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Bkoderne Romantik
dir einen Verdienst zuwenden. Da ist vor einigen Tagen eine
junge vornehme Dame bei mir eingekehrt und hat mir aufge-
tragen, für einen zuverlässigen Mann zu sorgen, der stets be-
reit ist, spät Abends unter den Thurm der Burg zu fahren,
und einige Stücke auf einem Blasinstrumente blasen kann.
Nun weiß ich, daß du Postillon gewesen bist und dich gut auf
das Waldhorn verstehst; ich glaube, daß du der rechte Mann
bist. Du sollst das gut bezahlt bekommen; für jedes solche
kleine Concert würde sie dir durch mich sechs Kreuzer auszahlen
lassen und mitunter noch einen Schoppen dazu," Als ich zu-
sagte, meinte der Sternwirth weiter, daß die Dame ein gar
absonderliches Wesen und seltsame Gewohnheiten habe; sie
müsse weit her sein und ganz Wunderliches erlebt haben, woher
auch ihre Grillen rühren möchten. — Ich begann alsbald mit
meinen Concerten nach Vorschrift und fing die herabge-
worfenen Schleier auf. So viel ich ihrer Samstag aufweisen
kann, so viel sechs Kreuzerstücke bekomme ich ausgezahlt, —
Sehn s, gnädiger Herr, das weiß ich. Ich kann nicht weiter
dahinter kommen; es muß ein Gelübde, ein Verinächtniß oder
eine Erinnerung an einen geliebten Tobten im Spiele sein,"
„Hat er die Dame nie gesehen?" forschte Wolf weiter.
„Man sieht sie nie," versetzte der oi-clovaut Postillon, „sie
lebt in der größten Zurückgezogenheit und Verborgenheit, Mit
dein Frühling kommt sie, wie das Mädchen aus der Fremde,
und mit den Schwalben zieht sie wieder fort. Auch der Stern-
wirth hat mir versichert, daß er nicht viel inehr davon wisse,
als ich. Er sorge blos für die leiblichen Bedürfnisse der Dame
durch ihr Zimmermädchen, die die einzige Person sei, die immer
Zutritt zu dem geheimnißvollen Thuringemache habe. Er sei
ihr Zahlmeister, gleichsam ihr Minister des Auswärtigen, wie
er sich spaßhaft von der Politik her ausdrückte; das Ministerium
des Innern sei auch ihm verschlossen und er würde sich ein
Mißtrauensvotum von der Dame zuziehen, wenn er mit List
oder Gewalt tiefer in das absichtlich so tief gezogene Geheimniß
eindringen wollte, — Nun, was ich nicht weiß, macht mich
nicht heiß! — Was künimert's mich, ich verdiene mein Geld
rechtschaffen und damit Punktum!"
„Ein eigenes Wesen!" sagte Wolf; „gewiß ein außer-
ordentliches Weib mit einer wunderbaren Vergangenheit! —
Und kann Niemand genauere Auskunft geben? ich gäbe sonst
was darum,"
„Unmöglich; die Leute Haltens für einen Spuck und
sprechen nicht gern dovon,"
„Gibts aber gar keinen Weg, Näheres darüber zu erfahren ?"
forschte Wolf dringend weiter, da er nicht gesonnen war, das
Räthsel nur halb gelöst zu lassen. „Kann ich mich der Dame
nicht persönlich vorstellen, läßt sie gar Niemanden vor sich?"
„Je nun" — meinte der Schiffer gewichtig und nachdenk-
lich, als hätte er einen Gedanken,
„Wie? Was?" stotterte Wolf heraus,
„Hm! das iväre zu überlegen," murmelte der Schisser vor
sich hin, ohne das Drängen Wolfs zu bemerken,
„Nun, was meint er?" fragte Wolf rasch und klimperte
mit der Hand in der Tasche,
„Erlaubend, Sie scheinen vielen Muth zu haben —
„Was gehört für Unerschrockenheit dazu, einer fremden
Dame einen Besuch abzustatten?" versetzte Wolf verächtlich,
„ Weiter!"
„Nun, ich bin schon einmal oben bei ihr gewesen, um mir
einen kleinen Vorschuß an Geld zu holen. Es war des Abends, ,
wo sie höchstens zu sprechen wäre, wie der Sternwirth mir
vorher gesagt hatte. Die Dame kam verschleiert in den Vor-
saal heraus und gab mir schweigend, was ich verlangte. Ich
bedankte mich und ging. Ich könnte nun wieder einen ähnlichen
Borwand nehmen und ihr bei dieser Gelegenheit sagen, daß
ein vornehmer junger Herr ihr seine Aufwartung zu machen
wünsche, da er wichtige Mittheilungen zu machen habe. Viel-
leicht erlaubt sie es; Sie sind gleich bei der Hand und
so wird es gehen,"
„Vortrefflich!" entgegnete Wolf lebhaft; „Er soll mich
nicht karg finden; hier eine Kleinigkeit, der morgen mehr
folgen soll, wenn er mich hinaufgeführt hat,"
Er reichte ihm dabei einen von den fünfzig Friedrichsd'or,
die ihm Mama geschickt hatte mit dem Bemerken, er möge
dafür eine Erholungsreise machen, um sich zugleich inehr Welt-
gewandtheit und Erfahrung anzueignen. Er gab jetzt in der
freudigen Stimmung gern einen dieser Theuren hin, der ihm
den Weg zu dem Thurme bahnen sollte, in dem so tiefes und
zartes Geheimniß ivebte. — Und ist er nicht gut angewendet?
