Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
187

Die Erfindung der Spitzcnklöppelei.

drei Mal mit seinen zarten Fittigen, und — auf that sich
die Thüre des Felsens. Zwei Greife bewachten dies Heilig-
thum. Blitze zuckten aus ihren Augen, Feuer schnob ihr
Rachen, doch ruhig streckten sic sich nieder, als die beiden
Pilgrime die neunundneunzig Alabasterstufcn hinabstiegen.
Lampen, aus Eis geformt, erleuchteten kühlend das Innere
der Grotte, deren Wände aus goldgcrandeten Muscheln,
Smaragd- und Granatkrystallen bestanden. Im Hinter-
gründe stand ein Thron-Baldachin aus Rubin. Auf ihm
saß eine Zwerggestalt, dieselbe, der Barbara einst auf dem
Scheibenberge begegnet. Sie erkannte in ihr den Herrn des
Gebirges, verneigte sich dcmuthsvoll und sprach:

„Oromomossan, erhabener Geist, wir wagten den ge-
fährlichen Gang. Du hast mir genommen, was Du mir
gegeben. Ich verlange sie nicht wieder, jene Schätze. Dein
Name sei gelobet! Nur laß die Mutter uns genesen und
segne uns! Gerne wollen wir auch im Schweiße unseres
Angesichts arbeiten; nur diese Bitte erfülle uns!"

„Du verspottest also meine Gaben!" rief lachend der
Pei ggeist. „Sieh, was Du verschmähest!" Er winkte und
cs öffneten sich hohe Tuten mit Gold vor ihnen. „Wisse,
reicher, als eine Fürstin wollt' ich Dich machen! Doch,
wie Du willst! Als Bettlerin sollst Du allein von Lieb-
holds Liebe leben."

„Und ich werde glücklich sein, Herr!" rief das Mäd-
chen errothend, und ein herzlicher Kuß brannte auf Licb-
holds Lippen. Und dieser siel entzückt, daß Barbara ihn
so innig liebe, nieder vor dem Machtzwcrge und berührte
im Drange seiner Gefühle den Zaubcrstab deö Thronherrn.

„Unglücklicher, waS hast Du gethan?" rief dieser zor-
nig aus. „Diese Berührung gibt Dir die Kraft der Un-

sterblichkeit. Bleiben wirst Du in Deiner jetzigen Gestalt
und Stärke, und Deine Liebe wird altern, biö Barbara
dahinwelkt, gleich der Rose, die der Herbst abmäht. Siehe,
wenn Du sieben Mal sieben Jahre in Deiner jugendlichen
Kraft fortgelebt hast, siehe dann das Bild Deiner Geliebten!" —
Er berührte Barbara mit dem umgekehrten Ende seines
Stabes: „Siehe!"

Liebhold bebte zurück. Die reizende Jungfrau war in
ein altes gebücktes Mütterchen verwandelt worden. Aber
auch Barbara war erstaunt, denn Liebhold stand in hoher
Schönheit und Kraft vor ihr.

„Grausamer!" rief der erschrockene Jüngling, „was
that ich Dir? Nie trachtete mein Auge nach Schönheit;
mein Herz sehnte sich Kur nach einem gleichen Wesen, nach
einer Liebe, wie sic meine Barbara nur mir zu geben im
Stande ist. Gieb mir diese, und ich verlange weder Reich-
thum noch Schönheit. In der Liebe zu ihr winkt mir
Unsterblichkeit."

Er wollte weiter reden, da rollte langsam verhallend
ein Donner durch die Höhle, daß der Berg erkrachte. Und
verschwunden war der Zwerg, und der erhabene König des
Gebirges, Oromomossan, stand in riesiger Gestalt vor ihnen.
Ein goldgestickter Purpurmantel floß von seinen Schultern
hernieder, in eine Lilie war sein Scepter verwandelt, und
mit dieser berührte er das Liebespaar, daß Beide ihre vorige
Gestalt zurück erhielten.

„Eure Liebe hat gesiegt!" sprach lächelnd der Mächtige,
indem er winkte. Da erschienen liebliche Genien, auf großen
farbigen Schmetterlingen durch die Lust fliegend und in
den Händen ein schneeweißes Gewand führend.

„Hier, Barbara, meine Hochzeitgabe!" Es war ein
Brautkleid, zarter denn der Schnee deö Gebirges, feiner
als das Gewebe der Spinne und gar wundervoll künstlich
mit Blumen verwebt. „Wisse," fuhr er fort, „das Garn

des Kleides wird sich in unzähliges Silber verwandeln.
Die ganze Flur, die Du dort unten überschaust, wird sich
aus Hanf den größten Wohlstand schaffen, dies Kunstge-
webe wird Deinen Enkeln und Enkelinnen noch Glück und
Segen verleihen."

Dann wandte er sich gegen Liebhold: „Du, mein
Sohn, nimm diese» Wanderstab. Er begleite Dich auf
Deiner rüstigen Pilgerfahrt durch's Leben. Seid Beide
glücklich!"

Und er berührte sie Beide mit der Lilie, und hiermit
waren sie der Erde wieder gegeben, und jenes himmlische
Entzücken, das sie in der Höhle des Geistes beseligt hatte,
wandelte sich nun in eine mehr ruhige, aber desto mehr an-
haltendere, heitere Stimmung um. Die Mutter war gene-
sen. Sie theilte nun um so inniger Beider Freuden. Wie
erstaunten aber alle Drei, als Liebhold seinen Wandcrstab
mit goldenen Klöppeln und silbernen Spindeln gefüllt fand.
Und sic hoben ihre Hände auf zum Lobe Dessen, der da
hilft in der Roth und treue Liebe lohnt.

24*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Erfindung der Spitzenklöppelei"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Zepter
Zwerg
Besuch
Krone <Motiv>
Liebespaar <Motiv>
Bitte <Motiv>
Geste <Motiv>
Thron
Karikatur
Liebe <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Berggeist
Grotte <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Sachsen

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 42.1865, Nr. 1040, S. 187
 
Annotationen