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Die Rose von Empfingen.
Schrei beim Anblick des geliebten Toden darnieder; auch Frau
Gertraud hielt sich kaum auf den Füßen bei dem schrecklichen
Schauspiel, da sie die Trauerkunde von des Meisters Lippen
vernahm.
Die drei Bösewichter wurden, nachdem man sie der her-
zugerufenen Schaarwacht übergeben, in den Stadtthurm geworfen,
um allda, in schwere Eisen gelegt, des Gerichtes zu harren;
ihre Genossen hatten sich, da des Kampfes Getöse zu ihren
Ohren drang, bei Zeiten aus dem Staube gemacht.
Als man des Todten irdische Hülle auf ein weiches
Lager gebettet hatte, wurde der trauernden Eltern Herz von
i der Sorge um Elsbeth's Zustand auf's Neue beschwert, die
! zwischen Tod und Leben kämpfte.
Der von den Hausgenossen schleunigst herbeigerufene
I Arzt fand sie von einem hitzigen Fieber befallen, dessen Aus-
j gang ihm arges Bedenken einflößte; mit schonenden Worten
! bereitete er die angsterfüllten Eltern auf das Schlimmste vor.
Am andern Morgen stand Eckbcrt mit seiner Frau vor
des einzigen Kindes Leiche, dem des Geliebten schrecklich Loos
das Herz gebrochen. Die traurige Kunde von der Schreckens-
nacht hatte des Stüdtleins Bewohner aus dem Morgenschlummer
gerissen und die vielen Freunde der schwcrgetroffcnen Familie
in des Waffenschmieds Hause geführt. Vergebens suchte der
ehrwürdige Pater Ambrosius, des Städtleins Leutpriester, im
Verein mit des Schmiedes alten Freunden, das gramgebeugte
Elternpaar zu trösten. Mit krampfhaftem Schluchzen saß Frau
Gertraud vor der Bahre, darauf ihres Herzens Kleinod
von des Todes Fittich umfangen ruhte. Lange weilte, von
grimmigem Herzweh gepeinigt, keiner Regung fähig, der
starke Mann an der weinenden Ehegefährtin Seite, bis ihm
endlich der Thränen hervorbrechcnder Quell lindernden Balsam
für das zuckende Herz gewährte. Auf des Priesters Ge-
heiß hatte sich der Theilnehmeuden Schaar aus dem Trauer-
gemache entfernt, wo er nun im stillen Gebet für der Dahin-
gcschiedencn Seelen des Augenblicks harrte, da man seiner
begehren würde. —
Am selbigen Morgen zog durch des Städtleins Thore ein
stattlicher Zug reisiger Mannen nach dem Marktplatze, wo er
! vor der Herberge zum Hahnen Halt machte; das Käpplein in
! der Hand, eilte Meister Jost, der behäbige Wirth, vor die Thür,
der fürnehmen Gäste Begehr zu erkunden. Der Limburger
Graf und Walther von der Vogelwcide, die hier ihres Rittes
Ziel erreicht, schwangen sich, Quartier und Zehrung für sich
und ihr Gefolge heischend, aus den Sätteln. Von Meister
Jost in die Gaststube geleitet, sragten sie, während ihr Gefolge
nach den Rossen sah und mit dem Reiscgeräth hantirte, nach
dem Waffcuschiniede des Stüdtleins, und begehrten eines Boten,
der sie zu seinem Hause führte. „Werdet dort zur Zeit schwer-
lich Euer Ansinnen erfüllt sehen, edle Herren," meinte der
Wirth, der da wähnte, seiner Gäste Besuch erstrecke sich auf
des Meisters Gewerbe, „kommt just zu einer Stunde, da bit-
teres Herzeleid und Trauer dort ihre Stätte genommen," und
j berichtete auf der erschrockenen Ritter Fragen die Begebnisse
der Nacht. Wie vernichtet sank der alte Graf, da er die
Trauermähr vernahm, nur von des Freundes treuen Arm ge-
stützt, auf einen Schemel, wo er keines Wortes und keiner
Thräne mächtig, vergeblich nach Fassung rang. Walther, den die
Schreckensbotschaft kaum minder schwer traf, verschwendete um-
sonst die tröstenden Worte au den greisen Geführten, der
regungslos des Freundes liebevolle Rede über sich ergehen ließ,
bis er endlich, sich mühsam von dem Sitze erhebend, mit ton-
loser Stimme von Neuem eines Führers zu des Waffenschmieds
Hause begehrte.
Von des Wirthes Buben geleitet, erreichte er an des I
Freundes Seite nach kurzem Wege die Stätte, wo seines Alters
einzige Hoffnung und Freude ihr jähes Ende genommen.
Tiefgebeugt stand er nun vor seines Sohnes Leiche, deß
traurig Geschick ihn des väterlichen Zornes ob des Jünglings i
unbesonnenem Thun jetzt vergessen ließ, und drückte dem trau- I
ernden Elternpaare, die ein gleiches Herzeleid mit ihm vereinte, i
voll tiefer Bewegung die Hände. Da er des holden Mägd- :
leins ansichtig ward, die, ein Bild der frömmsten Unschuld und j
Reinheit, im weißen Sterbekleide auf der Bahre ruhte, fand
er, bewältigt von der bleichen Züge jetzt schier überirdischen
Schönheit, des Sohnes Fehl wohl verzeihlich. Gern hätte er
die schlichte Jungfrau nun Tochter genannt, so er des jungen ;
Liebespaares traurig Geschick hätte ungeschehen machen können.
Auch Herr Walther war mächtig ergriffen ob des Mägdleins |
hoher Schönheitsfülle, und schämte sich nicht der Zähren, die ;
ihm seines jugendlichen Freundes und seiner Trauten schmerzlich (
Loos entlockte. Nach Albrechts Wunsch, der einstmals zu seinen
Hausgenossen geäußert, daß er sich, wenn ihn dereinst der Tod '
ereile, keine traulichere Ruhestätte wünsche, wurde er mit seinem ^
holden Lieb unter der Eiche bestattet, wo er sein Plötzlich Ende
gefunden. Der Trauerzug ward von des ganzen Städtleins Be-
wohnerschaft zu der durch des Priesters Hand vorher geweihten
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Die Rose von Empfingen.
Schrei beim Anblick des geliebten Toden darnieder; auch Frau
Gertraud hielt sich kaum auf den Füßen bei dem schrecklichen
Schauspiel, da sie die Trauerkunde von des Meisters Lippen
vernahm.
Die drei Bösewichter wurden, nachdem man sie der her-
zugerufenen Schaarwacht übergeben, in den Stadtthurm geworfen,
um allda, in schwere Eisen gelegt, des Gerichtes zu harren;
ihre Genossen hatten sich, da des Kampfes Getöse zu ihren
Ohren drang, bei Zeiten aus dem Staube gemacht.
Als man des Todten irdische Hülle auf ein weiches
Lager gebettet hatte, wurde der trauernden Eltern Herz von
i der Sorge um Elsbeth's Zustand auf's Neue beschwert, die
! zwischen Tod und Leben kämpfte.
Der von den Hausgenossen schleunigst herbeigerufene
I Arzt fand sie von einem hitzigen Fieber befallen, dessen Aus-
j gang ihm arges Bedenken einflößte; mit schonenden Worten
! bereitete er die angsterfüllten Eltern auf das Schlimmste vor.
Am andern Morgen stand Eckbcrt mit seiner Frau vor
des einzigen Kindes Leiche, dem des Geliebten schrecklich Loos
das Herz gebrochen. Die traurige Kunde von der Schreckens-
nacht hatte des Stüdtleins Bewohner aus dem Morgenschlummer
gerissen und die vielen Freunde der schwcrgetroffcnen Familie
in des Waffenschmieds Hause geführt. Vergebens suchte der
ehrwürdige Pater Ambrosius, des Städtleins Leutpriester, im
Verein mit des Schmiedes alten Freunden, das gramgebeugte
Elternpaar zu trösten. Mit krampfhaftem Schluchzen saß Frau
Gertraud vor der Bahre, darauf ihres Herzens Kleinod
von des Todes Fittich umfangen ruhte. Lange weilte, von
grimmigem Herzweh gepeinigt, keiner Regung fähig, der
starke Mann an der weinenden Ehegefährtin Seite, bis ihm
endlich der Thränen hervorbrechcnder Quell lindernden Balsam
für das zuckende Herz gewährte. Auf des Priesters Ge-
heiß hatte sich der Theilnehmeuden Schaar aus dem Trauer-
gemache entfernt, wo er nun im stillen Gebet für der Dahin-
gcschiedencn Seelen des Augenblicks harrte, da man seiner
begehren würde. —
Am selbigen Morgen zog durch des Städtleins Thore ein
stattlicher Zug reisiger Mannen nach dem Marktplatze, wo er
! vor der Herberge zum Hahnen Halt machte; das Käpplein in
! der Hand, eilte Meister Jost, der behäbige Wirth, vor die Thür,
der fürnehmen Gäste Begehr zu erkunden. Der Limburger
Graf und Walther von der Vogelwcide, die hier ihres Rittes
Ziel erreicht, schwangen sich, Quartier und Zehrung für sich
und ihr Gefolge heischend, aus den Sätteln. Von Meister
Jost in die Gaststube geleitet, sragten sie, während ihr Gefolge
nach den Rossen sah und mit dem Reiscgeräth hantirte, nach
dem Waffcuschiniede des Stüdtleins, und begehrten eines Boten,
der sie zu seinem Hause führte. „Werdet dort zur Zeit schwer-
lich Euer Ansinnen erfüllt sehen, edle Herren," meinte der
Wirth, der da wähnte, seiner Gäste Besuch erstrecke sich auf
des Meisters Gewerbe, „kommt just zu einer Stunde, da bit-
teres Herzeleid und Trauer dort ihre Stätte genommen," und
j berichtete auf der erschrockenen Ritter Fragen die Begebnisse
der Nacht. Wie vernichtet sank der alte Graf, da er die
Trauermähr vernahm, nur von des Freundes treuen Arm ge-
stützt, auf einen Schemel, wo er keines Wortes und keiner
Thräne mächtig, vergeblich nach Fassung rang. Walther, den die
Schreckensbotschaft kaum minder schwer traf, verschwendete um-
sonst die tröstenden Worte au den greisen Geführten, der
regungslos des Freundes liebevolle Rede über sich ergehen ließ,
bis er endlich, sich mühsam von dem Sitze erhebend, mit ton-
loser Stimme von Neuem eines Führers zu des Waffenschmieds
Hause begehrte.
Von des Wirthes Buben geleitet, erreichte er an des I
Freundes Seite nach kurzem Wege die Stätte, wo seines Alters
einzige Hoffnung und Freude ihr jähes Ende genommen.
Tiefgebeugt stand er nun vor seines Sohnes Leiche, deß
traurig Geschick ihn des väterlichen Zornes ob des Jünglings i
unbesonnenem Thun jetzt vergessen ließ, und drückte dem trau- I
ernden Elternpaare, die ein gleiches Herzeleid mit ihm vereinte, i
voll tiefer Bewegung die Hände. Da er des holden Mägd- :
leins ansichtig ward, die, ein Bild der frömmsten Unschuld und j
Reinheit, im weißen Sterbekleide auf der Bahre ruhte, fand
er, bewältigt von der bleichen Züge jetzt schier überirdischen
Schönheit, des Sohnes Fehl wohl verzeihlich. Gern hätte er
die schlichte Jungfrau nun Tochter genannt, so er des jungen ;
Liebespaares traurig Geschick hätte ungeschehen machen können.
Auch Herr Walther war mächtig ergriffen ob des Mägdleins |
hoher Schönheitsfülle, und schämte sich nicht der Zähren, die ;
ihm seines jugendlichen Freundes und seiner Trauten schmerzlich (
Loos entlockte. Nach Albrechts Wunsch, der einstmals zu seinen
Hausgenossen geäußert, daß er sich, wenn ihn dereinst der Tod '
ereile, keine traulichere Ruhestätte wünsche, wurde er mit seinem ^
holden Lieb unter der Eiche bestattet, wo er sein Plötzlich Ende
gefunden. Der Trauerzug ward von des ganzen Städtleins Be-
wohnerschaft zu der durch des Priesters Hand vorher geweihten
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Rose von Empfingen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 58.1873, Nr. 1456, S. 186
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg