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Herrn Graf's Tagebuch re.

' Driumbf aus sein Gefängniß geholt und die Fee bezahlte die
Hochzcitskostcn.

Durch diesen schönen Beschluß war Kohle über sein Un-
glück getröstet und mit den Bahlett wieder ausgesehnt, so daß
er vor tiefgerihrtc Freide weinte und nach sein Schnubftuch in:
die Fracktasche griff. Allein cs sollte dieses einmal ein Un-
glicksabend sein und wer kann sich Kohlen seinen Schreck denken,
als er. nicht sein Taschentuch, auch nicht die Tasche mit die
SchnubstabakSdose mehr findet, sondern so ein hindcrlistiger
Taschcnreiber hatte Kohlen mit ein scharfes Jnstrumend den
gansen linken Frackfligel mit AllcS was darin stack hinwegge-
. schnitten und sich damit gcdrickt.

Jetzt weinte aber Kohle vor Wuthigkcit, denn eine solche
auSgclernte Straßenreiberci auf Taschen hatte er sich noch nie-
mals nicht einmal trcimen lassen. Da er keinen Rock weiter
mitgebracht hatte, so mußte er nun auch in 'Berlin in dieses
zerstörte Kleidungsstück umherwandeln. Denn wir ließen diesen
gestohlenen FrackschoS zwar am andern Tag in das Jndielie-
gendSblatt setzen, aber es brachte ihn Niemand nicht wieder.

Kohle schwor hoch und theicr, in sei» ganses Leben nie-
mals nicht wieder in kein Bahlett nicht zu gehn. Wenn er
einmal verbergen wollte, daß ihn der eine FrackschoS fehlen
that, so hielt er die Zeichenmappc hinter, welches eine gans
gute Kriegslist war.

Der arme Kohle, wenn cs gar nicht anders geht, so
borge ich ihn auch einmal einen Rock von mir, der ihn frei-
lich ein bischen zu weitleifigt ist.

Sehr sonderbar ist cs, wie sich in Berlin die bolitische
Mcinungsverschiedenartichkeite» auch auf das gewöhnliche Lebenj
- mittheilen. So waren wir kirzlich in eine Restohrazion und
wollten etwas essend

„Was befehlen Sie?" fragte uns der Kellner.

„Geben Sie mir ein Baar Wiener Knackwirslchen," j
sagte ich, „und etwas Schwcizerkäsc:"

Da aber zog der Kellner ein gans schiefes Gesichte. i

„Und mir geben Sie ein englisches Bifstöckchen," sagte
dann Kohle.

Da machte der Kellner ein noch unangenehmeres Gesichte
und ging fort, ohne uns ein Wort darauf zu crwiedcrn und
ließ uns fitze».

Aber wie nun wieder ein Anderer kam und verlangte
. eine Bohrzion russische» Salat, da überschlug sich der Kellner
: bald vor Endzicken und in Zeit von einer Scekundc war der
Salat schon da. Uns aber ließ er ganz unbeachtet bei Seite
• liegen und wie wir eine halbe Stunde gesessen hatten, gingen
wir mit hungrigen Magen wieder fort.

Dieses muß doch daher kommen, daß in Berlin überall
der russische Salat vorrätbig gehalten wird. Aber auf die
Wiener, englischen ynd französischen Sbeisen scheinen
sie nicht viel zu'halten, wahrscheinlich können sie sic nicht gut
verdauen und sie liegen ihnen am Ende zu schwierig in den
Magen.

Wir waren von die vielen Kunstgeniffe und argidecktoh- !
nische Schönheiten von Berlin so was man sagt duselicht ge-
worden, daß wir uns wirklich alle zwei Beide mit Gewalt- '
thätigkeit nach einen Naturgenuffe sehnen thaten. Aber nun '
hatten uns schon Alle Leute gesagt, mit welche wir gesprochen
hatten, daß cs auf der ganzen Welt keine schönere Landschafts-
Gegend nicht geben können dürfen thäte, als wie dieses der !
in die alte und neue Welt weit und breit berichmtc Kreuz-
berg wäre, welcher draußen vor den Halleschen Thore seinen
Aufenthaltsort genommen hätte.

„Wer 'n Kreuzbcrg man noch nich jcsehen hat; hat jar
nischt nich jesehen; wer'» oberst jeschen hat, der hat Alles
jcsehen und kann daruff janz ruhig sterben!" So sagen die
Berliner allgemein, aber aus die Schilderungen die sie uns
von die Gefährlichkeit von der Besteigung machen thaten, wurde
es mir ordcntlicht ängstlicht in mein Gemiethe. Alleine endlich
faßten wir uns Kuhrasche und beschlossen an den nächsten Tag >
uns auf die Wanderschaft nach den Krcuzbcrge zu machen. !
Da eS uns so sehr als mit Beschwerdclichkeitcn verknibft be- |
schrieben geworden werden that, so beschlossen wir die größte !
Vorsicht, mitzunehmen und weil wir auch zugleich wiffenschäft-
lichkeitliche Nachforschungen machen wollten, so versahen wir j
uns mit Alles was hierzu gehören thut, zum Beisbiel: ein !
Duzend Semmeln mit Käse, eine Flasche von dem beriemtcn
Gilkakimmel, eine Flasche mit Sbiritus, damit daß wir davon
könnten ein Feuer anbrcnnen, wenn wir in die allerhöchsten !
Sbitzen kämen, wo cs so kalt ist, ein Wetterglas, einen halben !

. Schinken, ein Bärspektiefglas, Bclzhandschuh, dicke Stöcke und
j was sonst noch Einer für gelehrte Gegenstände bei einer Berg-
besteigung mitnimmt. Hierauf »ahmen wir auch einen sehr !
gerihrten Abschied von unsre Wirthsleite, im Fall daß wir
vielleicht auf die Reise verunglücken thätcn und so setzten wir
uns an einen schönen Nachmittag in Beweglichkeit. Nachdem
wir durch eine Menge schiefe und. grade Straßen gekommen
waren, so standen wir vor das Halle'sche Thor, allein hier
vcrthcilten sich auf einmal eine ganse Menge Wege, so daß
ich mich beschließen that, an einen Voribergehcndcn zu wenden.

„Sie cndschuldigen gitigst," sagte ich zu den Mann, „sein
Sie vielleicht glicklicherweisc ein Berliner?"

„O ja, ick bin jrade unglücklicherweise von hier jebürtigt,"

„I, da können Sic mir vielleicht gar sagen, wo man
hier auf den Kreuzberg kommen thut," sagte ich.

>>§ ja," sagte er. „Sehen Se man dort oben gans hin-
ten jleich daneben links oben die Spitze?"

Ich sah gans genau hin, konnte aber nichts nicht er-
kennen und sagte also:

„Nein, Sic werden endschuldigen, aber ich sehe keine
Sbitzc. nicht."

„Ra, dann jehcn Sc man jrade druff loS, dann kommen
Sc hin," sagte der Mann und ging seine Wege weiter.

Ich überlegte es mir hin und her, was der Mann Alles
gesagt hatte, aber so recht klug konnte ich nicht daraus werde»,
welches wahrscheinlich davon kommen that, weil er kein reines
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