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Die Rache de
Sprüngen vorwärts. Im selben Momente lag er im Sande.
Der General, der unterdessen herangekommen war, that
so, als wenn er von bcm ganzen Vorfall Nichts gesehen hatte
und ritt, begleitet von seinem Adjutanten, an dem Oberst
vorbei, ruhig die Front des Regiments herunter.
Als sich der Oberst mit Hülse des mit unschuldigster Miene
herbeigeeilten Johann von der Erde erhoben hatte und sah, das;
der Jnspizirende bereits beim Regiment war, kam ihm seine
Geistesgegenwart wieder und er bestieg, wenn auch mit schwerem
Herzen und schmutziger Uniform seinen alten rattenschwänzigen
Braunen, auf welchem er dann die ganze Jnspizirung mitmachte.
Alles ging vorzüglich, und der General sprach seine volle
3 Grenadiers.
Zufriedenheit über das Exerziren ans. Stolz zog der Oberst an
der Spitze seines Regiments nach Hause und noch stolzer kokettirte
der alte Braune mit seinem Rattenschwanz.
Der Oberst dachte, sich mindestens einen Orden errungen
zu haben. — —
Acht Tage später saß er in dieser freudigen Zuversicht beim
Kaffee, als der Briefbote eintrat und ihm gratulirend einen
blauen Brief überreichte. In freudiger Großmuth drückte er
dem Boten einen Thaler in die Hand; mit fieberhafter Hast
öffnete er und las: „Oberst B. zur Disposition gestellt!" —
Das war die Rache des Grenadiers!
H. v. Collede.
Alles umsonst.
Sie hat gewalzt an die fünfzehn Jahr'
Nach Fidel, Piano und Leier;
Doch flocht ihr kein Tänzer in's duftende
Haar
Den ersehnten bräutlichen Schleier.
Sic hatte zu Dutzenden Knallbonbons
Verzapft bei den Klängen des Cotillons,
Ging immer noch brav dekollctiret;
Sie konnte im Schlaf ihr balancez,
Hatte eingetanzt fast die halbe Armee —
Der Brautkranz nimmer sic zieret.
Das „Gebet der Jungfrau" behandelte sie
Bereits an die zwanzig Jahre,
Sie spielte jedwede Melodie,
Auch Offenbach's leichtere Maare.
Kein Mädchen hauchte mit mehr Gemüth
Ihre „Letzte Rose", ihr „Schifferlied",
Sie girrte so hold >vie ein Täubchen;
Sie wurde nicht müde, sic wurde nicht
matt,
Sic sang auf Verlangen sogar vour Blatt —
Und kam doch nicht unter's Häubchen.
Sie hatte sich kühn auf das Roß gesetzt,-
Graziöse Quadrillen geritten,
Sie hatte mit Herren gepürscht und gehetzt,
Wie sehr auch der Anzug gelitten.
Aus der Rousseau-Insel erotischem Eis
Beschrieb sie sinnig den zierlichsten Kreis
Mit anmuthig flatterndem Haare;
Es reichte ihr, ritterlich und galant,
Schon so mancher Schlittschuhläufer die
Hand —
Doch Keiner sie führt' zum Altäre
Sie dilettirte als Liebhaberin
In den zärtlichsten Backfisch-Partieen,
Die Liebhaber sah sie mit Heldensinn
Zu Dutzenden vor sich knieen.
Sie besuchte die Tanten von Stadt zu Stadt
Und ging jede Saison in ein anderes Bad,
Wie Rahel zum Brunnen zu schweben.
Ja selbst im Wohlthätigkeits-Bazar
Verkaufte sie zärtlichen Blicks gegen baar —
Umsonst — sie blieb unbegeben!
Da that sie das Herz in den Pompadour,
Nur sinnend auf glühende Rache,
Und nahm alle männliche Kreatur
Als Dichterin in die Mache;
That episch und lyrisch, dramatisch sogar
Der Männer gesammte Scheusäligkeit dar,
Den Hähern Töchtern zur Lehre.
Umsonst! Wie spitzig die Feder auch sticht,
Die Jugend und Schönheit, sie glaubten
ihr nicht —
Und meiter regierte Cythere.
