtblr. EimelueNnmmern kosten 12 kr. oder 4 Sgr.

neben dem Baume war, löste sich ein Schatten von dem Stamme
los. Eine verhüllte Gestalt glitt heran, hing sich an den Arm
des Armeniers und schritt an seiner Seite in die Nacht hinein.

Die Gestalten der beiden Wandernden traten aus dem Dun-
kel der Waldung hinaus. Ein flaches unbegränztes Gefilde
lag vor ihnen, ohne Haus, ohne Baum, ohne Spur, daß je der
Schritt eines Menschen in diese Einöde gedrungen. Es war
das Lechfeld, über welches sie schritten. Im Osten hatte sich
die volle Mondesscheibe erhoben und warf die Schatten der
zwei Fußgänger weithin aus die Haide. Der Wind fuhr kalt
über die Fläche, mit leisem Sausen, als ob er sich ein stilles
Lied sänge in seiner Freude an der widerstandtosen, unend-
lichen Ebene, über die er sich tummeln durfte.

„Es istseltsam," sagte nach einer Weile die eine der beiden
Gestalten — es war Ulrike — „es ist seltsam, wir sind doch
unsrer zwei, der Mond aber wirft drei Schatten hinter uns!"

Der andre blickte um sich; er stieß leise einen Fluch aus.

„Du wirst Dich gewöhnen müssen an das Seltsame,"
versetzte Jsaac Laquedem dann zu Ulrike gewendet.

„Es ist," hob nach einer Weile wieder die Frau an, „als
führe der Wind mir einen starken Modergeruch zu."

„Das ist der Moder meines Gewandes."

„Weßhalb tragt Ihr ein solches Gewand, und einen plum-
pen Stab, der wie der Knittel eines Bauern ist?"

„Weßhalb —! weßhalb schwebt jene Mondesscheibe dort
empor — weßhalb pfeift der Wind durch diese Wachholder-
staude neben uns? Frag mich nie nach dent weßhalb. Es
gibt keine Antwort auf diese Frage."

„Wohin führt Ihr mich? wir schreiten in der Richtung
der Alpen fort; werden wir nach Tyrol kommen?"

„Weiter!"

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