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sich über vieux papa colonel und seine affreusen Inimeurs ver-
dientermaßen etwas lustig gemacht, und dabei, halb im Ernste,
halb plaisantaut, gedroht haben, ihn in ihre nächste für Adolph
Ritter von Tschabuschniggs wundervollen Almanaque: „Biel-
tiedchen" bestimmte sociale Romaneske — mit der ihr eigen-
thümlichen Plastik der Diktion gleichsam hinein photographiren
zu wollen, wie er leibt und lebt, und „sine ira et sine Studio“
wie Jules Cesare sagte, als er seine Oommentaires über die
französische Campagne dem Druck übergeben hatte. Und Das
war das arge Dilemma, das der schnöde Apfel des Haders,
den jene intrigante Eris in das öde Zelt des Peleus Gönöral
geschlendert hatte. Wie ingnoble und sich selbst compromit-
tirend aber vom ethischen, psychischen und conversationellen
Standpunkte ans diese Indignation des alten Sohnes des
Mars gewesen, — der, statt in jene rage mScbante, in eine
stillselige Extase hätte fallen sollen, wenn die vergängliche
Ruine seines Jchs von der Muse der Gegenwart mit einem
unvergänglichen Kranze von Rosen- und Immortellen festonirt
zu werden bestimmt war: Das glaube ich meinem — und
jedem andern intelligenten Herzen nicht erst bekräftigen zu
müssen. Doch die verhüllte Parze hatte es anders gesponnen.
Der alte General erklärte sich nach einer mehrstündigen Apo-
logie von meiner Seite, entschieden dahin, daß er Cathinken,
— (die er stets nach einer, wie mich bedünkt, südgermanisch-
plebejischen Mißstaltung ihres Namens „Kathi" zu nennen
pflegte, — was dem armen zartfühlenden Wesen allein schon
tausend Tränen, und Millionen schlaflos durchhärmter Nächte
gekostet hatte — nicht mehr als seine Nieye anerkennen wolle
und werde, sobald sie, wie es allen Anschein habe, ein „Blau-
strumpf" zu werden im Sinne führe, — ein Wort, in dessen
urplebejischer Mystik er die schnödeste, orthodox mißachtende
moquerie alles Geistes, aller höheren Begabung, aller und
jeder eigenen Manifestation einer weiblichen Seele conccntrirt
zu haben schien, die über die ennuyanten Ufer des bodenlosen
Stromes Alltäglichkeit, erhobenen Hauptes, selbstbewußt empor-
ragt. Cathinka, so sagte der Tyrann — habe nunmehr die
Wahl. Die Wahl!? c’est drole! Die Wahl zwischen einem
sterblichen Onkel und der unsterblichen Muse! Als ob es da
noch eine Wahl hätte geben können, zugegeben selbst noch,
daß Cathinka nur eine Persönlichkeit, durchaus aber kein

; Character war.-Doch —

i

Cathinka that, was sie nicht lassen konnte, —

Continuirend, was er schön begonnte,

Schwang in des blauen Aethers Gold-Azur
Ihr Geist sich auf; und tiefer tauchte er.

Und immer tiefer sich ins Rosen-Meer

Der äolsharfentön'gen Literatur

Im Blut des eignen Busens sich bespiegelnd,

Den Freibrief ihrer Priesterschaft besiegelnd,

Wand sie, im avant-gofit des fragen Ruhms,

Ums Haupt den Dornkranz sich des Märtyrthums! —

Ehe sie aber diese Resolution in den Redestoff der Materie
des Wortes zu Habilliren vermochte, sank sie mit einem uuar-
tikulirten, gellenden Laute aufs neue entseelt in meine Arme,

und von dem feinmousselinenen Unterärmel an ihrem apfel-
blüthenweißrosigen Elfenhändchen (welchem vom weiten Kreise
unserer Connaissan^e nur mein Handschuh allein nn pen zu
eng war) fiel das schönste ihrer drei superben Sentiments,
eine den äußersten Endpunkt ihres eigenen Jchs küssende
Schlange von Gold mit Rubinen-Augen, das Symbol der
öteinitö — klirrend vor ihren Füßchen nieder. Da lag sie
jetzt, entwurzelt von der fühllosen Hand des nordischen Co-
lonels, die zarte Blume des Ostens, bleich und zitternd, wie
Esmeralda's Ziege in meinen weichen Armen, die, wie wuch-
erndes Epheu einer Musen-Büste, sie liebend umrankten, —
sie, deren Gefühl von solch zarter Tiefe war, daß, wie sie
mir einst an einem elegischen Frühlingsabende, als wir eben
in die Oper fuhren, vertraute, selbst der Anblick des wolken-
losen, azurnen Himmelszeltes sie stets leise erröthen mache,
weil diese Wolkenlosigkeit ihr ja doch als — eine Nacktheit,
als eine Entblößung erscheinen müsse!

„Gut denn" — hörte ich den General mezza, vo§e noch

grollen, -— „gut denn, Du-"

(Hier folgten wiederum viele unaussprechliche Worte.)

„Gehe hin, junger Blaustrumpf, gehe hin zur Tante
Blumenflor, *) dem alten Blaustrumpf, und —"

(Wieder mehrerer Unaussprechliche.)

Und so geschah es! Der General hatte sich sein Urtheil
selbst gesprochen. „Mög' ihm sein Lohn nicht seine Strafe
werden." Von ihm konnte man sagen, wie der Philosoph von
Fernay von Frederique II: „II est poli et dur comme le
marbre!“ wenn auch in einem andern Sinne. Und dennoch
war aber auch Cathinka, — ich muß hier gerecht sein, —
kein Character, nur eine, wenn auch reizende Persönlichkeit.

IV.

Dimanche, den 21. September 1851 (drei Stunden vor Mitternacht).

Der Thee war servirt; ich hatte eben das siebenzehnte
Eapitel vom fünften Abschnitt des dritten Bandes meiner
„Parallellen zwischen der Ethik Spinoza's und den Sieben
Todsünden Eugen Sue's" halb zu Ende gelesen und in
einem lautlosen, beinahe dämonischen Schweigen des ganzen
auserlesenen cörcle die frappante Critiqne meines Werkes
erfahren; da erhob sich, aus langer träumerischer Ruhe
erwachend, die cedernschlanke Gestalt eines, als kühner
Tourist weitbekannten Löwen, der mir als Artbur Vicomte
| de Langueflöau von unserer aimablcn Wirthin, der schwe-
dischen Legationsräthin von Häringskiold war vorgestellt
worden, und richtete, in einem etwas emphatischen Tone,
der seinen von einem zimmetbraunen poile de jenes im

*) Jda von Blumenflor, nöe de Crinele, derzeit in Danzig
lebend, veröffentlichte pseudonym (als „Jda Fleuraison") in rascher
Folge siebzehn größere Romane, welche der Autorin, hätte ihre durchaus
subjective Empirie nicht zu viel darin Platz gegriffen, unbedingt einen
der ersten Plätze unter den novellistischen Celebritäten des letzten
Decenniums zusichern würde. A. d. Vers.

Patchouli oder des Onkels Wahn.
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