H. m
3*
Die Rache de
Sprüngen vorwärts. Im selben Momente lag er im Sande.
Der General, der unterdessen herangekommen war, that
so, als wenn er von bcm ganzen Vorfall Nichts gesehen hatte
und ritt, begleitet von seinem Adjutanten, an dem Oberst
vorbei, ruhig die Front des Regiments herunter.
Als sich der Oberst mit Hülse des mit unschuldigster Miene
herbeigeeilten Johann von der Erde erhoben hatte und sah, das;
der Jnspizirende bereits beim Regiment war, kam ihm seine
Geistesgegenwart wieder und er bestieg, wenn auch mit schwerem
Herzen und schmutziger Uniform seinen alten rattenschwänzigen
Braunen, auf welchem er dann die ganze Jnspizirung mitmachte.
Alles ging vorzüglich, und der General sprach seine volle
3 Grenadiers.
Zufriedenheit über das Exerziren ans. Stolz zog der Oberst an
der Spitze seines Regiments nach Hause und noch stolzer kokettirte
der alte Braune mit seinem Rattenschwanz.
Der Oberst dachte, sich mindestens einen Orden errungen
zu haben. — —
Acht Tage später saß er in dieser freudigen Zuversicht beim
Kaffee, als der Briefbote eintrat und ihm gratulirend einen
blauen Brief überreichte. In freudiger Großmuth drückte er
dem Boten einen Thaler in die Hand; mit fieberhafter Hast
öffnete er und las: „Oberst B. zur Disposition gestellt!" —
Das war die Rache des Grenadiers!
H. v. Collede.
Alles umsonst.
Sie hat gewalzt an die fünfzehn Jahr'
Nach Fidel, Piano und Leier;
Doch flocht ihr kein Tänzer in's duftende
Haar
Den ersehnten bräutlichen Schleier.
Sic hatte zu Dutzenden Knallbonbons
Verzapft bei den Klängen des Cotillons,
Ging immer noch brav dekollctiret;
Sie konnte im Schlaf ihr balancez,
Hatte eingetanzt fast die halbe Armee —
Der Brautkranz nimmer sic zieret.
Das „Gebet der Jungfrau" behandelte sie
Bereits an die zwanzig Jahre,
Sie spielte jedwede Melodie,
Auch Offenbach's leichtere Maare.
Kein Mädchen hauchte mit mehr Gemüth
Ihre „Letzte Rose", ihr „Schifferlied",
Sie girrte so hold >vie ein Täubchen;
Sie wurde nicht müde, sic wurde nicht
matt,
Sic sang auf Verlangen sogar vour Blatt —
Und kam doch nicht unter's Häubchen.
Sie hatte sich kühn auf das Roß gesetzt,-
Graziöse Quadrillen geritten,
Sie hatte mit Herren gepürscht und gehetzt,
Wie sehr auch der Anzug gelitten.
Aus der Rousseau-Insel erotischem Eis
Beschrieb sie sinnig den zierlichsten Kreis
Mit anmuthig flatterndem Haare;
Es reichte ihr, ritterlich und galant,
Schon so mancher Schlittschuhläufer die
Hand —
Doch Keiner sie führt' zum Altäre
Sie dilettirte als Liebhaberin
In den zärtlichsten Backfisch-Partieen,
Die Liebhaber sah sie mit Heldensinn
Zu Dutzenden vor sich knieen.
Sie besuchte die Tanten von Stadt zu Stadt
Und ging jede Saison in ein anderes Bad,
Wie Rahel zum Brunnen zu schweben.
Ja selbst im Wohlthätigkeits-Bazar
Verkaufte sie zärtlichen Blicks gegen baar —
Umsonst — sie blieb unbegeben!
Da that sie das Herz in den Pompadour,
Nur sinnend auf glühende Rache,
Und nahm alle männliche Kreatur
Als Dichterin in die Mache;
That episch und lyrisch, dramatisch sogar
Der Männer gesammte Scheusäligkeit dar,
Den Hähern Töchtern zur Lehre.
Umsonst! Wie spitzig die Feder auch sticht,
Die Jugend und Schönheit, sie glaubten
ihr nicht —
Und meiter regierte Cythere.
H. m
3*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Alles umsonst"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1982, S. 019
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg