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Zwei Briefe.
O fälschlich untreu Geglaubter!
Deine ergraute Locke beweist mir, daß Du viel um mich
gelitten hast. Auch ich habe viel geweint. Doch bin ich noch
keineswegs ergraut. Und Du fragst noch, ob Du kommen
darfst? Jede Stunde, jeden Moment werden meine Arme Dir
offen sein. Also eile mich zu entführen, aber wo möglich
nicht gewaltsam. Thue meiner guten Hauswirthin ja kein Leid
an! Du warst stets so feurig. Aber eile, eile so schnell Dich
die Flügel der Liebe tragen, an das Herz Deiner Julie.
Auf diesen Brief fielen zwei Thränen aus Edmunds
Augen. O Julie, verzeihe daß ich an Dir zweifelte! Mein
Glück kommt zwar spät, aber es kommt doch; der weite Weg —
darauf begann er, sich warm zu kleiden und kaufte sich ein
Billet nach München. In Leipzig aber miethete er zuvor ein
Familienlogis.
Da ging Edmund hinaus und fluchte der Hofer Eisenbahn:
„O Hofer Eisenbahn! durch den trägen Schneckengang zweier
Briefe hast du meiner Julie ihr Herz gebrochen. So brich
auch mir den Hals und sei doppelt Mörder!"
Darauf legte er sich auf die Schienen. Doch das Schicksal
wollte es anders: Edmund lag den ganzen Tag auf den
Schienen, denn es kam an diesem Tage kein Zug. Am andern
Tage aber fand der Bahnwärter eine Leiche. Und mit Recht
sagte der Prediger am Grabe, er sei zu früh gestorben, denn
den nächsten Tag kam wirklich der Zug, durch den er sich
hatte entleiben wollen, der aber auf einer Ausweichstation
zwei Tage auf den entgegenkommen sollenden Zug vergeblich
gewartet hatte.
IV.
Auf einem Kirchhofe in München stand ein gebeugter
Greis vor einem Grabe — der Greis war Edmund. Er hatte
von seiner Julie nur noch das Grab gefunden; man sagte
ihm aber, das wäre eigentlich kaum ihr Grab zu nennen, denn
sie hätte sich schon bei Lebzeiten fast ganz weggeweint gehabt.
Ein Brief.
Mein Herr Recensent!
Es hat Ihnen beliebt, mein neues klinisches Handbuch
herunter zu machen. Wissen Sie auch, was Sie gethan
haben? Sie vertreiben mich mit Gewalt aus dem theoretischen
Fach und zwingen mich, wieder zur Praxis zu greifen. Das
wird vielen Menschen das Leben kosten und wer ist Schuld
daran? Sie!
Ergebenst Jodmeyer, Dr. med.
Der praktische Jurist.
Frau des Deputirten Wankelberger. „So?
Bor acht Tagen hast Du in der Kammer eine großartige
Red' über den segensreichen Einfluß unserer Strafgesetze auf
das Familienglück g'halten, und jetzt läufst Du selber
einer Andern nach und machst mich unglücklich!"
Wankelberger. „Aber Liebe, das gehört ja gar nicht
in's Strafrecht, sondern in's Wechselrecht!"
Das unnöthige Kind.
Pfarrer. „Nu, Annebarb, was habt Ihr denn da
für ein kleines Kind?"
Annebarb. „Haben's denn das noch nit geseh'n, Herr
Pfarrer? das gehört der Marielies, die ist in der Stadt und
hat's zu mir in die Kost geb'n."
Pfarrer. „Ist denn die Marielies in der Stadt ver-
heirathet? davon habe ich ja gar nichts gewußt."
Annebarb. „Ach nee, Herr Pfarrer, das ist se auch
nich, wisien's Herr Pfarrer-wissen's — 's is halt
so e un — so e unnöthig's Kind."
Zwei Briefe.
O fälschlich untreu Geglaubter!
Deine ergraute Locke beweist mir, daß Du viel um mich
gelitten hast. Auch ich habe viel geweint. Doch bin ich noch
keineswegs ergraut. Und Du fragst noch, ob Du kommen
darfst? Jede Stunde, jeden Moment werden meine Arme Dir
offen sein. Also eile mich zu entführen, aber wo möglich
nicht gewaltsam. Thue meiner guten Hauswirthin ja kein Leid
an! Du warst stets so feurig. Aber eile, eile so schnell Dich
die Flügel der Liebe tragen, an das Herz Deiner Julie.
Auf diesen Brief fielen zwei Thränen aus Edmunds
Augen. O Julie, verzeihe daß ich an Dir zweifelte! Mein
Glück kommt zwar spät, aber es kommt doch; der weite Weg —
darauf begann er, sich warm zu kleiden und kaufte sich ein
Billet nach München. In Leipzig aber miethete er zuvor ein
Familienlogis.
Da ging Edmund hinaus und fluchte der Hofer Eisenbahn:
„O Hofer Eisenbahn! durch den trägen Schneckengang zweier
Briefe hast du meiner Julie ihr Herz gebrochen. So brich
auch mir den Hals und sei doppelt Mörder!"
Darauf legte er sich auf die Schienen. Doch das Schicksal
wollte es anders: Edmund lag den ganzen Tag auf den
Schienen, denn es kam an diesem Tage kein Zug. Am andern
Tage aber fand der Bahnwärter eine Leiche. Und mit Recht
sagte der Prediger am Grabe, er sei zu früh gestorben, denn
den nächsten Tag kam wirklich der Zug, durch den er sich
hatte entleiben wollen, der aber auf einer Ausweichstation
zwei Tage auf den entgegenkommen sollenden Zug vergeblich
gewartet hatte.
IV.
Auf einem Kirchhofe in München stand ein gebeugter
Greis vor einem Grabe — der Greis war Edmund. Er hatte
von seiner Julie nur noch das Grab gefunden; man sagte
ihm aber, das wäre eigentlich kaum ihr Grab zu nennen, denn
sie hätte sich schon bei Lebzeiten fast ganz weggeweint gehabt.
Ein Brief.
Mein Herr Recensent!
Es hat Ihnen beliebt, mein neues klinisches Handbuch
herunter zu machen. Wissen Sie auch, was Sie gethan
haben? Sie vertreiben mich mit Gewalt aus dem theoretischen
Fach und zwingen mich, wieder zur Praxis zu greifen. Das
wird vielen Menschen das Leben kosten und wer ist Schuld
daran? Sie!
Ergebenst Jodmeyer, Dr. med.
Der praktische Jurist.
Frau des Deputirten Wankelberger. „So?
Bor acht Tagen hast Du in der Kammer eine großartige
Red' über den segensreichen Einfluß unserer Strafgesetze auf
das Familienglück g'halten, und jetzt läufst Du selber
einer Andern nach und machst mich unglücklich!"
Wankelberger. „Aber Liebe, das gehört ja gar nicht
in's Strafrecht, sondern in's Wechselrecht!"
Das unnöthige Kind.
Pfarrer. „Nu, Annebarb, was habt Ihr denn da
für ein kleines Kind?"
Annebarb. „Haben's denn das noch nit geseh'n, Herr
Pfarrer? das gehört der Marielies, die ist in der Stadt und
hat's zu mir in die Kost geb'n."
Pfarrer. „Ist denn die Marielies in der Stadt ver-
heirathet? davon habe ich ja gar nichts gewußt."
Annebarb. „Ach nee, Herr Pfarrer, das ist se auch
nich, wisien's Herr Pfarrer-wissen's — 's is halt
so e un — so e unnöthig's Kind."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zwei Briefe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 506, S. 11
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg