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Einer für Alle.

(Fortsetzung.)

Es half nichts, diese theure Ueberzeugung ließ er sich nicht
rauben. Das Proletariat von X. wartete nur auf das Anrücken
der Pariser, um dann loszubrechen. Wie sich schützen, ohne
Militär, mit zwei Polizeidienern, welche beide selbst geborne
Proletarier waren und sicher zum Volke übergehen werden?

„Wir errichten eine Bürgerwehr!" rief der Doktor.

„Wir? — wo nehmen Sie die Bürger dazu her und dann
wer steht Ihnen gut, daß sie sich wehren?" zweifelte Herr Fischer.

„Lassen Sie mich machen — wir beschützen die Stadt vor
jedem Erceß —" sagte Jener.

„Jetzt entscheidet es sich, ob wir morgen die rothe Repu-
blik haben und den schwarzen Mohrenwirth als Robespierre —
meinte der Andre. — oder"

„Herrn Fischer als Bürgermeister." ergänzte in seinem Kopfe
der unbefangene Amtsbote.

Eine Stunde später hatte sich auf dem Rathhause schon ein
Häuflein Männer zusammengefunden,- zwanzig davon hatte Dorn
aus der Herberge der Liedertafler geholt. Etliche bewaffneten
sich mit großem Ernste, mit Vogelflinten und Galanteriedegen
— der Stadttambour. zum Allarmschlagen herbeigeholt, schlief
alsbald auf seiner Trommel in einem Winkel. Man schickte
Patrouillen durch die Straßen. Wieder eine Stunde später
meldete Dorn dem Bürgermeister: „Die Stadt ist ruhig und
auch im schwarzen Mohren ist soeben der letzte Stammgast, der
Wirth selbst, hinterm Ofen eingeschlafen." Herr Fischer hatte
sich erholt — er schob die Pistolen etwas beiseite, die am Tische
bereit lagen.

„Glauben Sie noch an ein Attentat — für heute Nacht?"

„Auch nicht für morgen früh" — versicherte der Doktor.

„So können wir ruhig schlafen?" fragte Theodolinde.

„Und süß träumen" — „der Sänger hält im Feld die
Fahnenwacht."

Ein Händedruck ward sein Lohn von der Tochter, ein Kuß
vom Vater — er hätte einen Tausch vorgezogen. Vor dem"
Hause saß er dann geduldig am Wehrstein, bis es graute, sang
Lindpaintners Lied und fror dabei. Oben träumte Theodolinde
romantische Träume und stündlich sah Herr Fischer aus dem
Fenster, ob die Wache unten noch am Posten. Beim Kaffee aber
sagte er zu Gattin und Kind: „Diese Schreckensnacht werd'
ich nie vergeffen. aber ebensowenig Doktor Dorn's Aufopferung!"

Die vierzigtausend Franzosen kamen wirklich nicht und ließen
sogar den Jxixern Zeit, ihre Bürgerwehr zu organisiren. Dorn
wurde Adjutant — Theodolinde beschenkte ihn mit einer Feld-
binde. Herr Fischer mit einem Ehrensäbel — in Bezugnahme
auf die Schreckensnacht. Der liebende junge Patriot und das
deutsche Volk setzten sich zugleich in's Maigrün und fingen
Schmetterlinge. Aus allen Rosenbüschen flogen Vögel herbei
und sangen von glücklichster Zukunft und von Erfüllung der
gewagtesten Wünsche. Für unfern Doktor erschien als solche
Nachtigall der Ministcrialrath Würger, als populärer Altliberaler
nun zum Staatsbootsmann berufen. Er bereiste die Provinzen,
um Stimmung und Wünsche des Volkes an der Quelle kennen
zu lernen. In X. kannte er sie genau, alle diese Quellen, von
der Weinstube zum goldnen Engel bis zum schwarzen Mohren.
Ueberall schöpfte er Wahrheit und bezahlte mit blendenden Zu-
sicherungen. Zu Herrn Fischer sprach er in Gegenwart des
Gemeinderathes und der Bürger-Offiziere: „Das Gesammt-

ministerium gewahrt mit hoher Genugthuung. wie gerade Ihre
Stadt. Herr Bürgermeister! den Anforderungen eines entwickel-
tern Staatslcbens mit Verständniß und Wärme sich anfchließt."
Dorn aber nannte er stets seinen jungen Freund, übertrug ihm
die Führung seines Jxer-Tagblattes und seiner Kanzlei und bei

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