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I ü g c r s A ii it c l c von p t it b e I n it g.
(Schluß.)
Die Bauern waren schon bei Hindelang, und oben ans der
Burg griffen sie gleichzeits an. Ich sprach zum Annele: „Laß"
uns schleuniger laufen, die Alte noch zu getrösten. Daun aber
zeuch Du hinein ins Hintersteiner Thal zum Meßner meines
Filialkirchleins. Ich jedoch muß zurück nach Hindelang!"
Und wir gelangten zur Hütte der Liese. Das Weib lag
schon in den Zügen. Ich hörte ihre Beicht' und half ihr
Alles bekennen, da ich ihr sagt', ich wüßte durch den Politter,
Balthes sei der Sohn des Göhl. Sie müsse dem Göhl ver-
I zeihen. Das gelobte sie, und dann reicht' ich ihr die heilige
Wegzehrung. Dieweil kniete das Annele und betete. „Geht
nun, Herr", sagte die Maid, „ich bleibe bei der Lief' und
fürcht' mich nit." — Ich aber mahnte das Annele nochmals, vor
den Bauern zu fliehen nach Hinterstein, und sie sagt' mir's zu,
wenn die Liese vollendet Hab'; und ich ging aus der Hütte
zurück in's Hindelanger Thal. Da sah ich Feuerschein. Der
Herrensitz brannte, und oben auf der hohen Burg blitzte Schuß
auf Schuß. Auf der Heerstraß' aber, mir entgegen, Oberdorf
zu, rannt' ein Bauerntroß. Und ich erkannte, daß der Balthes
diese Rotte führte und daß sie den alten Göhl mit sich schleppten.
Wie der Balthes meiner ansichtig ward, befahl er mir, umzu-
kehren, zur Liese, seiner Mutter. Ich sagt' ihm, just hütt' ich
die mit der letzten Wegzehrung versehen. Da sprach der unholde
Gesell: „So eilen wir, damit sie noch den Alten hier.sehen
mag, wie er seine Seel' anshaucht! Lueg, Pfarrer, der ist's,
der sich von Kind und Mutter losgesagt! Der uns vertrieb
unter's Bettlerpack! Ich bin sein Sohn — aber auch ich will
ihn verläugnen! Komm' mit, dann siehst ihn hangen!"
Da klagt' ich laut auf in Schmerz und Zorn und lief
mehr als ich ging neben dem zitternden Göhl, den sie nur
so zerrten, und gelangte mit der Rotte wieder zur Hütte der
Liese. Das Annele war aber noch da und betete dem Weibe
die Sterbgebete vor. Und der Balthes schleppte seinen Bater
herein und schrie der Sterbenden in's Ohr: „Da ist Der, den
ich lang gesucht! Nun soll's mit ihm aus sein!" Da reckte
die Mutter sich noch einmal empor und sagte: „Verflucht sei'st
Du, Balthes, wenn Du ihm ein Übles thust! Ich Hab' ihm
verzieh'»." Und sie tastete nach der Hand des alten Göhl,
der ihre ergriff und festhielt. Dann starb das Weib. Und
das Annele erhob sich in seiner ganzen Groß' und sagte zum
Balthes: „Thu' dem Alten nichts, ich leid's nit!" Und ich
und die Maid deckten nun mit unsrer eig'nen Brust den Alten.
Da sprach der Balthes: „So leb' er schandbar fort. Du
aber, Dirnlein, Du mußt meine Buhlin sein!" Und er riß
die Maid an sich. „Mit uns geh'st Du," ries er, „wir woll'n
eine Bauernkönigin!" Das Annele wehrte sich und rief Marien,
die himmlische Helferin, an in ihrer Roth. Da schrie zur
offenen Thür' ein Spießgesell herein: „Fort! Vom Jochpaß
kommt's in dicken Schaaren 'runter! Das können nur Throler
sein! Zurück geschwind nach Hindelang, ansonsten seid Ihr
abgesperrt!" — Da kommandirt der Balthes den Abmarsch und
zog das Annele mit sich fort. Aber ich führte den alten Göhl
aus der Hütte der Todten, und gingen wir Beide hinter dem
laufenden Troße nach Hindelang. Da sahen wir, wie der
Landsturm der Throler, den soeben der Dorn gebracht hatt',
über all' die schlimmen Gesellen herfiel, so Die, welche schon
in Hindelang angezündet hatten, als auch über des Balthes'
zurückkehrende Schaar, und wie die Hindelanger Bürger neuen
Muth und neuen Stand faßten. Um die Pfarrkirch', auf dem
Friedhofsbühel, da stellten sich die vom Bundschuh zuletzt noch
fest. Der Balthes hatt' das Annele nit fortgelassen und die
Maid lag auf den Knien neben dem wüsten Gesellen; also
erblickte sie ihr Vater. „Bist etwan gutwillig an dem Platz",
rief er ihr zu, „so sollst verwünscht sein in Ewigkeit!"
„Nein, Vater, nein", sagte d'rnuf das Annele, „und eine
Kugel, da tief in mein Herz, die war' mir jetzt eine Wohlthat."
Ich hörte das Alles, denn ich hatt' den Göhl in's Pfarr-
haus geschafft und war dann im Freien auf den Dorn getroffen
und stand bei ihm und forcht mich nit.
„Du kriegst keine Kugel, aber Der", schrie der Dorn und
legt' auf den Balthes an. Der aber that desgleichen, und nun
siegte des Annele Lieb' zum Vater; sie schlug die Büchs' des
Balthes auf die Seiten, und nun ging der Schuß des Dorn
dem Balthes durch die Brust, und mit einem Fluch sank er hin
und starb. Jetzt ergriff ein großes Weh' die Maid. Denn
sie hatt' ihn von Herzen lieb. Sie warf sich auf den Todten
und umfing sein Haupt. Dann schwanden ihr die Sinn', und
nahm ich ihrer schnell mich an.
Der Dorn aber obsiegte mit den Tyrolern und Hinde-
langern über die vom Bundschuh, so daß sie gen Sonthofen
Fersengeld gaben.
Zween Tage d'rauf erschien ein kaiserliches Heer von Kempten
I ü g c r s A ii it c l c von p t it b e I n it g.
(Schluß.)
Die Bauern waren schon bei Hindelang, und oben ans der
Burg griffen sie gleichzeits an. Ich sprach zum Annele: „Laß"
uns schleuniger laufen, die Alte noch zu getrösten. Daun aber
zeuch Du hinein ins Hintersteiner Thal zum Meßner meines
Filialkirchleins. Ich jedoch muß zurück nach Hindelang!"
Und wir gelangten zur Hütte der Liese. Das Weib lag
schon in den Zügen. Ich hörte ihre Beicht' und half ihr
Alles bekennen, da ich ihr sagt', ich wüßte durch den Politter,
Balthes sei der Sohn des Göhl. Sie müsse dem Göhl ver-
I zeihen. Das gelobte sie, und dann reicht' ich ihr die heilige
Wegzehrung. Dieweil kniete das Annele und betete. „Geht
nun, Herr", sagte die Maid, „ich bleibe bei der Lief' und
fürcht' mich nit." — Ich aber mahnte das Annele nochmals, vor
den Bauern zu fliehen nach Hinterstein, und sie sagt' mir's zu,
wenn die Liese vollendet Hab'; und ich ging aus der Hütte
zurück in's Hindelanger Thal. Da sah ich Feuerschein. Der
Herrensitz brannte, und oben auf der hohen Burg blitzte Schuß
auf Schuß. Auf der Heerstraß' aber, mir entgegen, Oberdorf
zu, rannt' ein Bauerntroß. Und ich erkannte, daß der Balthes
diese Rotte führte und daß sie den alten Göhl mit sich schleppten.
Wie der Balthes meiner ansichtig ward, befahl er mir, umzu-
kehren, zur Liese, seiner Mutter. Ich sagt' ihm, just hütt' ich
die mit der letzten Wegzehrung versehen. Da sprach der unholde
Gesell: „So eilen wir, damit sie noch den Alten hier.sehen
mag, wie er seine Seel' anshaucht! Lueg, Pfarrer, der ist's,
der sich von Kind und Mutter losgesagt! Der uns vertrieb
unter's Bettlerpack! Ich bin sein Sohn — aber auch ich will
ihn verläugnen! Komm' mit, dann siehst ihn hangen!"
Da klagt' ich laut auf in Schmerz und Zorn und lief
mehr als ich ging neben dem zitternden Göhl, den sie nur
so zerrten, und gelangte mit der Rotte wieder zur Hütte der
Liese. Das Annele war aber noch da und betete dem Weibe
die Sterbgebete vor. Und der Balthes schleppte seinen Bater
herein und schrie der Sterbenden in's Ohr: „Da ist Der, den
ich lang gesucht! Nun soll's mit ihm aus sein!" Da reckte
die Mutter sich noch einmal empor und sagte: „Verflucht sei'st
Du, Balthes, wenn Du ihm ein Übles thust! Ich Hab' ihm
verzieh'»." Und sie tastete nach der Hand des alten Göhl,
der ihre ergriff und festhielt. Dann starb das Weib. Und
das Annele erhob sich in seiner ganzen Groß' und sagte zum
Balthes: „Thu' dem Alten nichts, ich leid's nit!" Und ich
und die Maid deckten nun mit unsrer eig'nen Brust den Alten.
Da sprach der Balthes: „So leb' er schandbar fort. Du
aber, Dirnlein, Du mußt meine Buhlin sein!" Und er riß
die Maid an sich. „Mit uns geh'st Du," ries er, „wir woll'n
eine Bauernkönigin!" Das Annele wehrte sich und rief Marien,
die himmlische Helferin, an in ihrer Roth. Da schrie zur
offenen Thür' ein Spießgesell herein: „Fort! Vom Jochpaß
kommt's in dicken Schaaren 'runter! Das können nur Throler
sein! Zurück geschwind nach Hindelang, ansonsten seid Ihr
abgesperrt!" — Da kommandirt der Balthes den Abmarsch und
zog das Annele mit sich fort. Aber ich führte den alten Göhl
aus der Hütte der Todten, und gingen wir Beide hinter dem
laufenden Troße nach Hindelang. Da sahen wir, wie der
Landsturm der Throler, den soeben der Dorn gebracht hatt',
über all' die schlimmen Gesellen herfiel, so Die, welche schon
in Hindelang angezündet hatten, als auch über des Balthes'
zurückkehrende Schaar, und wie die Hindelanger Bürger neuen
Muth und neuen Stand faßten. Um die Pfarrkirch', auf dem
Friedhofsbühel, da stellten sich die vom Bundschuh zuletzt noch
fest. Der Balthes hatt' das Annele nit fortgelassen und die
Maid lag auf den Knien neben dem wüsten Gesellen; also
erblickte sie ihr Vater. „Bist etwan gutwillig an dem Platz",
rief er ihr zu, „so sollst verwünscht sein in Ewigkeit!"
„Nein, Vater, nein", sagte d'rnuf das Annele, „und eine
Kugel, da tief in mein Herz, die war' mir jetzt eine Wohlthat."
Ich hörte das Alles, denn ich hatt' den Göhl in's Pfarr-
haus geschafft und war dann im Freien auf den Dorn getroffen
und stand bei ihm und forcht mich nit.
„Du kriegst keine Kugel, aber Der", schrie der Dorn und
legt' auf den Balthes an. Der aber that desgleichen, und nun
siegte des Annele Lieb' zum Vater; sie schlug die Büchs' des
Balthes auf die Seiten, und nun ging der Schuß des Dorn
dem Balthes durch die Brust, und mit einem Fluch sank er hin
und starb. Jetzt ergriff ein großes Weh' die Maid. Denn
sie hatt' ihn von Herzen lieb. Sie warf sich auf den Todten
und umfing sein Haupt. Dann schwanden ihr die Sinn', und
nahm ich ihrer schnell mich an.
Der Dorn aber obsiegte mit den Tyrolern und Hinde-
langern über die vom Bundschuh, so daß sie gen Sonthofen
Fersengeld gaben.
Zween Tage d'rauf erschien ein kaiserliches Heer von Kempten
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Jägers Annele von Hindelang"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1998, S. 146
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg