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Münchhausens selige Erben und Nachfolger.
und Nelke, heut Abend um neun Uhr, wenn's dunkel j
wird, Reseda und Veilchen, am Gitter des Orangen-
wäldchens, Myrthe und Rose, deine ewig treue Zulei-
ma!" — „Alle Wetter!" jubelte ich auf und küßte den
Strauß inbrünstig! — „Nehmen Sie sich in Acht Wehncke," |
sagte Jussuf Ben Schulze, mir schelmisch mit dem Zeigefinger .
drohend. — „Ach," sagte ich, „ich gehe gar nicht hin —
denke gar nicht dran!" Damit sprang ich ans, ohne meinen
Kaffee auszutrinken, rannte weg — und so sollen sie mich
noch wieder zu sehen kriegen! Die Türken aber sollen, so
wie Alle, den Kopf geschüttelt und gerufen haben: Wenn das
gut geht, dann geht Alles gut, Wehncke geht in sein Unglück!" I
Die Zeit bis neun Uhr währte mir eine Ewigkeit! Endlich
brummt es türkisch Neune von den Thürmen der Muezzin's,
ich schleiche bedächtig ans Gitter! „Sind Sias, Herr Wehncke ?"
höre ich leise fragen. — „Ja woll, mien Döhren!" sagte ich
ebenso leise! „Hier ist der Schlüssel," und ein goldener
Schlüssel mit Rubinen und Smaragden verziert fällt zu
meinen Füßen. Ich nehme ihn, schließe das Gitterthor ans,
und trete in das dunkle Orangenwäldchen. Eine weiche kleine
Hand faßt die meine —; wir huschen durch die dunkeln Gänge
nach einem mattbeleuchteten Pavillon hin — ich trete in
einen prächtigen Kiosk — weiche Teppiche schwellen unter
meinen Sohlen, Wohlgerüche aller Art dnrchdnften das Zimmer,
eine klare krystallreine Fontäne durchplätschert murmelnd die
Atmosphäre, und verbreitet eine angenehme Kälte. — „Hier
Herrin," sagt die Sklavin die mich führte, „hier bringe ich
Dir Herrn Wehncke!" — Eine verschleierte Gestalt, welche
halb liegend ans dem rochen Atlas-Sopha sitzt, winkt mir
mit dem Fächer zu sich. — Die Sklavin verschwindet. —
„Holde Zuleima," rufe ich vor ihr knieend, „soll ich Dein
Gesicht nicht einmal sehen?" — es konnte ja auch eine alte
Favorit-Sultanin sein. — „Christian," seufzt sie, den Schleier
zurückschlagend, „was habe ich für Dich gewagt!" Sie war
sehr schön, dunkle Locken umwallten ihr edel geformtes Gesicht,
schwarze Augen, Zähne wie Perlen! „Wirst Du mir auch
treu sein, geliebter Christian?" flötete sie süß, — „Du hast
gewiß viele Nachstellungen!! — Wirst Du mir auch ewig
lieben?" — „Dieses schwöre ich Dir holde Zuleima! Du,
nieine erste, meine einzige Liebe! Du — die — welche ich
— ewig, nur ein Gefühl —" und so weiter, hexetterah!
wie so diese Redensarten gehen!" — „Kann ich nicht mit
! Dir nach Hamburg fliehen?" — „O ja, warum dies nicht?"
„O, ich Glückliche!" flötete sie und sinkt mir selig vor Wonne
in die Arme! „Wehncke, geliebter Christian, darf ich Dir
eine Piep Tabak anbieten?" — „Ja woll, mien söte Döhren!"
— Kinders, sie reichte mir eine wundervolle Pfeife mit echtem
Latakieh gestopft — ein wundervolles Mundstück war dran,
aus einem Stück Bernstein, so dick wie meine Faust, mit
Brillanten besetzt. — Wie ich die Pfeife wohlgefällig betrachte
— meint sie — „Wehncke, wenn dir de Piep gefällt, nimm
sie dir nur mit — der Alle weiß doch nicht, wie viele er
davon hat!" — Wir sitzen ganz traulich zusammen, und
bauen Luftschlösser — auf einmal stürzt athenilos die Dienerin
herein, denket nach der Thür, welche zum Korridor führt. —
Wir hören Pantoffeln schlurren, brummen und schimpfen:
„Donnerwetter! Beim Barte des Propheten! Warum ist hier
kein Licht auf dem Gange?" Zuleima springt zitternd auf,
ruft mir mit erstickter Stimme zu: „Gott verdamm mich,
der Alte kommt! Fort Christian!" Ich werde zur Thüre hin-
gedrängt — Ich stehe in stockpechfinsterer Nacht im Orangen-
wäldchen! — „Wer da?" — ruft die Wache. — „Da geht
ein Deutscher;" ruft die nächste Schildwache! „Laßt die Hunde
los!" Ich renne was ich kann — durch die dunkeln Gänge
— die Wache mir nach — es fallen Schüsse! die große Ka-
none wird gelöst, die Muezzin's rufen von den Thürmen
mit fürchterlicher Stimme — „Verrath!" — Ich erklimme
behende wie eine Eichkatze ein fünfundzwanzig Fuß hohes
Aprikosengeländer, schwinge mich auf die Mauer und springe
hinab. Der Teufel will, daß ich gerade auf so einen ver-
dammten türkischen Chausseestein falle, und mir den rechten
Fuß hier über dem Gelenk breche! Da lag ich nun! Alles
kommt mit Fackeln angerennt! Die Nachtwächter auf mich
zu, — leuchten mir ins Gesicht — der Sultan kommt mit
seine Paschah's! Zuleima wird von ein paar Bimbaschis,
ohnmächtig mit aufgelösten Haaren, herbeigeschleppt —. Sechs
Nachtwächter und ein Korporal hatten mich endlich über-
wältigt! Man schleppt mich vor den erzürnten Sultan! Er
läßt wir ins Gesicht leuchten! „Ah," sagt er, „Sie sinds,
Herr Wehncke! Sie machen hier schöne Geschichten, und du
Zuleima! Ungetreue! Lohnest du so meine Liebe?" — Ich
ergreife das Wort und sage: „Großmächtigster Sultan! Be-
herrscher der Gläubiger — glaube mir" — „Still," ruft er
böse! „Lügen Sie nicht noch dazu, Herr Wehncke — Schatz-
meister ! zahlen Sie Herrn Wehncke seinen vollen Gehalt
aus; aber auch ich will volle Gerechtigkeit!" — Zuleima
und ich wurden nun aneinandergeschmiedet und auf den
Bürgergehorsam gebracht. — Nach drei Tagen wurde uns
das Urtheil publicirt „Ersäuft in ooutumaeiam I Sie und
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Münchhausens selige Erben und Nachfolger.
und Nelke, heut Abend um neun Uhr, wenn's dunkel j
wird, Reseda und Veilchen, am Gitter des Orangen-
wäldchens, Myrthe und Rose, deine ewig treue Zulei-
ma!" — „Alle Wetter!" jubelte ich auf und küßte den
Strauß inbrünstig! — „Nehmen Sie sich in Acht Wehncke," |
sagte Jussuf Ben Schulze, mir schelmisch mit dem Zeigefinger .
drohend. — „Ach," sagte ich, „ich gehe gar nicht hin —
denke gar nicht dran!" Damit sprang ich ans, ohne meinen
Kaffee auszutrinken, rannte weg — und so sollen sie mich
noch wieder zu sehen kriegen! Die Türken aber sollen, so
wie Alle, den Kopf geschüttelt und gerufen haben: Wenn das
gut geht, dann geht Alles gut, Wehncke geht in sein Unglück!" I
Die Zeit bis neun Uhr währte mir eine Ewigkeit! Endlich
brummt es türkisch Neune von den Thürmen der Muezzin's,
ich schleiche bedächtig ans Gitter! „Sind Sias, Herr Wehncke ?"
höre ich leise fragen. — „Ja woll, mien Döhren!" sagte ich
ebenso leise! „Hier ist der Schlüssel," und ein goldener
Schlüssel mit Rubinen und Smaragden verziert fällt zu
meinen Füßen. Ich nehme ihn, schließe das Gitterthor ans,
und trete in das dunkle Orangenwäldchen. Eine weiche kleine
Hand faßt die meine —; wir huschen durch die dunkeln Gänge
nach einem mattbeleuchteten Pavillon hin — ich trete in
einen prächtigen Kiosk — weiche Teppiche schwellen unter
meinen Sohlen, Wohlgerüche aller Art dnrchdnften das Zimmer,
eine klare krystallreine Fontäne durchplätschert murmelnd die
Atmosphäre, und verbreitet eine angenehme Kälte. — „Hier
Herrin," sagt die Sklavin die mich führte, „hier bringe ich
Dir Herrn Wehncke!" — Eine verschleierte Gestalt, welche
halb liegend ans dem rochen Atlas-Sopha sitzt, winkt mir
mit dem Fächer zu sich. — Die Sklavin verschwindet. —
„Holde Zuleima," rufe ich vor ihr knieend, „soll ich Dein
Gesicht nicht einmal sehen?" — es konnte ja auch eine alte
Favorit-Sultanin sein. — „Christian," seufzt sie, den Schleier
zurückschlagend, „was habe ich für Dich gewagt!" Sie war
sehr schön, dunkle Locken umwallten ihr edel geformtes Gesicht,
schwarze Augen, Zähne wie Perlen! „Wirst Du mir auch
treu sein, geliebter Christian?" flötete sie süß, — „Du hast
gewiß viele Nachstellungen!! — Wirst Du mir auch ewig
lieben?" — „Dieses schwöre ich Dir holde Zuleima! Du,
nieine erste, meine einzige Liebe! Du — die — welche ich
— ewig, nur ein Gefühl —" und so weiter, hexetterah!
wie so diese Redensarten gehen!" — „Kann ich nicht mit
! Dir nach Hamburg fliehen?" — „O ja, warum dies nicht?"
„O, ich Glückliche!" flötete sie und sinkt mir selig vor Wonne
in die Arme! „Wehncke, geliebter Christian, darf ich Dir
eine Piep Tabak anbieten?" — „Ja woll, mien söte Döhren!"
— Kinders, sie reichte mir eine wundervolle Pfeife mit echtem
Latakieh gestopft — ein wundervolles Mundstück war dran,
aus einem Stück Bernstein, so dick wie meine Faust, mit
Brillanten besetzt. — Wie ich die Pfeife wohlgefällig betrachte
— meint sie — „Wehncke, wenn dir de Piep gefällt, nimm
sie dir nur mit — der Alle weiß doch nicht, wie viele er
davon hat!" — Wir sitzen ganz traulich zusammen, und
bauen Luftschlösser — auf einmal stürzt athenilos die Dienerin
herein, denket nach der Thür, welche zum Korridor führt. —
Wir hören Pantoffeln schlurren, brummen und schimpfen:
„Donnerwetter! Beim Barte des Propheten! Warum ist hier
kein Licht auf dem Gange?" Zuleima springt zitternd auf,
ruft mir mit erstickter Stimme zu: „Gott verdamm mich,
der Alte kommt! Fort Christian!" Ich werde zur Thüre hin-
gedrängt — Ich stehe in stockpechfinsterer Nacht im Orangen-
wäldchen! — „Wer da?" — ruft die Wache. — „Da geht
ein Deutscher;" ruft die nächste Schildwache! „Laßt die Hunde
los!" Ich renne was ich kann — durch die dunkeln Gänge
— die Wache mir nach — es fallen Schüsse! die große Ka-
none wird gelöst, die Muezzin's rufen von den Thürmen
mit fürchterlicher Stimme — „Verrath!" — Ich erklimme
behende wie eine Eichkatze ein fünfundzwanzig Fuß hohes
Aprikosengeländer, schwinge mich auf die Mauer und springe
hinab. Der Teufel will, daß ich gerade auf so einen ver-
dammten türkischen Chausseestein falle, und mir den rechten
Fuß hier über dem Gelenk breche! Da lag ich nun! Alles
kommt mit Fackeln angerennt! Die Nachtwächter auf mich
zu, — leuchten mir ins Gesicht — der Sultan kommt mit
seine Paschah's! Zuleima wird von ein paar Bimbaschis,
ohnmächtig mit aufgelösten Haaren, herbeigeschleppt —. Sechs
Nachtwächter und ein Korporal hatten mich endlich über-
wältigt! Man schleppt mich vor den erzürnten Sultan! Er
läßt wir ins Gesicht leuchten! „Ah," sagt er, „Sie sinds,
Herr Wehncke! Sie machen hier schöne Geschichten, und du
Zuleima! Ungetreue! Lohnest du so meine Liebe?" — Ich
ergreife das Wort und sage: „Großmächtigster Sultan! Be-
herrscher der Gläubiger — glaube mir" — „Still," ruft er
böse! „Lügen Sie nicht noch dazu, Herr Wehncke — Schatz-
meister ! zahlen Sie Herrn Wehncke seinen vollen Gehalt
aus; aber auch ich will volle Gerechtigkeit!" — Zuleima
und ich wurden nun aneinandergeschmiedet und auf den
Bürgergehorsam gebracht. — Nach drei Tagen wurde uns
das Urtheil publicirt „Ersäuft in ooutumaeiam I Sie und
10*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Münchhausens selige Erben und Nachfolger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 346, S. 75
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg