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Die Hosen des Bischofcs.

Schneider schicke, wie man vorgeschlagcn, dagegen muß ich'mich
feierlichst erklären, weil der Mißdeutung und Vcrläumdung da-
durch die reichste Nahrung geboten werde» würde. Nein, die
ganze Angelegenheit muß innerhalb dieser Mauern zu Ende
gebracht werden. Haben wir nicht die Novize Agnes? Sie
hat dse heiligen Gelübde noch nicht abgelegt und ist gleichsam
noch, ein halbes Weltkind. Sie , soll das Kleidungsstück reparircn.
So haben wir den Willen des hochwürdigsten Bischofs erfüllt
und dennoch unserer Würde, keinen Eintrag gethan!"

Der Vorschlag fand allscitige Zustimmung. Agnes, ein
etwa achtzehnjähriges Mädchen mit sehr weltlich blitzenden
Augen, die sie aber jetzt bescheiden niederschlug, wurde gerufen
und empfing von der Aebtissin den Befehl, die-Beinkleider mit
auf ihre Zelle zu nehmen und die sich vorfindenden Schäden
auszubcsscrn, jedenfalls aber damit vor Sonnenuntergang zu
Stande zu kommen, da das Kleidungsstück nicht über die Nacht
innerhalb des Klosters bleiben dürfe.

Agnes hatte längst ihre Aufgabe gelöst und war eben
damit beschäftigt, einen angcfangenen Brief mit der Unterschrift
zu versehen: „Deine Dich herzlich liebende Agnes Nestler,
leider Novize zu Sankt Agath" und ihn zu falten, als die
Aebtisfin cintrat. Zum Tod erschrocken, wußte das überraschte
Mädchen 'den unglückseligen Brief, der unter keiner Bedingung
in die Hände der strengen Oberin fallen durste, auf keine
andere Weise zu beseitigen, als indem sie ihn rasch in die
Tasche der bischöflichen Beinkleider steckte. Sie war aber dabei
unklug genug, zu sagen, daß sic mit der Arbeit fertig sei,
worauf sie unter Aufsicht der Aebtissin mit eigenen Händen i
das Kleidungsstück zusammenpacken mußte, das nun einem !
bereits harrenden Boten übergeben wurde, um es dem Bischof
zu übcrbringen. Die Aebtissin athmetc hoch auf, als dieß ge-
schehen; der arme» Agnes aber fiel cs erst jetzt schwer auf's
Herz, wie ihr liebeathmendcr Klagebrief so ganz und gär seine
Adresse verfehlen mußte. Blieb der Brief unbeachtet in der
Tasche des Bischofs, was noch der glücklichste Fall war, so
konnte ihn Sepherl ja nicht lesen, und sie hatte dem Geliebten
! in diesem Briefe ihr ganzes Herz ausgeschüttet und ihn be-
! schworen, Himmel und Erbe aufzubicten, um sie aus ihrer
Gefangenschaft zu erlösen.

Mehrere Tage vergingen, welche Agnes in der peinlichsten
> Angst verlebte. Da gcrieth eines Morgens das Kloster in
i eine Aufregung, wie sie auf diesem Schauplatz stiller Beschau-
lichkeit' nur selten zu finden war. Der' Bischof hatte dem
Kloster einen Besuch abgestattet und die Aebtissin hatte ihn
j mit einiger Verlegenheit, aber in pflichtmäßiger Ehrfurcht em-
pfangen. Mit Spannung erwartete sie, daß der Bischof seines
so anstößigen Befehls gedenken werde, und sie hatte sich schon !
eine wohlgesetzte Rebe ausgcdacht, durch welche sie den Kirchen- !
fürsten fühlen lassen wollte, aus welche harte Probe er ihre !
christliche Ergebung gesetzt. Aber nichts dergleichen erfolgte.
Der Bischof verlangte nur, die Novize Agnes unter vier Augen
zu sprechen.

Wie bang und zitternd die Novize vor den Kirchenfürsten

i trat, brauchen wir nicht zu beschreiben. Daß es aber der
; menschenfreundliche Mann verstand, durch liebreichen Zuspruch
j das Herz des Mädchens zu öffnen und daß er ihr Vertrauen
! durch Hoffnungsvcrhcißung erwiederte, war auf ihren fteudig
I gerötheten Wangen, in ihren leuchtenden Augen zu lesen. Mit
einem seltsamen Lächeln nahm der Bischof von der Aebtissin
i Absckied, die sich dies alles nicht zu erklären wußte und ver-
' geblich Birten und Drohungen anwandte, Agnes zum Gcständniß
zu bringen, was der hochwürdigste Herr mit ihr verhandelt.

. Schon am folgenden Tage hatte der Pächter Nestler eine
Audienz bei dem Bischof. Er war nicht wenig überrascht, als
j der Kirchensürst in den ganzen Liebeshandel seiner Tochter auf's

> Genaueste eingeweiht zu sein schien, was ihn nicht verhinderte,
! rund zu erklären, baß er eben darum seine Tochter Nonne

> werden lassen wolle, um der .windigen Liebelei ein für alle-
mal ein Ende zu machen.

„Und weiter habt Ihr an dem jungen Mann nichts aus-
' zusetzen, als seine Armuth und seine Amtlosigkeit?" fragte der
Kirchenfürst.

„Weiter in der That nichts!" antwortete der Pächter,
j „Der Sepherl ist sonst ein guter Bursche, kein Raufbold und
I kein Säufer; soll auch ein geschickter Jäger sein."

„Daß Eure Agnes nicht für das Kloster taugt, werdet
! ihr einschen," fuhr der Bischof fort; „cs gibt aber noch ein
! anderes Mittel, ihr die Liebeleien zu vertreiben, wie Jhr's
1 nennt. Wie wär's, wenn Ihr meinem Lcibjäger die Agnes
zur Frau gäbet?"

„Dem alten Hubert?!" rief der Pächter erschrocken. „Ich
wette drauf, da geht die Agneserl doch noch lieber in's Kloster!"

„Nicht Der!" lächelte der Kirchenfürst. „Hubert ißt das
Gnadenhrod. Ich Hab' einen neuen Leibjäger. Da seht ihn."

Der Bischof öffnete die Thür und „Sepherl!" rief der
! erstaunte Pächter beim Anschaucn des stattlichen jungen Mannes,
j der die bischöfliche Livree trug. Noch halb widerstrebend gab
er seine Einwilligung, baß Agnes in die Hand Sepherls ihr
j Gelübde ablege, nachdem sie noch ein kurzes Noviziat der Braut-
! schaft überstanden.

Seinem Kammerdiener aber gab der Bischof die Weisung,

I die schadhaft gewordenen Beinkleider künftig zu dem Schneider-
! meister Agath, nicht nach dem Kloster Sankt Agath zu tragen,
„denn," fügte er lächelnd hinzu, „die ehrwürdigen Schwestern
; möchten sonst am Ende alle ihre Novizen verlieren!"

L. Köhler.

Gerechter Vorwurf.

,Was schaut mich der Herr so mitleidig an.? Vielleicht
weil ich nicht elegant genug gekleidet bin? Spare der Herr
sein Mitleid für Jemand Andern. ' Mir dünkt es besser, gar
keinen Rock zu besitzen, wenn er nur bezahlt ist, als einen
j noblen Anzug, für den der Schneider noch zu fordern hat!"

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