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Amadeus Blutwurscht. 155

Mir ist so muthlos zu Much! Ich könnte weinen. Und
warum sollte ich nicht weinen? Wenn der Schmerz sich
im Ocean der Thränen badet, so steigt er aus dessen
heiligen Wellen gereinigt empor. Da Hab' ich wieder
einen guten Gedanken gehabt, den ich der grausamen Verges-
senheit nicht Preis geben darf. (Zieht ein Album aus ihrem Bu-
sen und schreibt den Gedanken nieder.) Ach, auf dieser trostlo-
sen Erde, wo der Mensch von den Windeln bis zum
Leichenhemde mit dem Schicksal kämpfen muß, ist es
doch noch ein Trost, wenn man sich mit süßem Selbst-
bewußtsein, sagen kann, daß man geistreich ist. Das
ist wieder ein sehr guter Gedanke. (Sic schreibt ihn tn's Album.)
Ein Album ist ein papierner Freund, der unsere Ge-
heimnisse nie verräth. Das ist wieder ein trefflicher Ge-
danke! (Schreibt ihn in's Album.) O, ich bin heute sehr frucht-
bar! (Nachdenkcnd.) Nein, mit meinen Grundsätzen, mit meinen
Anfichren vom Leben verträgt es fich nicht, einem Manne die
Hand zu geben, der nur auf Gewinn denkt und von dem, was
die Menschheit bewegt, auch nicht einen blaffen Begriff hat.
Mein Herz sucht einen Mann, keinen Handels-
mann. O wie witzig war dieser Einfall. (Schreibt ihn tn's Al-
bum.) Doch wer kommt hier?

Blutwurscht. Wer fitzt hier?

Eulalia, (für sich.) Ein Mann wild und verworren;
doch in seinem ungekämmten Haar ist ein gewisses Etwas.

Blutwurscht, (für sich.) Eine blondere Blondine habe
ich selbst in meinen deutschesten Zeiten nicht gesehen; aber fie
fiehr kühn und unternehmend aus. (sich nähernd.) Bürgerin!

Eulalia. Bürger, wollen Sie nicht Platz an meiner
Seite nehmen?

Blutwurscht. „Nehmen" ist ein gutes deutsches Wort.
Ich fitze schon.

Eulalia, (für sich.) Der Mann verwirrt mich, (laut.) Es
ist sehr eigenthümlich —

Blutw. (heftig unterbrechend.) Eigenthümlich? Welch'
ein garstig reaktionäres Wort. Eigenthümlich kommt von Ei-
genthum und ich Haffe das Eigenthum. Ich verachte es, denn
es ist widerwärtig; es ist niederträchtig; es ist scheußlich.

Eulalia. So wären Sie vielleicht —

Blutw. Ich bin Kommunist und ich heiße Blutwurscht,
weil ich ein Herz für die leidende Menschheit habe.

Eulalia. Auch ich habe ein Herz für die leidende
Menschheit. Deutscher Mann, hier ist meine Hand. Nehmen
Sic fie hin!

Blutw. „Nehmen" ist ein gutes deutsches Wort; ichnehmefie.

Eulalia. Unsere Seelen haben fich gefunden. Ich will Dein sein.

Blutw. (heftig.) Nimmermehr!

Eulalia. Wie, Geliebter, Du hast ein Herz für die lei-
dende Menschheit und verschmähst meine Hand? Fürchtest
Du, ich würde in meiner Treue schwanken?

Blutw. Gerade das Gegentheil! Ich bin Kommunist,
nur Kommunist, nichts als Kommunist. Die Familie ist mir
ein Gräuel. Ich will Dich lieben, doch nur unter der Be-
dingung, daß Du mir schwörst, mir nicht treu zu sein.

Eulalia. Herrlicher Mann, ich schwöre Dir ewige Un-
treue und mit Vergnügen will ich diesen Schwur halten.

Blutw. Weib, Du sprichst wie ein Mann.

Eulalia. Du verdienst, daß ich mein Loos mit Dir theile.

Blutw. Theile! „Theilen" ist ein gutes Wort. Thei-
len ist meine Geflnnung. Theilen ist ächt blutwürschtig.

Eulalia. O Blutwurscht!

Blutw. O Eulalia!

Eulalia. Wer hat Dir gesagt, daß ich Eulalia heiße?

Blutw. Kann ein Mädchen mit solcher Gesinnung anders
heißen,.als Eulalia? — Doch wo und wann sehen wir uns wieder?

Eulalia. Hier und morgen um diese Stunde.

Blutw. Also bis morgen! — Das klebrige wird fich
dann leicht finden.

Das traur. Schicks, (unsichtbar.) Hütet Euch vor dem
neunundzwanzigsten Februar!

Eulalia. Hu, was war das?

Blutw. Du heißt Eulalia und rufst „hu?"

Eulalia. Die Stimme klang so furchtbar. —

Blutw. Es ist des Schicksals Stimme, weiter nichts.
Es ist wahr, die Stimme klingt rauh; nun, das Schicksal ist
eben keine Prima Donna.

Eulalia. Was meint das Schicksal mit dem neunund-
zwanzigsten Februar?

Blutw. Weiß ich's? Das Schicksal hat vielleicht den
Verstand verloren und spricht dunpnes Zeug. Viel Verstand
hat das Schicksal eben nie gehabt.

Eulalia. Das beruhigt mich. Also bis morgen! O
mehr sag' ich nicht, (ab.)

Blutw. (allein.) Sie ist blond von Haaren, aber roth
von Gesinnung. Nur muß fie der goldenen ^kette entsagen,
die ihr um den Hals hängt, und dem Brillantring, den fie
am linken Goldfinger trägt. Nun, das wird fich finden, wenn
wir nächstens beisammen find.

Das traur. Schicks, (unsichtbar.) Hüte Dich vor dem
neunundzwanzigsten Februar!

Blutw. Hol' Dich der Teufel! (ab.)

Das traur. Schicks, (tritt wieder auf.) Da beklagt fich
der Mensch immer über das Schicksal und weiß doch nicht,
was das arme Schicksal auszustehen hat. Keine Ruhe bei Tag
und Nacht! kein Sonn- und Feiertag! keine Ferien! Immer
schaffen! immer von einem Ort zum andern! Mein Gcdächtniß
ist bereits so schwach geworden, daß ich mir die laufenden Ge-
schäfte notiren muß, wenn ich nicht eine Verwirrung anrichten
und mich lächerlich machen will. — Was Hab' ich denn heute
noch zu thun? Erstens: Der Rothschild in Frankfurt soll den

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