Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einer für Alle.

„Mitbürger! Unsre Brüder in der Residenz haben der Sache
des Volkes den Sieg erfochten — ihre Errungenschaften ge-
hören auch uns. — Morgen werd' ich sie Euch feierlich ver-
künden. Es lebe das Volk!"

„Herr Fischer hoch!" antworteten mit Gebraus seine Frei-
gelassenen und Jubel war in Troja's Hallen — selbst unter
den Proletariern beim schwarzen Mohren.

Herr Fischer aber ließ es sich nicht nehmen, noch Angesichts
des Volks den Doktor zu umarmen. — ,,Herr — Sie sind mein
Retter, diese ergreifenden Worte haben mir das Schrecklichste
erspart — ich bin Ihr Schuldner!", so sprach der Dankbare.

Dorn war indessen schon beschäftigt, diese Schuld einzukas-
siren in Theodolindens freudigen, vielsagenden Blicken. Seit
den „letzten Tagen von Pompeji" war er ihr nicht mehr so
nahe gewesen und dies erste Wiedersehen sagte ihm bereits,
daß nicht alle seine Hoffnungen bei jenem gewaltigen Natur-
creigniffe verschüttet wurden.

Reben der Tochter frisch erblühter Gunst gewann der Glück-
liche aber auch die ganze Wohlgewogenheit des Vaters. Herr
Fischer meinte bereits am Morgen nach dem gefahrvollen Abende
begriffen zu haben, es sei jetzt nun einmal eine andere Zeit
gekommen und in diese muffe man sich finden. Auf seine Füg-
samkeit konnte er sich verlassen, doch bedurfte er ciner Nachhülfe
in den neuen Stichworten und Handgriffen — sein bisheriges
savoir faire eines treugehorsamst Ersterbenden hatte ihn gehin-
dert, im Comment des freien Staatsbürgerthums sich umzusehen.
Dorn wurde also geschickt erachtet, den Bürgermeister privatissims
zu revolutioniren. Ein begeisterter junger Mann, oer in der
Liedertafel die besten Reden hielt, in Würgers Tagblatt die
gelesensten Artikel schrieb und bereits auf einer Barrikade ge-
standen hatte, vermochte ihm sicherlich in der Volksthümlickikeit
bedeutenden Vorschub zu leisten. Schon bei der festlichen Aus-
rufung der neuen „Beweise väterlicher Gesinnungen und Huld",
oder auch „der vom Volke wiedereroberten Rechte" zog man das
„junge X." zu Rathe und es erschien in den ernsten Rathsstuben,
ohne auf den Zehen zu gehen, setzte sich dreist aus die Stühle
der Magistratsherrn und gab auch eine eigene Meinung zu
Protokoll. Die Jubelfeier gelang dafür ausgezeichnet, die Lieder-
tafler sangen zum ersten Male öffentlich: „Das ganze Deutsch-
land muß es sein!" und Herr Fischer zu Pferde, auf einem
sichern Thier, eine Schärpe um den Leib und eine Pleureuse
am Hut, umgeben von berittenen Ehrengarden, gab mit der
Papierrolle den Takt dazu. Roch am nämlichen Abende wurde
derselbe bereits sehr populär, er erschien in zwei bis drei Bier-
schenken, wo gewöhnlich die Pfahlbürger einkehrten und sprach
sehr unbefangen über die Herabsetzung des Bierpreises. Im
Casino wußte er täglich Dorn zu treffen, er zog ihn in's engste
Vertrauen, er gestand ihm sogar, daß im schwarzen Mohren
noch immer gegen ihn conspirirt werde, und oftmals nahm er
ihn mit sich nach Hause — „wo man offner reden könne" —
zu einer Suppe, zu einer Flasche Ausbruch — als seinen lieben,
sehr werthen Freund. Wenn er so leichthin seinen Arm in
den des Doktors legte und mit ihm durch die Straßen von X.
ging, ein Anblick, der selbst den schwarzen Mohrenwirth ein

59

menschliches Rühren fühlen ließ, da sagteer oft: „Im Grunde
genommen, war ich immer einer fteisinnigen Richtung zugethan.
Sie wiffen selbst, wie schwierig es aber unter dem alten Systeme
war, sie geltend zu machen. Ich kann Ihnen sagen, eben weil
ich als liberal bekannt war, wußte man meinen Eintritt in die
Kammer zu verhindern und nur die Künste des, Gott sei Dank,
abgeschafftcn Ministeriums hielten meinen ganz unfähigen Vor-
mann an seinem Platze."

Herr Fischer ward so in vier Wochen ein Mann, der sich
in die Zeit gefunden hatte. Alles hals bei, ihm diese Enthäu-
tung des alten vormärzlichen Menschen zu erleichtern, vor allem
Dorn und seine Theodolinde. Im Wonnegefühl, die Tochter
wieder gefunden zu haben, verhinderte es jener eifrigst, daß
sich der Vater nicht verliere in die altgewohnten Gleise einer
Zeit, nach der ihn in der Stille der Nacht seine Gattin seufzen
hörte. Bei einer der vertraulichen Abendsuppen, während der
Bürgermeister sich in die Frage vertiefte, ob er sich fürder im
Klub d. h. im Casino, Präsident oder Obmann nennen solle,
hatte der Doktor eine andere seiner Tochter zur Entscheidung
vorgelegt und eine Lösung erhalten, die ihn vollkommen befrie-
digte. Theodolinde hatte ihm ihr Herz bewahrt unter der Asche
von Pompeji und gab es ihm wieder in aller Pracht und Gluth
erster Liebe. Das junge Paar stand in der Fensternische, im

weichen Dämmerschein der Lampe, die Herrn Fischers gedanken-
reiche Mienen in's vollste Licht stellte und vervollständigte eben
die bisherigen Andeutungen ihrer Blicke niit Wort und Gebärde,
als der Amtsbote, von der schreckensblaffen Mama eingeführt,
in's Zimmer wankte, ein Schreiben überreichte und keuchte: |

8“
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Einer für Alle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fenster <Motiv>
Sessel
Paar <Motiv>
Hut <Motiv>
Karikatur
Umarmung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 248, S. 59

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen