j 164 Geschichten aus den Bergen,
schütteln — umsonst — die Stricke hielten fest; er griff nach
dem Messer, sie zu zerschneiden — wehe der Ofen ließ ihn
nicht die Hand in die Tasche bringen — halbverbrannt zog er
sie zurück. Bcrzwciflungsvoll sah er sich der Gnade eines
Wüthcrichs anheimgegeben, der mit einer Ruhe, wie Astaroth
j an den Qualen der Verdammten sich weidet, auf einen Baum-
strunk sitzend sein Schicksal so kaltblüttg zu bcttachten schien
als ob er einen Apfel braten sähe.
Die satanische Erhabenheit der nun folgenden Scene zu
schildern reicht eine schlichte deutsche Feder nicht aus; der Ver-
rathene und Geheizte fluchte, tobte und sprang wie ein Be-
sessener im Walde umher — bald aber zwang ihn steigende
Angst und Erschöpfung sich bittend an seinen Quäler zu wen-
den. „Thua ma 'n Of'n weg, Simmerl; i bitt Di recht
: schö — Du kannst 'n hab'n für'n Stutz'n." „War wohl
j rat," war die Antwort, „i kriag'n leicht umsist und Du muaßt
ma no recht schön dank'n — Du schau, i moan gar, da Zanka
raucht scho." „So thua ma'n nur weg um Gott'swillcn, i
gib Der'n ja gern." „Nit ehnder bis d'ma schwörst, daß D'
nöt Harb bist und ma nir thuast." „I bin ja nöt Harb, wö
sollt' i denn Harb sei, und thua Da ja nir, so wahr i Mensch
bin, aba weg mit'n Of'n, weg!" Simmerl sprang rasch zu
ihm und ein paar Schnitte des bereit gehaltenen WaidmesserS
trennten die Stricke, Mertl war frei.
Sprachlos starrte er das auf dem Boden liegende Unge-
; thüm an, wie eine Märchcnprinzcssin den scheußlichen Drachen,
! den ein kühner Jüngling zu ihren Füßen todt hingestreckt;
! sprachlos sah er wie Simmerl den Bauch des Unholds der
j feurigen Eingeweide entledigte, zur Erhöhung seines Schmerzens
! bemerkend, daß ihm die Angst bei weitem mehr eingeheizt als
! der Ofen selbst, dentt was Simmerl herauswarf waren Reste
; von Heu und Stroh, nichts weniger als zur nachhalttgen Wärme-
: entwicklung geeignet. Endlich enttang sich der keuchenden Brust
j der schmerzliche Vorwurf: „Simmerl, wö hast ma dös anthan ?!"
„Gak, wia HLtt' i denn sunst 'n Of'n freiwilli von Dir
j kriagt?" war die wohlgemuthc Erwiderung.
„Simmerl, Du bist a fünf Viertlbroater, mit Dir geh'n
i bald wida," war der Abschiedögruß des Ofenlosen, als er
sich zum Gehen wandte, während der neue Eigenthümer bei
der errungenen Trophäe fitzen blieb, um sie, wie er mit freund-
lichem Blinzeln bemerkte, erst a bißl auskühl'n zu lassen.
Als Mörtlbauer einige Schritte entfernt war, klangen
! ihm von einer Hellen Stimme mit starkem Kehllaute auf eine
j bekannte Melodie gesungen die Versleins nach:
,,'n Oan is vahoaß'n,
den andern is b'stimmt —
's is not wia ma'S moana thuat,
's is glei nur wia's kimmt."
Das Gewitter über den kahlen Busch.
Monolog deS alten Schneidermeisters Nieselhuber.
„Ist mir schonst recht, mir alten Kerl! war so vernarrt
in das Mädel, die Christel, weil se hübsch iS un hätte mich
in mein'n Alter ooch recht abgewart't. Da bin ich gestern
Abend bis umc Zehne bei Kühne sitzen geblieb'n un Hab' mich
e Mal an Biere recht satt gcttunken, s' muß ooch sin, jaja,
nence. Da macht aber das Mädel mir gestern Abends ee
Donnerwetter über's and're und sagt, wenn ich das noch e
Mal thäte machen, thät sc mich nich hcirathcn. Das sagt das
junge Mädel, der Gelbschnabel, zu mir alten Manne mit der
Platte; schämen sollt'ch mich, sagt' sc, ich hätte schonst ene
Platte un wäre noch so lüderlich; un ec Donnerwetter über's
andere kam über meine ehrwürdige Platte. Nu is aber ooch
alle Liebe zu das Mädel weg; s' is gerade so, wcnn'S in
Frühjahre donnert, da spricht man ooch: s'Gewitter geht über
den kahlen Busch, S'wird wieder kalt. Bei mir is nu ooch
wieder kalt, ich habe kcene Liebe nich mehr zu das Mädel,
wenn die en alten Manne mit cn kahlen Kopfe, wie ich bin,
kann so mitspielcn, der se heirathen will."
Gheliche Zärtlichkeit.
Gudl. „Lieber Eisig, eß nor, loß Dir's schmecken, Du
maßt doch, S'ist Dir vergunnt."
Eisig. „Wozu soll das? Vergunn mir's nit, ich cß doch."
schütteln — umsonst — die Stricke hielten fest; er griff nach
dem Messer, sie zu zerschneiden — wehe der Ofen ließ ihn
nicht die Hand in die Tasche bringen — halbverbrannt zog er
sie zurück. Bcrzwciflungsvoll sah er sich der Gnade eines
Wüthcrichs anheimgegeben, der mit einer Ruhe, wie Astaroth
j an den Qualen der Verdammten sich weidet, auf einen Baum-
strunk sitzend sein Schicksal so kaltblüttg zu bcttachten schien
als ob er einen Apfel braten sähe.
Die satanische Erhabenheit der nun folgenden Scene zu
schildern reicht eine schlichte deutsche Feder nicht aus; der Ver-
rathene und Geheizte fluchte, tobte und sprang wie ein Be-
sessener im Walde umher — bald aber zwang ihn steigende
Angst und Erschöpfung sich bittend an seinen Quäler zu wen-
den. „Thua ma 'n Of'n weg, Simmerl; i bitt Di recht
: schö — Du kannst 'n hab'n für'n Stutz'n." „War wohl
j rat," war die Antwort, „i kriag'n leicht umsist und Du muaßt
ma no recht schön dank'n — Du schau, i moan gar, da Zanka
raucht scho." „So thua ma'n nur weg um Gott'swillcn, i
gib Der'n ja gern." „Nit ehnder bis d'ma schwörst, daß D'
nöt Harb bist und ma nir thuast." „I bin ja nöt Harb, wö
sollt' i denn Harb sei, und thua Da ja nir, so wahr i Mensch
bin, aba weg mit'n Of'n, weg!" Simmerl sprang rasch zu
ihm und ein paar Schnitte des bereit gehaltenen WaidmesserS
trennten die Stricke, Mertl war frei.
Sprachlos starrte er das auf dem Boden liegende Unge-
; thüm an, wie eine Märchcnprinzcssin den scheußlichen Drachen,
! den ein kühner Jüngling zu ihren Füßen todt hingestreckt;
! sprachlos sah er wie Simmerl den Bauch des Unholds der
j feurigen Eingeweide entledigte, zur Erhöhung seines Schmerzens
! bemerkend, daß ihm die Angst bei weitem mehr eingeheizt als
! der Ofen selbst, dentt was Simmerl herauswarf waren Reste
; von Heu und Stroh, nichts weniger als zur nachhalttgen Wärme-
: entwicklung geeignet. Endlich enttang sich der keuchenden Brust
j der schmerzliche Vorwurf: „Simmerl, wö hast ma dös anthan ?!"
„Gak, wia HLtt' i denn sunst 'n Of'n freiwilli von Dir
j kriagt?" war die wohlgemuthc Erwiderung.
„Simmerl, Du bist a fünf Viertlbroater, mit Dir geh'n
i bald wida," war der Abschiedögruß des Ofenlosen, als er
sich zum Gehen wandte, während der neue Eigenthümer bei
der errungenen Trophäe fitzen blieb, um sie, wie er mit freund-
lichem Blinzeln bemerkte, erst a bißl auskühl'n zu lassen.
Als Mörtlbauer einige Schritte entfernt war, klangen
! ihm von einer Hellen Stimme mit starkem Kehllaute auf eine
j bekannte Melodie gesungen die Versleins nach:
,,'n Oan is vahoaß'n,
den andern is b'stimmt —
's is not wia ma'S moana thuat,
's is glei nur wia's kimmt."
Das Gewitter über den kahlen Busch.
Monolog deS alten Schneidermeisters Nieselhuber.
„Ist mir schonst recht, mir alten Kerl! war so vernarrt
in das Mädel, die Christel, weil se hübsch iS un hätte mich
in mein'n Alter ooch recht abgewart't. Da bin ich gestern
Abend bis umc Zehne bei Kühne sitzen geblieb'n un Hab' mich
e Mal an Biere recht satt gcttunken, s' muß ooch sin, jaja,
nence. Da macht aber das Mädel mir gestern Abends ee
Donnerwetter über's and're und sagt, wenn ich das noch e
Mal thäte machen, thät sc mich nich hcirathcn. Das sagt das
junge Mädel, der Gelbschnabel, zu mir alten Manne mit der
Platte; schämen sollt'ch mich, sagt' sc, ich hätte schonst ene
Platte un wäre noch so lüderlich; un ec Donnerwetter über's
andere kam über meine ehrwürdige Platte. Nu is aber ooch
alle Liebe zu das Mädel weg; s' is gerade so, wcnn'S in
Frühjahre donnert, da spricht man ooch: s'Gewitter geht über
den kahlen Busch, S'wird wieder kalt. Bei mir is nu ooch
wieder kalt, ich habe kcene Liebe nich mehr zu das Mädel,
wenn die en alten Manne mit cn kahlen Kopfe, wie ich bin,
kann so mitspielcn, der se heirathen will."
Gheliche Zärtlichkeit.
Gudl. „Lieber Eisig, eß nor, loß Dir's schmecken, Du
maßt doch, S'ist Dir vergunnt."
Eisig. „Wozu soll das? Vergunn mir's nit, ich cß doch."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Gewitter über den kahlen Busch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 525, S. 164
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg