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Geschichten aus den Bergen.

Der eiserne Ofen.

ES war im Spätherbste, nahe an Mittag, als ein Land- |
mann rüstig eines jener freundlichen Thäler entlang schritt, !
welche von Ausläufern deS Hochgebirges gebildet in reizender,
Verschmelzung den Uebergang vom stillen Ernst der Alpenein- !
samkeit zum geschäftigen Treiben der Ebene vermitteln; die j
graue Jacke mit grünem Besatz, der grüne Hut mit der ge- !
krümmten Feder geziert, verriethcn den Sohn der Berge, sowie !
die offene Miene und der klare Blick bezeugten, daß er sich !
vom Erfolg seines Stadtbesuches vollkommen befriedigt fühle. ,
Sorglos überschaute er seine Umgebung, die bereits sich !
der heitern Gewänder zu entäußern begonnen, in Erwartung
der weißen Zwangsjacke mit welcher der eisgekrönte Herrscher sie, !
jede Lebensregung hemmend, bald bedecken sollte; mit leichtem
Lächeln blieb er vor einem bereits entlaubten Birnbaum stehen, '
aus dessen, höchsten Zweige ein Goldammer in kleinlautem
Schweigen sich sonnte. „IS dir der Pitzl schon vagang'n?"
sprach er zu ihm hinauf, „gelt iatzt tragt's cs nit mehr mit'n
Edledledl bin — i! bald wird's hoaßen: Herr Vctta, Herr
Vetta, wann's d' bei unS aufn Misthaufn Kerndln klaubst — !
bist a an armer Hascher und muaßt Kält'n leid'n, dawal i 1
dahoam bei'n warmen Oeferl Huk;" dabei bog er den Arm '
j zurück und klopfte wohlgemuth an den Bauch eines eisernen
! Ofens von anständiger Größe, den er sich als Garantiepunkt
häuslichen Behagens in der Stadt beigebogen hatte amd nun
im Begriffe war, zur Befriedigung eines längst und ticfstgc-
j fühlten Bedürfnisses dem Inventar seiner Schlafstube beizu-
gesellcn.

Nach dieser halb ironisch, halb gemüthlichen, dem Vogel
wegen seines wankelmüthigen Charakters gehaltenen Standrede,
setzte er sich wieder in Bewegung; schon war eine ziemliche
Strecke seines Heimweges zurückgelegt. Leiser Glockenschall von
einem fernen Kirchlein, auf den Flügeln des Windes herüber-
getragen, verkündete - die Mittagsstunde, mit wunderbarem
Hallen in seinem Magen widerklingend, auf der Stirne stand j
| der Schweiß in großen Tropfen, der Ofen machte ihm jetzt!

, schon warm, in seiner Kehle machte sich eine gewisse Trocken- I
! heit fühlbar und öfters ertappte er sich auf der vergeblichen!
Anstrengung etwas im Munde gar nicht Vorhandenes hinab-
zuschluckcn — eine Kundgebung des Anfeuchtung bedürftigen j
Organismus, welche man im gemeinen Leben kurzweg als Durst !
bezeichnet. ,

„Iatzt war a Halber! guat," seufzte der Wanderer gleich-
zeitig seinen Schritt beschleunigend, denn von ferne winkte der
grüne, den Städter so waldmärchcnhast anmuthende, dem Bauer
aber nur über der Wirthshausthüre besonders willkommene j
Tannenzweig; bald war der Zwischenraum zurückgelegt und !
mit kühnem Schwünge die drei zur Schwelle führenden Stufen
zusammennehmend, fiel er durch die offene Thüre in die Haus-
flur — der Ofen weit über seinen Kopf hinausragcnd war
mit Bombengewalt an den obcrn Thürposten angefahren und
schmetterte ihn durch sein Abprallen zu Boden, so unglücklich

Geschichten aus den Bergen.

| obendrein, daß er, da der Ofen an der Wand auftecht stehen
j blieb, nur so weit zum Niedcrsitzen gedieh, als es dessen Füße
■ gestatteten, und jeder Selbsthilfe unfähig, erst durch die auS
vcr Schankstube auf das unerklärliche Gepolter Hcrbeieilenden
auS seiner leidenden Lage befreit werden konnte, was zuvörderst
durch Trennung der Last von ihrem Träger bewerkstelligt

„Aber Mörtlbauer, Ihr habt's gewiß in der Stadt was
ang'stellt und 's Ofentrag'n is die Straf, dö's dafür euch
aufbracht hab'n," so tönte eine Stimme ganz nahe in sein
Ohr, zu den hilfreichen Armen gehörig, die ihn auf die Füße
gestellt und er blickte in ein Gesicht aus dessen leichtgerümpf-
ten Nasenflügeln und herabgezogenem linken Augenliede gute Laune
mit einer bedeutenden Dosis Verschmitztheit versetzt hervorblitzte.

„Laß mi mit Fried', Simmerl," brummte der Verun-
glückte mürrisch; „schaut's liaba daß i was z'trink'n kriag"
und schob in die Stube, wo er behaglich die ganze Wucht
seines Körpers auf eine Bank niederfallen ließ, daß sie laut
aufkrachte; bald war ein Krug schneidigen Schilchers zur Stelle,
dessen Inhalt denn auch augenblicklich wie ein Gicßbach durch
seine Kehle niederrauschtc; nachdem der Krug zur abermaligen
Füllung hingcreicht und ein tüchtiges Stück kaltes Rindfleisch
zermalmt war, begannen die gesellschaftlichen Beziehungen,
welche er inzwischen ganz vernachläßigt, wieder ihre Geltung
zu erlangen und bald war es Hahn-Simmerl, der seiner tollen
Laune wegen weit und breit beliebt und seiner praktischen
Späße halber fast eben so gefürchtet war, gelungen, ihn in
ein lebendiges Gespräch zu verwickeln, dessen Angelpunkt natür-
lich die neue Errungenschaft MörtlbaucrS abgeben mußte.

„Wißt'S was, Mertl?" sagte Simmerl, „i hält' a G'schäst
für Eng. — Oes habt's no nuze zwoa Stund'n in GloLn-
grab'n eini, da wird Eng der Ossn sicher z'schwar und öS wißt's
gar nöt ob er z'brauch'n is; laßt's 'n mir den Winter auf
Prob — aufs Jahr, wann er taugt, trag' i 'n Eng selber
gar auffi."

„Hol' Dir selber oan in der Stadt, wann's d's Geld
z'sammbringst," war die höhnische Antwort.

„I gebat Eng mein' Schrötstuz'n, er geht sakrisch hi —
ös habt's 's g'segn, wia i fertn den Fuchs auffigsott'n Hab'."

„DöS Han i wol g'segn und dös a no dazua, wia er
mit'n Befn aufg'wischt hat."

„Aba g'schreckt hat er fi do höllisch, daß er nimma kumma
iS; nöt oan oanzig's Heandl hat er mir mehr g'holt —"

„Weil 's letzte Paar! der Kramer 'n Tag d'rauf kaft hat."

„Na, wann Eng der Stutz'n nöt gnuag is, so gib i
mei Zitern a no drauf, und lern' Eng 'n ganz neuen Zappler

„Zappl Du di z'wegn mei z'Tod 'n Ofen kriagst do nöt."

„Na, was müaßt i Eng denn no vahoaß'n?"

„Nir, i gib'n nöt her, aba wann's da dahoam z'kalt
wftd, kannst z'mir auffi kumma und die a Virtlstund 'awarma."

„Also der Ofn iS Eng nöt feil?"

„I ho schon g'sagt na—a."

„Guat, so kriag i 'n umsist!"
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