ging er sogleich mit seinem Gewissen zu Rathe, als sich der
Schiffer mit dem Versprechen entfernt hatte, ihn morgen Abends
am Fuße des Schloßberges zu erwarten. Gehört nicht Ge-
wandtheit und Muth dazu, etwas dieser Art auszuführen; und
werde ich nicht eine seltsame große Erfahrung dabei machen,
vielleicht über mein künftiges Lebensglück entscheidend? Selbst
Mama würde mir beistimmen, — Und welch ein anderer Mensch
bin ich geworden! Welche Kräfte und Mächte fühl ich in mir
wach und thätig! O, das muß der Anfang von noch Größerm
sein, das deutet auf wichtige Ereignisse!" —
Seine Phantasie war in zu aufgeregtem Zustande, um sich -
in die engen Ziminerivände einbannen zu lassen; er blieb noch
im Freien, Ein Rausch von Wonne kam über ihn, wenn er
vor sich sah, in die Zukunft mit dem unendlichen Glanz; es
war ihm, als hätte er erst seit gestern das Leben recht begriffen,
als sei seine Vergangenheit ein dumpfer schwerer Traum.
III.
Am andern Morgen erwachte unser Freund »nt einer Welt
von Glück, Hoffnung und himmlischer Idealen in seiner Brust,
Ein seliger Friede, eine reine heitere Stimmung war über ihn
gekommen, klar und hell, wie ein Waldsee. in dessen Grund
sich der Himmel spiegelt. Er öffnete das Fenster, reckte und
dehnte sich hinaus so weit und so lang, daß man hätte glauben
können, er mache einen Ansatz zum Fliegen wie ein Luftschiffer;
denn auch mit den Armen machte er eine dem Flügelschlage
und der Intention des Fliegens entsprechende Bewegung dabei;
beide Arme und Hände streckte er nämlich ausgebreitet vor sich
hin in die Höhe nach dem Thurme zu, als wolle er etwas
Bkoderne Romantik
dir einen Verdienst zuwenden. Da ist vor einigen Tagen eine
junge vornehme Dame bei mir eingekehrt und hat mir aufge-
tragen, für einen zuverlässigen Mann zu sorgen, der stets be-
reit ist, spät Abends unter den Thurm der Burg zu fahren,
und einige Stücke auf einem Blasinstrumente blasen kann.
Nun weiß ich, daß du Postillon gewesen bist und dich gut auf
das Waldhorn verstehst; ich glaube, daß du der rechte Mann
bist. Du sollst das gut bezahlt bekommen; für jedes solche
kleine Concert würde sie dir durch mich sechs Kreuzer auszahlen
lassen und mitunter noch einen Schoppen dazu," Als ich zu-
sagte, meinte der Sternwirth weiter, daß die Dame ein gar
absonderliches Wesen und seltsame Gewohnheiten habe; sie
müsse weit her sein und ganz Wunderliches erlebt haben, woher
auch ihre Grillen rühren möchten. — Ich begann alsbald mit
meinen Concerten nach Vorschrift und fing die herabge-
worfenen Schleier auf. So viel ich ihrer Samstag aufweisen
kann, so viel sechs Kreuzerstücke bekomme ich ausgezahlt, —
Sehn s, gnädiger Herr, das weiß ich. Ich kann nicht weiter
dahinter kommen; es muß ein Gelübde, ein Verinächtniß oder
eine Erinnerung an einen geliebten Tobten im Spiele sein,"
„Hat er die Dame nie gesehen?" forschte Wolf weiter.
„Man sieht sie nie," versetzte der oi-clovaut Postillon, „sie
lebt in der größten Zurückgezogenheit und Verborgenheit, Mit
dein Frühling kommt sie, wie das Mädchen aus der Fremde,
und mit den Schwalben zieht sie wieder fort. Auch der Stern-
wirth hat mir versichert, daß er nicht viel inehr davon wisse,
als ich. Er sorge blos für die leiblichen Bedürfnisse der Dame
durch ihr Zimmermädchen, die die einzige Person sei, die immer
Zutritt zu dem geheimnißvollen Thuringemache habe. Er sei
ihr Zahlmeister, gleichsam ihr Minister des Auswärtigen, wie
er sich spaßhaft von der Politik her ausdrückte; das Ministerium
des Innern sei auch ihm verschlossen und er würde sich ein
Mißtrauensvotum von der Dame zuziehen, wenn er mit List
oder Gewalt tiefer in das absichtlich so tief gezogene Geheimniß
eindringen wollte, — Nun, was ich nicht weiß, macht mich
nicht heiß! — Was künimert's mich, ich verdiene mein Geld
rechtschaffen und damit Punktum!"
„Ein eigenes Wesen!" sagte Wolf; „gewiß ein außer-
ordentliches Weib mit einer wunderbaren Vergangenheit! —
Und kann Niemand genauere Auskunft geben? ich gäbe sonst
was darum,"
„Unmöglich; die Leute Haltens für einen Spuck und
sprechen nicht gern dovon,"
„Gibts aber gar keinen Weg, Näheres darüber zu erfahren ?"
forschte Wolf dringend weiter, da er nicht gesonnen war, das
Räthsel nur halb gelöst zu lassen. „Kann ich mich der Dame
nicht persönlich vorstellen, läßt sie gar Niemanden vor sich?"
„Je nun" — meinte der Schiffer gewichtig und nachdenk-
lich, als hätte er einen Gedanken,
„Wie? Was?" stotterte Wolf heraus,
„Hm! das iväre zu überlegen," murmelte der Schisser vor
sich hin, ohne das Drängen Wolfs zu bemerken,
„Nun, was meint er?" fragte Wolf rasch und klimperte
mit der Hand in der Tasche,
„Erlaubend, Sie scheinen vielen Muth zu haben —
„Was gehört für Unerschrockenheit dazu, einer fremden
Dame einen Besuch abzustatten?" versetzte Wolf verächtlich,
„ Weiter!"
„Nun, ich bin schon einmal oben bei ihr gewesen, um mir
einen kleinen Vorschuß an Geld zu holen. Es war des Abends, ,
wo sie höchstens zu sprechen wäre, wie der Sternwirth mir
vorher gesagt hatte. Die Dame kam verschleiert in den Vor-
saal heraus und gab mir schweigend, was ich verlangte. Ich
bedankte mich und ging. Ich könnte nun wieder einen ähnlichen
Borwand nehmen und ihr bei dieser Gelegenheit sagen, daß
ein vornehmer junger Herr ihr seine Aufwartung zu machen
wünsche, da er wichtige Mittheilungen zu machen habe. Viel-
leicht erlaubt sie es; Sie sind gleich bei der Hand und
so wird es gehen,"
„Vortrefflich!" entgegnete Wolf lebhaft; „Er soll mich
nicht karg finden; hier eine Kleinigkeit, der morgen mehr
folgen soll, wenn er mich hinaufgeführt hat,"
Er reichte ihm dabei einen von den fünfzig Friedrichsd'or,
die ihm Mama geschickt hatte mit dem Bemerken, er möge
dafür eine Erholungsreise machen, um sich zugleich inehr Welt-
gewandtheit und Erfahrung anzueignen. Er gab jetzt in der
freudigen Stimmung gern einen dieser Theuren hin, der ihm
den Weg zu dem Thurme bahnen sollte, in dem so tiefes und
zartes Geheimniß ivebte. — Und ist er nicht gut angewendet?
ging er sogleich mit seinem Gewissen zu Rathe, als sich der
Schiffer mit dem Versprechen entfernt hatte, ihn morgen Abends
am Fuße des Schloßberges zu erwarten. Gehört nicht Ge-
wandtheit und Muth dazu, etwas dieser Art auszuführen; und
werde ich nicht eine seltsame große Erfahrung dabei machen,
vielleicht über mein künftiges Lebensglück entscheidend? Selbst
Mama würde mir beistimmen, — Und welch ein anderer Mensch
bin ich geworden! Welche Kräfte und Mächte fühl ich in mir
wach und thätig! O, das muß der Anfang von noch Größerm
sein, das deutet auf wichtige Ereignisse!" —
Seine Phantasie war in zu aufgeregtem Zustande, um sich -
in die engen Ziminerivände einbannen zu lassen; er blieb noch
im Freien, Ein Rausch von Wonne kam über ihn, wenn er
vor sich sah, in die Zukunft mit dem unendlichen Glanz; es
war ihm, als hätte er erst seit gestern das Leben recht begriffen,
als sei seine Vergangenheit ein dumpfer schwerer Traum.
III.
Am andern Morgen erwachte unser Freund »nt einer Welt
von Glück, Hoffnung und himmlischer Idealen in seiner Brust,
Ein seliger Friede, eine reine heitere Stimmung war über ihn
gekommen, klar und hell, wie ein Waldsee. in dessen Grund
sich der Himmel spiegelt. Er öffnete das Fenster, reckte und
dehnte sich hinaus so weit und so lang, daß man hätte glauben
können, er mache einen Ansatz zum Fliegen wie ein Luftschiffer;
denn auch mit den Armen machte er eine dem Flügelschlage
und der Intention des Fliegens entsprechende Bewegung dabei;
beide Arme und Hände streckte er nämlich ausgebreitet vor sich
hin in die Höhe nach dem Thurme zu, als wolle er etwas