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Herrn Graf's

ist als ein Garten, oder auch Alles zwei Beides auf einmal.
Hier brauchte sich kein König nicht zu schämen, wenn er darin
wohnen sollte, so ellekant ist eS eingerichtet. Als wir hinein-
traten, so hatte ich etwas Durst und rief mit lauter Stimme:
Kellner! Aber kaum hatte ich diesen Ruf lassen hören, so
stürzten auö alle Thüren und Fenster mehrere hundert Kellner
mit Sehrwijetten unter die Aerme hervor und riefen zu gleich-
fermlicherZeit wie aus einen Mund: „Was wünschen Sie?"
Dieses machte aber einen solchen Lerm, daß ich und Kohle
einen ordcntlichten Schrecken bekamen und nicht wußten waS
dieses zu bedeuten hatte. Ich rief aber mit alle mögliche
Fassungskraft: Bier! und da waren in ein Nu die Kellner
' wie weggeblasen. Aber ehe wir Zeit hatten uns zu besinnen
kamen auf einmal diese mehrere hundertfältigten Kellner aus
alle Oeffnungc» zurück und brachten jeder zwei Tebfchen Bier
in die Hand. Aber nun wurde uns Angst, den» wir dachten,
daß wir dieses gänsliche Bier alles sollten ttinkcn und bezahlen
und hatten wir doch in Berliner Bier so traurigte Erfahrun-
gen gemacht. Wir faßten uns also kurz und sbrangen mit

! zwei Setzen zu die Thüre hinaus und flichtelen fr- rasch wie

! wir konnten. Jedoch sbrangen uns sämmtlichr Kellner mit die
' Bicrtebfche» nach, aber da wir leichtfißlicher waren, so konnten
! sie uns nicht einholen und gaben zu unser» Glicke ihre Ver-

, folgung bald auf und wir waren gerettet.

Weiter hinten im Thiergarten befinden sich noch mehr
solche Belustigungen aber wir hatten ein andres Ziel uns vor
Auge» aufgesteckt und dieses war nämlich der zolohogische

Garten, worin sich die wilden Thicrc ausbewahrt befinden.

Wir fanden dieses Ziel auch bald und ttaten ein, wo man
zuerst auf das Affenhaus stößt, in welches einige tausend so-
| genannte Affen sich in ihre Nathzionaltänze und Sbringe zeigen.

| Dabei waren auch Biwer, aus welchen die Pariscrfilshütc ge-
macht werden und auch zu die Affen gehören. Nicht weit da-
, von sitzt in ein immerwarmes Fußbad ein schrecklichtes Thier,
welches Krokidill gerufen wird und eine Mustersammlung von
alle nur erdenkbarlichc Schauderhaftigkeit bildet. Dieses Thier
! ist so gefräßlich,-daß es Einem gleich ein Bein vom Leibe abreißt,
i wen» man ihn auch nur einen Finger hinhält. Nun daS j
: macht mancher andere Mensch auch so, der dock kein gebornes
* Krokidill nicht ist.

In eine besondre Abtheilung befinden sich Löwen, Tieger, >
Higähnen, Wölfe und andre so schädliche Amviehbichen, daß
Einen ordentlich die Haare zu Berge sieben müssen. Der eine
Löwe ist verheirathct und hat seine Frau mit in den Käsicht.
DaS laß ich mir allenfalls noch gefallen, aber da ist der andre
Löwe, welcher gans einsam in seinen Käfig sitzt, diesen bedaure
ich sehr und sollten sie ihn doch auch eine Heiratbsgclegenheit
verschaffen, weil er ein gar so erbärmliches Gesichte macht.
Wer weiß, ob er nicht gar in sein Vaterland schon als Wittwer
gelebt hat und noch um seine erste Frau trauern thut. Am j
meisten Furcht hatte ich aber vor die Higähnc, weil diese die
tobten Leichen so nachstellt und einen überbaubt gans nieder-
ttächtigen und schofelen Karrakter hat.

Tagebuch ,e. 103 •

Bären find eine ganse Menge und genießen die meiste !
Freiheit, weil sie leichte nach andern Feifen tanzen lernen.
Das Sonderbarste unter diese Bären waren ein Sohn und
eine Tochter, welches geborne Berliner find, aber ihre Herrn
Aeltern sind russische Landsleite und wollen ihre lieben Kinder
wahrsckeinlick blos in Berlin eine zahme Erziehung geben

Auck gibt es verschiedene fremde Ochsen, welche sich
Büffel nennen lassen und sehr nette Thierchen find, gegen !
welche sich unsere deutschen Ochsen verstecken müssen und wahre !
Kälber dagegen find. Dasselbe Familichenverhältniß besteht
auch mit die Schweine, welche sich hier aufhalten. Sonst
waren auch Schlangen und alle andre Sorten Vögel in eine
sehr große Anzahl hier aufgestellt, sowie auch eine Rattenge-
sellschaft, welche vor lauter Aerger, daß sie nicht mehr in die
Freiheit leben konnten, weiße Haare und rothe Augen bekom-

Der indrehsandeste Punkt aber
in diesen zolohogische» Garten ist .
ein sogenannter Dacksbau, weil diese
Thier so menschenscheu find, daß j
sie niemals nicht herauskommen;
man sieht deshalb weiter nichts nicht
als ein finstres Loch mit die Ver-
muthlichkeit, daß die Dackse da drinne
sein können dürften. Wir haben alle
zwei Beide drei Stunde ruhig an
das Loch gestanden und gepfiffen
und gelockt was wir konnten, aber
es kam doch Keiner nicht. Da stieg
endlich Kohle übxr das Gitter und
sagte: ach es ist nicht wahr, da
sind gar keine Dackse nicht drinne
und blos Wind. Und damit hielt
er seine Hand in das Loch hinein,
damit daß er sich wollte überzeugen.
Aber auf einmal schrie er auS
Leibeskräften, als wenn er am Spieße
stecken thäte.

„Hast Du einen?" fragte ich ihn.

„Nein, es hat mich einer," jammerte Kohle und zog
endlich mit einen Rucks seine Hand wieder heraus, wobei er
sehr blutete, denn dieser heimdickische Dacks oder auch die Sie
hatte ihn fast den Finger entzwei gebissen.

So was muß sich aber ein Naturforscher schon gefallen
! lassen, wenn er will von Nitzlichkeit für die Wissenschaft sein,

! womit wir endlick diesen beleerenden Garten verließen.

lSchluß folgt)
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Herrn Graf's Tagebuch während seines Besuches in Berlin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Hand
Gehege
Besucher
Angriff
Schrecken <Motiv>
Zoologischer Garten <Motiv>
Dachs
Karikatur
Tierbau
Satirische Zeitschrift
Zoologischer Garten Berlin

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 517, S. 103

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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